Sexismus-Debatte Sexismus-Debatte: Kolb fordert von Betroffenen mehr Mut

Magdeburg/MZ. - Sie leiden leise. Doch wie viele Frauen in Sachsen-Anhalt tatsächlich täglich anzügliche Bemerkungen und anstößige Verhaltensweisen ertragen müssen, das ist unklar. "Das kann man ganz schwer einschätzen, Daten dazu gibt es nicht", sagte Gleichstellungsministerin Angela Kolb (SPD) am Montag im MZ-Gespräch. Dazu bräuchte man eine großangelegte Befragung von Frauen. Doch die gebe es bisher nicht.
In jedem Fall geht die Ministerin von einer hohen Dunkelziffer aus. "Viele betroffene Frauen rühren sich nicht aus Scham oder Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren." Derzeit bekommt Kolb jedoch viele Rückmeldungen von Betroffenen aus Politik und Wirtschaft, aber auch aus dem privaten Umfeld. "Ich höre von vielen, dass ihnen so etwas auch schon passiert ist."
Die aktuelle Sexismus-Debatte befördere einen dringend nötigen Austausch über sexuelle Belästigung von Frauen. "Ich habe das Gefühl, dass das, was sich lange aufgestaut hat, jetzt aufbricht", sagte Kolb. "Es ist wirklich ein Tabu. Viele Frauen tolerieren Dinge, die für sie eigentlich nicht tolerabel sind", erklärte die SPD-Politikerin. "Deswegen muss man den Frauen Mut machen, darüber zu reden", sagte Kolb. Sie rät Frauen, die bedrängt werden, ganz klar zum Ausdruck zu bringen, wo die persönliche Toleranzgrenze liege. Das gelte auch im Berufsleben. "Auch dem Chef gegenüber muss man klar und deutlich sagen, wenn er mit seinem Verhalten zu weit geht", erklärte die Gleichstellungsministerin.
Doch wo hört ein Flirt oder Scherz auf und wo fängt Sexismus an? Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das 2006 in Kraft getreten ist, definiert die Grenze so: "Sexuelle Belästigung ist jedes unerwünschte, sexuell bestimmte Verhalten, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird." Kolb wird dabei ganz konkret: "Immer dort, wo sich jemand belästigt fühlt, hört der Flirt auf", sagte die Ministerin. "Aber es gibt viele Fälle, wo bestimmte Äußerungen wie die ,Herrenwitze‘, die im Zusammenhang mit Herrn Brüderle im Gespräch sind, von Männern als tolerabel dargestellt werden und für Frauen tatsächlich erniedrigend und herabwürdigend sind." Und solche Dinge sollten sich Frauen nicht gefallen lassen.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, der vor gut einem Jahr eine "Stern"-Reporterin bedrängt haben soll, erklärte unterdessen, sich öffentlich nicht zu den Sexismus-Vorwürfen äußern zu wollen. Seine Partei stärkte ihm am Montag demonstrativ den Rücken.
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