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Trockenheit ist schuld Trockenheit im Salzlandkreis: Missernte hat wegen Futterknappheit Folgen für viele Tierhalter

Von Torsten Adam und Marko Jeschor 04.08.2018, 11:59
Alexander Linse-Wall beim Füttern der 100 Rinder auf dem Neugatterslebener Gut. Die Familie will lieber teures Futter kaufen als die Tiere schlachten.
Alexander Linse-Wall beim Füttern der 100 Rinder auf dem Neugatterslebener Gut. Die Familie will lieber teures Futter kaufen als die Tiere schlachten. Engelbert Pülicher

Bernburg - Für seine diesjährige Ernte findet Matthias Pitschke nur ein Wort: „katastrophal“. Bei der Gerste sei nur die Hälfte des üblichen Ertrags eingefahren worden, bei Raps und Weizen belaufe sich der Verlust gar auf 70 Prozent.

Ähnlich düster ist die Lage bei den Kartoffeln. „Bei den frühen Sorten haben wir zwei Drittel weniger Ertrag“, berichtet der Landwirt aus Gerbitz. Ob bei den Spätkartoffeln überhaupt Knollen dran sind, ist unklar. Denn der Boden ist zu hart zum Roden.

Konsequenz: „In dieser Woche musste ich die Belieferung von Edeka mit Kartoffeln einstellen.“ Während es in Bernburg zuletzt ordentlich regnete, sei auf seinen gut 300 Hektar zu wenig Niederschlag gefallen.

Auch Tiefwurzler vertrocknen bei diesem Wetter

Ein Leidensgenosse pflichtet ihm bei. „Es ist kein Wasser mehr da. Selbst die bis zu zehn Meter tief wurzelnde Luzerne findet kaum noch was“, beschreibt Matthias Saudhof die dramatische Situation auf den Äckern der Region. „Auf welche Kulturen sollen wir denn ausweichen, um uns dem Klimawandel anzupassen?“, entgegnet er kritischen Stimmen, die die Bauern mitverantwortlich an der Misere sehen.

An dieser wird auch der jüngste Regen kaum noch etwas ändern. „Der Boden kann theoretisch bis zu 250 Millimeter Wasser aufnehmen. Ich habe hier bei uns in Nelben nur 10 Millimeter gemessen, die sind am Abend praktisch wieder weg“, sagt der Ökolandwirt.

„Mit August steht uns der heißeste Monat noch bevor“

Eigentlich seien 100 Millimeter (entspricht 100 Liter pro Quadratmeter) Regen nötig, um die staubtrockenen oberen, fürs Pflanzenwachstum entscheidenden Schichten zu durchfeuchten. Was Matthias Saudhof Sorge bereitet: „Mit dem August steht uns der heißeste Monat noch bevor.“

Die Möglichkeiten, einen Teil seiner 630 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche zu bewässern, seien begrenzt, die Ernteverluste deshalb enorm. „Bei den Zuckerrüben liegen wir 30 Prozent unterm Durchschnitt, beim Getreide sind es 45 Prozent weniger, bei Kartoffeln gar 70 Prozent.“ Auch die Grünland-Bilanz sei mit 60 bis 70 Prozent unter dem Normalwert verheerend.

Eckhard Linse-Wall will teures Futter dazukaufen

Dieses Drama auf den Wiesen und Äckern wird sich im Viehstall fortsetzen, prophezeit der Nelbener. Als Vorstandsmitglied des Landesbauernverbandes hat er einen ganz guten Überblick über die Situation in Sachsen-Anhalt. „Es wird Notschlachtungen geben, weil das Tierfutter wahnsinnig knapp ist“, so Saudhof.

Eckhard Linse-Wall, der auf seinem Gut in Neugattersleben 100 Charolais-Fleischrinder hält, will aber stattdessen zur zweiten Option greifen und lieber teures Futter zukaufen. Auch wenn er weiß: „Der Heupreis hat sich fast verdoppelt.“ Sein eigener erster Grasschnitt habe ein Drittel des sonstigen Durchschnittsertrags gebracht, der zweite sei ganz ausgefallen. Damit seien die Rinder bis zum nächsten Frühjahr nicht satt zu kriegen - zum ersten Mal überhaupt. Eine Schlachtung komme für ihn jedoch nicht in Frage, weil die Fleischpreise ähnlich dramatisch gefallen wie die Futtermittelpreise gestiegen seien.

Kein Gewinn - keine Steuern

Was viele Menschen laut dem Vorsitzenden des Bauernverbandes Salzland, Steffen Gerber aus Calbe, gern vergessen: „Alles, was wir nicht an Gewinn machen, fehlt auch an Steuern in der Region.“ Seiner Aussage nach überlegen sich Landwirte angesichts der Einnahmeausfälle genau, ob sie in neue Technik investieren. „Wer keinen neuen Traktor braucht, weil der alte Schrott ist, wird ihn sich sicher nicht anschaffen.“ Auch diese Investitionen werden künftig im Salzlandkreis fehlen.

Steffen Gerber sagt, die Erntezahlen des Landesbauernverbandes zeigen nur den Durchschnitt. Tatsächlich fallen die Erträge örtlich sehr unterschiedlich aus - in den meisten Fällen sind sie aber katastrophal. „Ich habe teilweise noch nie so geringe Erträge gesehen.“ Seine Genossenschaft in Calbe habe sich angesichts der Wetterprognosen entschieden, den Majoran deutlich früher als sonst zu ernten - aus Angst, die Qualität ansonsten nicht halten zu können. Was aus Herbstfrüchten wie den Zwiebeln wird, vermag er nicht abzuschätzen.

Steffen Gerber berichtet von emotional sehr bewegende Wochen zuletzt. Denn neben den mageren Ernten kamen auch immer wieder die Feldbrände hinzu. Solche Erfahren kratzen am Gemüt des sonst so optimistischen Landwirts.

(mz)