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Sekundarschule statt Abitur Sekundarschule statt Abitur: Wirtschaft freut sich über mehr Nicht-Abiturienten

Von ralf böhme 16.06.2018, 08:00
Die Sekundarschule gewinnt wieder an Attraktivität.
Die Sekundarschule gewinnt wieder an Attraktivität. imago stock&people

Halle (Saale) - Weniger Andrang an Gymnasien, die Sekundarschulen dagegen im Höhenflug. Diese überraschende Entwicklung geht aus einer noch unveröffentlichten Statistik des Landesschulamtes hervor. Danach ändern sich in Sachsen-Anhalt gerade die Vorstellungen, wo Mädchen und Jungen ab Klasse fünf gerne lernen wollen. Insgesamt betrifft diese Entscheidung in diesem Jahr rund 17.000 Schüler.

Lange Zeit galt die Aussicht auf ein Abitur am Gymnasium vielen Eltern und ihren Kindern als das Nonplusultra der Bildungsangebote. Der Besuch einer Sekundarschule, an den sich nach der zehnten Klasse meist eine Lehre anschließt, war oftmals nur die ungeliebte zweite Wahl.

Sekundarschule gewinnt an Attraktivität

Die neue Entwicklung, die die Zahlen aus dem Landesschulamt belegen, setzte ungefähr vor fünf Jahren ein. Seither verschieben sich die Anteile, gewinnt die Sekundarschule immer mehr Attraktivität. Demnach werden im neuen Schuljahr erstmals mehr als 51 Prozent der Grundschüler auf eine Sekundarschule wechseln. Das sind 8.600 Kinder, 1.400 mehr als 2014/2015.

Nur 42 Prozent der Grundschüler zieht es noch auf ein Gymnasium. Vor fünf Jahren bot sich noch ein ganz anderes Bild. Damals lagen Sekundarschulen und Gymnasien in der Gunst der Eltern und Kinder fast gleichauf, bei jeweils 47 Prozent. Unverändert ist der Wert für Gesamtschulen: Ihr Anteil an der Schülerschaft pendelt unverändert zwischen sechs und sieben Prozent.

„Wirtschaft braucht mehr Lehrlinge als Studenten“

Wie das Auf für Sekundarschulen und das Ab für die Gymnasien zu bewerten sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. Gelassen reagiert die oberste Schulbehörde im Land, das Landesschulamt. Es spricht nur davon, dass „der Andrang an Gymnasien leicht gesunken und an Sekundarschulen leicht gestiegen“ sei.

Jens Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle, registriert dagegen die Zahlen mit großer Erleichterung. „Eine gesunde Wirtschaft braucht mehr Lehrlinge als Studierende.“ Aus Sicht der Handwerkerschaft hoffe man, dass der Effekt dauerhaft sei. Über die Zukunft, so Schumann, werde schließlich nicht allein am Schreibtisch entschieden. „Ohne Praktiker geht es nicht.“ Aktuell seien noch 300 Lehrstellen im Kammerbezirk nicht besetzt.

Sekundarschule ist keine Restschule

Für den Trendwechsel arbeitet auch Claudia Diepenbrock, Landesvorsitzende des Sekundarschullehrerverbandes. Ihr zufolge zeige sich, dass die Sekundarschule keinesfalls eine Restschule sei, ganz im Gegenteil. „Es gibt in Sachsen-Anhalt keine andere Schulform, die so gezielt und in kürzester Zeit auf den Beruf vorbereitet.“ Fehlten dort Absolventen, müsse sich niemand wundern, wenn Kunden bis zu zehn Wochen auf einen Handwerker warten müssten.

Vor einer Überinterpretation der Zahlen warnt Thomas Gaube vom Landesvorstand des Philologenverbandes, der Interessenvertretung der Gymnasiallehrer. Der Schulleiter aus Halle sieht in der Schaffung von mehr als 40 Gemeinschaftsschulen die eigentliche Erklärung. Das Angebot, auch ab Klasse fünf weiter gemeinsam zu lernen, komme offenkundig einem Teil der Eltern entgegen. „Trotzdem steht das Abitur am Gymnasium weiter hoch im Kurs.“ In Halle könnten sich einzelne Einrichtungen vor Bewerbern kaum retten.

Das liegt aber auch daran, dass die Stadt Halle keine Schuleinzugsbezirke festlegt. Kinder sollen ihr Gymnasium frei wählen können. Nur wenn Plätze nicht ausreichten, muss das Los entscheiden. Das ist in diesem Jahr an drei Schulen der Fall gewesen. (mz)