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Schulmuseum Leipzig Schulmuseum Leipzig: Vergangenheitsbewältigung mit Unterricht wie in der DDR

Von Gitta Keil 20.02.2008, 12:38
Angehende Lehrer aus Dresden stehen mit blauen Halstüchern der DDR-Pionierorganisation «Ernst Thälmann» im Schulmuseum in Leipzig und beginnen die «Unterrichtsstunde in der DDR» wie einst üblich mit dem Pioniergruß. (Foto: dpa)
Angehende Lehrer aus Dresden stehen mit blauen Halstüchern der DDR-Pionierorganisation «Ernst Thälmann» im Schulmuseum in Leipzig und beginnen die «Unterrichtsstunde in der DDR» wie einst üblich mit dem Pioniergruß. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Leipzig/dpa. - «Wirbieten als einziges Schulmuseum originalen Unterricht auf DDR-Art», sagt Museumsleiterin Elke Urban, die für diese dreiviertel Stunde in ein echtes Dederon-Kleid aus dem HO-Laden schlüpft. Sie will das Angebot an Schulklassen ab Stufe 9, Lehrergruppen und Studenten aus dem In- und Ausland als Teil der Vergangenheitsaufarbeitung verstanden wissen.

«Was wir hier machen, hat mit Ostalgie aber auch gar nichts zutun», betont Urban. Wer Schule noch aus DDR-Zeiten kennt, fühlt sichzurückversetzt, wenn er den Klassenraum im Schulmuseum betritt. Allesist authentisch - die für den heutigen Geschmack hässlichen Malimo-Vorhänge, die Schulmöbel, sogar die Grünpflanzen. Auch dasHeimatkundebuch ist echt.

Urban, die früher Musik und Französisch an zwei Leipziger Schulenunterrichtete, zeigt den mit Pioniertüchern verkleideten Jugendlicheneine Welt, die sie nur noch von Hörensagen kennen. Exemplarisch undteils auch zugespitzt wird der DDR-Schulalltag nachgespielt. Etwa dieAusgrenzung und Diskriminierung des einzigen Nichtpioniers in derKlasse, dessen Situation in dem Rollenspiel zur Zivilcourageherausfordert.

Eine Chance, die die Jugendlichen von heute in dem nachgespieltenUnterricht aber nicht ergreifen. Sie bleiben stumm. «Noch nie hatjemand aufbegehrt», sagt Urban. Sie hofft, dass mit diesem Projektdie Schüler zu ahnen beginnen, was Schule in der Diktatur heißt, undwarum es der Elterngeneration so schwer war, Widerspruch zu wagen.

Im vorigen Jahr wurde das Museum mit dem erstmals ausgeschriebenensächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet. Der vomFreistaat und mehreren Stiftungen ausgelobte Preis ist dem Haus fürsein Ausstellungsprojekt «Gegen den Strom - Schule im Widerstand»verliehen worden. Die Ausstellung trage dazu bei, für jegliche Formvon Gleichschaltung und Unterdrückung zu sensibilisieren, hieß es zurBegründung. In den Blick genommen werden die NS-Zeit und die DDR.

Nicht nur die DDR-Bildung wird im Schulmuseum verhandelt. Wie zuKaisers Zeiten «Zucht und Ordnung» herrschten, wird gleichfalls ineiner Unterrichtsstunde nachgespielt. In einem besonderen Projekthaben sich die Museumsleute der Geschichte der jüdischen Bürger vonLeipzig angenommen. Akribisch erforschten sie deren Wohnorte und dasSchicksal vor allem von Kindern und Jugendlichen, die von den Nazisdeportiert wurden. Museumsbesucher haben die Möglichkeitnachzuschlagen, ob es in ihrer Nähe einst jüdische Nachbarn gab.Ihnen zum Gedenken können sie mit Botschaften versehene Taschentücheran die Zweige eines Baumes knoten.

Rund 11 000 Objekte gehören mittlerweile zu den Sammlungen desSchulmuseums, das sein Domizil in einem Anbau der früheren Stasi-Bezirksverwaltung hat. Das Museum beherbergt außerdem eineFachbibliothek mit 40 000 Bänden. Jährlich kommen laut Urban rund25 000 Besucher in das Museum.

In zahlreichen deutschen Städten gibt es Schulmuseen mit ganzunterschiedlichen Profilen. Das Magdeburger Schulmuseum etwaerforscht die Schule vor 100 Jahren und die Geschichte des höherenMagdeburger Schulwesens. Das Museum im brandenburgischen Reckahnresidiert im Schulgebäude von 1773, in dem die erste zweiklassigeDorfschule Preußens eröffnet worden war. Im Dresdner Schulmuseumwidmet sich eine Dauerausstellung der Reformpädagogik.