"Mülldorado" Salzland "Mülldorado" Salzland: Wegschmeißen was das Zeug hält

Bernburg - Jeder Einwohner im Salzlandkreis wird ab kommendem Jahr für die Restmüll-Entsorgung mit 49,80 Euro zur Kasse gebeten - das sind fast 15 Euro mehr als bislang. Der Kreiswirtschaftsbetrieb (KWB) machte für die Kostensteigerung vier Faktoren verantwortlich: um 113 Prozent höhere Kosten bei der Restmüllentsorgung, höhere Personalkosten durch Tariflohnsteigerungen und zusätzliche Arbeitskräfte in Folge eines hohen Krankenstandes, Ersatzneubau eines Wertstoffhofes in Staßfurt sowie teurere Rekultivierung der Deponie Staßfurt.
„Mülldorado“ Salzland: Eklatante Unterschiede
Was der KWB verschwieg: Der Salzlandkreis geht in Sachsen-Anhalt einen Sonderweg. Es ist die einzige Region, in der es keinerlei Anreize zur Müllvermeidung gibt.
Während alle anderen Landkreise und die kreisfreien Städte nach MZ-Recherchen die Müllgebühren vom tatsächlichen Aufkommen abhängig machen, wird im Salzland die schwarze Tonne alle 14 Tage geleert - egal, ob voll oder nicht. Jeder Einwohner muss dafür eine Pauschalgebühr zahlen.
Die Folgen dieses Sonderwegs sind gravierend: Laut Abfallbilanz ließ im Salzlandkreis jeder Einwohner im Jahr 2017 (aktuellere Daten sind noch nicht verfügbar) fast 241 Kilogramm Restmüll abholen. Das ist die dreieinhalbfache Menge vom Landesprimus Stendal (67 Kilogramm) und deutlich mehr als der Durchschnitt (147 Kilogramm).
Nirgendwo sonst zwischen Arendsee und Zeitz wurde so viel Abfall produziert wie im „Mülldorado“ Salzland. Das könnte sich bald ändern.
„Mülldorado“ Salzland: Konzept zur Einführung eines mengenbezogenen Müllentsorgungssystems im Kreistag beschlossen
Ein Antrag der Fraktion SPD/ Grüne/WG, dass die Kreisverwaltung bis Februar 2020 ein Konzept zur Einführung eines mengenbezogenen Müllentsorgungssystems vorzulegen hat, wurde bei der jüngsten Kreistagssitzung mehrheitlich angenommen.
„Wir regen zurzeit gar nicht zum Sortieren des Mülls an“, argumentierte Fraktionschef Manfred Püchel (SPD).
Das Konzept soll Aussagen zur Zeitschiene der Einführung, zu den Folgen, zum Aufwand und zu den Kosten des sogenannten Identsystem enthalten, in dem die Tonnen nur noch bei Bedarf geleert werden.
Der Ex-Innenminister erhofft sich davon auch positive Effekte für die Verbraucher: „Da gerade auch die Kosten für die Müllverbrennung exorbitant gestiegen sind und damit eine Ursache für die Erhöhung der Gebühren waren, könnte man durch Müllvermeidung auch die Kosten für die Entsorgung reduzieren.“
Gute Erfahrungen im ehemaligen Landkreis Aschersleben-Staßfurt gemacht
Im ehemaligen Landkreis Aschersleben-Staßfurt habe man damit gute Erfahrungen gemacht, ehe im Zuge der Kreisgebietsreform das jetzige System beschlossen wurde. „Die Hauptargumente waren damals das einfachere Verfahren und das Verhindern von wilden Müllverkippungen in der Landschaft. Heute können wir sagen, dass trotz der ,Flatrate’ weiter Müll in der Landschaft verkippt wird“, so Manfred Püchel.
Er verweist darauf, dass das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz seit vielen Jahren die Müllvermeidung als oberste Priorität vorschreibt. Welche Anstrengungen der KWB bislang unternahm, um den gesetzlichen Vorschriften Genüge zu tun, ist unklar. Eine entsprechende MZ-Nachfrage ließ Betriebsleiter Ralf Felgenträger unbeantwortet.
Nur ein Kreis ist teurer
Wie sich Anreize zur Müllvermeidung auswirken, zeigt ein beispielhafter Vergleich mit dem Altmarkkreis Salzwedel. Während ein Vier-Personen-Musterhaushalt dort für dieselbe exorbitante Müllmenge, wie im Salzlandkreis erlaubt, theoretisch 317 Euro pro Jahr zahlen müsste, sieht es in der Praxis ganz anders aus.
In der Mindestgebühr von nur 158 Euro sind vier Entleerungen der 120-Liter-Tonne inklusive, für jede weitere zu entsorgende Tonne werden 7,26 Euro fällig.
Dank konsequenter Mülltrennung haben die altmärkischen Haushalte nach Angaben der Salzwedeler Kreisverwaltung im Jahr 2017 durchschnittlich nur knapp zwei weitere Tonnenleerungen zukaufen müssen. Das heißt, ihre Müllgebühr belief sich auf 173 Euro im Jahr und damit weniger als im Salzlandkreis (199 Euro).
Auch in fast allen anderen Regionen Sachsen-Anhalts müssen Haushalte bei sparsamem Müllaufkommen im nächsten Jahr weniger Gebühren zahlen als hierzulande. Lediglich in Anhalt-Bitterfeld ist die Gebühr, die mindestens zu entrichten ist, höher als im Salzlandkreis.
Auf der MZ-Facebookseite beklagten mehrere Leser, dass der KWB die Tonnen 26 Mal pro Jahr leert, egal wie gut sie gefüllt seien.
Der enorme logistische Aufwand bei Personal-, Fahrzeug- und Spriteinsatz könnte schon durch einen ausgedehnteren Abholrhythmus reduziert werden, schlug Gundel Jahn (Grüne) im Kreistag vor. Statt alle zwei könnten - wie im Altmarkkreis - nur alle drei Wochen die Restmülltonnen geleert werden. (mz)