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Schrift Schrift: Einfach ohne Schnörkel

Von RALF BÖHME 24.08.2011, 18:28

OSTERHAUSEN/MZ. - Schreiben ist ein Kinderspiel. Also, was ist ein K? Okay, ein Buchstabe. Aber wo steckt er? Alle Schüler suchen. Auf einer Liste mit bunten Bildern entdecken sie einen Koffer. Logisch, jetzt haben sie das K und malen den Druckbuchstaben einfach ab. Zwar ruckelt der Stift noch etwas auf dem Papier, es sieht etwas krakelig aus. Aber für den Anfang geht es schon weiter: mit einer Uhr. Dann folgt eine Nuss. Schließlich kommt noch ein Osterhase. K und U und N und O - das ergibt schlicht K U N O. Es ist das erste Wort, das Schulanfänger in der Grundschule Osterhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz) schreiben - am kommenden Montag, an ihrem ersten richtigen Schultag.

Dass Kuno das erste Wort ist, erklärt sich aus einer einfachen Tatsache: Kuno ist das Maskottchen der Schule. Dass in Osterhausen die Kinder mit einem Erfolgserlebnis starten, verdanken sie einer Ausnahme. Schulleiterin Katharina Hesse praktiziert mit ihren Kollegen eine Lehr-Methode, die zwar in anderen Bundesländern üblich ist, hierzulande aber den Durchbruch einfach nicht schafft: die sogenannte Grundschrift. Ausgangspunkt ist dabei die Sprache. "Wir setzten den gesprochenen Laut in Schrift um", so Hesse.

Am einfachsten ist das mit Druckbuchstaben, so die Erfahrung in Osterhausen. Zwar könne man für die erste Probe nicht gleich einen Preis im Schönschreiben vergeben. Aber das Ganze habe einen Vorzug, so Hesse: "Wir knüpfen unmittelbar an den Erfahrungen der Kinder an und können ohne lange Vorrede gleich loslegen."

Darin sehen auch Vertreter der modernen Schulwissenschaft die Zukunft. Der hallesche Didaktik-Wissenschaftler Michael Ritter wirbt für Druckbuchstaben. Ihre einfache und klare Struktur mache es den Schülern einfacher. Exakt vorgeschriebene Schwünge und Bögen seien ein Umweg zur eigenen Handschrift. Die Hand ermüde rasch. Untersuchungen hätten ergeben, dass ohnehin im Schnitt nach vier Buchstaben eine Pause eingelegt werde. Und bislang, so Ritter weiter, fehle der Beleg für den besonderen Wert der alten Schreibschrift.

Andere Forscher wie der Hildesheimer Schulforscher Wolfgang Menzel gehen noch weiter. Sie fordern die Abschaffung der bisherigen Schreibschrift. Es sei nicht zwingend, dass Schreiben als kunstvolles Verbinden von Buchstaben verstanden werden müsse. Englische und spanische ABC-Schützen lernen auch "nur" eine Art Druckschrift. Ein Argument: Die Grundschrift ist nach allen Untersuchungen der ökonomischere Bewegungsablauf.

Für den Grundschulverband, der das pädagogische Projekt der Grundschrift bundesweit angeschoben hat, ist der neue Ansatz mit Druckbuchstaben eine Konsequenz aus 30 Jahren Schulpraxis. Früher habe man Lesen- und Schreibenlernen als zwei getrennte Lehrgänge unterrichtet. "Für den Einstieg ins Schreiben wurde eigens die Schulausgangsschrift entwickelt", erklärt Verbandsvize Ulrich Hecker. Doch die Zeit ist nicht stehen geblieben. "Viele Kinder schreiben schon vor dem ersten Schultag Buchstaben, viele ihren Namen und einzelne Wörter. Dort könnten und sollten die Lehrer anknüpfen.

In Sachsen-Anhalt setzen freilich viele Lehrer auf Altbewährtes. In Allstedt (Mansfeld-Südharz) beispielsweise kommen Lehrer und Schüler mit der traditionellen Trennung von Lesen und Schreiben gut zurecht. Schulleiterin Karin Strobach: "Entscheidend ist doch, wie die Lehrer ihre Methode beherrschen." Letztlich zähle, dass die Schüler am Ende der zweiten Klasse ordentlich schreiben können. Im Kultusministerium betont man vor allem, wie wichtig die Schreibschrift sei, um "fließende Schreibverläufe" zu erreichen. Handlungsbedarf, um die Grundschrift ins Regelwerk aufzunehmen, sieht das Land nicht. In welchem Umfang und in welcher Reihenfolge Druck- und Schreibbuchstaben erlernt werden, obliege der Schule.

Damit bleiben die Erstklässler in Osterhausen zumindest in diesem Schuljahr noch eine Ausnahme im Land.