Denkmalschutz Notsicherung in Frose Stadt Seeland: Der alten Schule droht trotz Denkmalschutz der Abriss

Frose - 1975: Die Zöpfe werden noch einmal gerichtet, ein breites Zahnlückengrinsen aufgesetzt, während Lehrerin Anita Schönitz - in braunem Kostüm und mit zum Dutt aufgesteckten Haar - die 31 Erstklässler auf den Stufen so dirigiert, dass am Ende auch jeder zu sehen ist. Und zack, hat der Fotograf das Bild im Kasten.
Die Treppe der alten Schule, die oben auf dem Froser Kirchberg thront, war nicht nur für die heute 50-Jährigen, sondern für ganze Generationen von Froser Abc-Schützen die Kulisse für das Einschulungsfoto. Nun soll das geschichtsträchtige Gebäude abgerissen werden.
„Reingehen würde ich da nicht mehr“ , sagt der Bürgermeister
„Die alte Schule ist massiv einsturzgefährdet“, begründet Froses Ortsbürgermeister Mario Kempe das und erzählt von herunterkommenden Decken, einem kaputten Dach, von Feuchtigkeit, die sich in Böden und Wänden eingenistet hat. „Das Gebäude ist in einem katastrophalen Zustand“, sagt er. Und gesteht: „Reingehen würde ich da nicht mehr.“ Die Stadt Seeland hat es deshalb notgesichert und mit Zäunen abgesperrt.
„Das ist eine ganz schwierige Situation“, bestätigt Heidrun Meyer, die Bürgermeisterin der Stadt Seeland, in deren Eigentum sich das von 1844 stammende Objekt befindet. Denn dort oben sei, so die Stadtchefin, auch die Feuerwehrzufahrt für die benachbarten Anwohner. Ein enger Durchgang, bei dem jeder Zentimeter zählt.
Das Gebäude steht seit vielen Jahren leer
„Wir wissen im Augenblick einfach keine Lösung für die alte Schule“, gibt die Bürgermeisterin zu. „Ein Käufer vielleicht?“, fragt sie und erklärt, dass das seit der Wende leerstehende Objekt zum Verkauf angeboten werde. Der Froser Ortschaftsrat hat sich jedenfalls vor drei Jahren schweren Herzens dazu entschieden, das alte Schulhaus abreißen zu lassen. Da das unter Denkmalschutz steht, sei dafür aber das Konzept eines Sachverständigen nötig.
Von den Plänen, die der Ort damit hatte, mussten sich die Räte jedenfalls verabschieden. Denn eigentlich sollte die neben der romanischen Stiftskirche liegende Schule saniert und Teil des Quartiers Kirchberg werden. Als Toilettenanlage, Bistro und Ausstellungsort. Für die Gäste der Straße der Romanik.
Aus den Plänen der Gemeinde ist bisher nichts geworden
Doch die finanzschwache Kommune konnte die Sanierungskosten nicht tragen. Nur die Grundsicherung und die Rettung des Obergeschosses hätten damals schon über eine halbe Million Euro gekostet. Inzwischen würde dieses Geld aber nicht mehr reichen.
Das wissen die Ortschaftsräte. Weh tut es ihnen trotzdem. „Das ist ein historisches Gebäude, das mit Frose verwachsen ist“, hatte der Ortsbürgermeister schon 2016 gesagt. Eine Schule gab es an diesem Standort bereits vor 1.000 Jahren. „Denn die gehörte zum Stift“, sagt Ortschronist Kurt Engmann und erinnert an Thomas Müntzer, der dort Braunschweiger Bürgersöhne unterrichtet hatte.
Auch Bürgermeister Kempe ging hier zur Schule
Das heutige Gebäude wurde 1844 errichtet und 1969 modernisiert. Auch Kempe selbst hat dort das Abc erlernt. Denn in dem Komplex wurden zu DDR-Zeiten alle ersten bis dritten Klassen unterrichtet. Da gab es auch einen Werkraum, in dem die Froser sägen und feilen lernten und von dem aus sie einen schönen Blick auf den sonnigen Pausenhof hatten.
Oben unter dem Dach war der Hort untergebracht, in dessen Küche stets ein großer Kübel Tee und Marmeladenbrötchen auf die Kinder warteten. Wirklich jedem über 30-jährigen Froser fallen Geschichten aus seiner Kindheit dazu ein. Und die Bürger bedauern den Zustand der Schule.
„Ich finde das sehr, sehr traurig“, gibt auch Sven Hoyer zu. „Denn da werden viele schöne Erinnerungen wach, wenn ich an die alte Schule denke.“ Der 50-Jährige, der heute in Irland lebt, gehörte zu den 31 Kindern, die 1975 hier eingeschult wurden. Die Treppe, auf der sie damals standen, sieht inzwischen mitgenommen aus, die Schultür ist mit Graffiti beschmiert, das Holz zerbröselt. Nicht so auf den Einschulungsfotos, die jeder in Ehren hält. (mz)
