Gift in der Ehle in Egeln Krebserregende PCB-Chemikalien in der Ehle in Egeln: Eltern haben Angst und sorgen sich

Egeln - Für die Kinder der Kindertagesstätte „Bördespatzen“ in Egeln heißt es, sich in Geduld zu üben. Sie dürfen seit vergangener Woche ihren Spielplatz nicht mehr nutzen, und auch noch gut zwei Wochen wird es dauern, ehe man weiß, ob der Boden mit Schadstoffen belastet ist.
„Die Eltern sind besorgt, das ist klar, aber dennoch nicht panisch. Es gibt weder Abmeldungen noch wurden Kinder aufgrund der Informationen aus der Einrichtung genommen“, sagte Kita-Leiter Enrico Meinhardt.
„Wir bleiben dennoch nicht den ganzen Tag in der Einrichtung, gehen Wege, die nicht am Fluss entlang führen, und die Kinder wissen auch, worauf sie achten müssen“, so der Einrichtungsleiter.
Giftschlamm in der Ehle: Hohe Konzentration von PCB
Der Grund für die Einschränkungen: Im Schlamm und an der Böschung des zwölf Kilometer langen Vorfluters Ehle, der das Oberflächenwasser auffängt und zur Bode transportiert, waren hohe Konzentrationen des Schadstoffes PCB festgestellt worden.
Gudrun Gasch wohnt seit 1980 in einem Haus an der Ehle. Verwundert ist sie nicht über die Schadstoffe. Da sei seit Jahren ausgebaggert worden, und am Rand blieb der Aushub dann liegen, erzählte Gudrun Gasch.
Gut 1,50 Meter sei die Böschung gewachsen. Auch die Grasmahd sei dort gelandet, sagt sie auf einer Versammlung in der Kita am Dienstagabend.
Fragen, ob mit dem Schlamm alles in Ordnung sei, seien immer nur lapidar beantwortet worden.
Giftschlamm in der Ehle: Alkaliwerk ist Verursacher
Die Ursache für die Vergiftung des Schlammes ist ein Alkaliwerk, das bis Ende der 1960er Jahre in Westeregeln betrieben wurde. 1961 gab es einen Brand, bei dem Hunderte Tonnen Schadstoffe verbrannten und durch das Löschwasser in die Ehle gelangten.
Seit 1989 sind keine Produkte mehr auf dem Markt, die PCB enthalten. Die Chlorverbindung baut sich sehr langsam ab und wurde in Transformatoren oder Holzschutzmitteln verwendet.
Giftschlamm in der Ehle: Väter und Mütter hinterfragen kritisch
Am Dienstagabend wollten die Eltern erfahren, wie gefährlich der Schadstoff ist und welche Gefahren den Kindern drohen.
Die Mütter und Väter, die in dem Sportraum im Keller versammelt waren und für die die 135 aufgestellten Stühle nicht reichten, hatten kritische Fragen. Vor allem, wie hoch das Risiko einer Schädigung sei.
Eine Wirkung sei, dass bei Impfungen zu wenig Antikörper gebildet werden, sagte Amtsärztin Martina Unger, was die Wirkung der Impfung beeinträchtige.
Giftschlamm in der Ehle: Erhöhtes Krebsrisiko ist umstritten
Mit einer so hohen Konzentration im Blut der Kinder sei aber nicht zu rechnen. Ein anderes Symptom seien Empfindlichkeitsstörungen, das heißt, dass die Haut und die Nerven sensibler werden.
Umstritten in der Fachwelt sei, ob der Schadstoff krebsfördernd ist, also dafür sorge, dass sich Krebs schneller ausbreite.
„Wir nehmen täglich PCB zu uns. Früher noch mehr, als es für den Holzschutz verwendet wurde. Das kann aber auch über Fleisch geschehen, das von Tieren stammt, die Futter zu sich genommen haben, das von Flächen stammt, die mit PCB kontaminiert sind“, so Martina Unger.
Dies seien aber keine besorgniserregenden Mengen, sagte sie.
Giftschlamm in der Ehle: Warum gab es nicht schon eher Warnungen
Nicht bei jedem half das. Stefanie Gebhardt war anfangs skeptisch und blieb es auch. „Als ich das erste Mal davon hörte, hatte ich Angst.“ Sie stamme aus Westeregeln, wo das alte Werk stand. Sie habe dort schon als Kind gespielt.
„Und jetzt geht meine fünfjährige Tochter hier in die Einrichtung. Ich will wissen, wie man mir Sicherheit geben kann, dass sie auch später keine Schäden davonträgt“, sagte die 36-Jährige, die mittlerweile mit ihrer Familie in Wolmirsleben wohnt.
Sie fragt sich, warum nicht früher vor den Schadstoffen gewarnt wurde. Jeder habe gewusst, dass die Fabrik existierte. Doch nun, über ein halbes Jahrhundert später, sei man überrascht von der Höhe der Belastung. Das will die junge Frau nicht so richtig glauben.
Giftschlamm in der Ehle: Ergebnisse der Proben sollen am 13. Februar vorliegen
Derzeit werden fünf Proben untersucht, die auf dem Gelände der Kita genommen wurden. Am 13. Februar soll das Ergebnis vorliegen. Stefanie Olsen, Leiterin des Fachdienstes Umwelt und Natur beim Landkreis, schraubte die Erwartungen herunter, dass sofort informiert werden könne.
Zunächst gingen die Ergebnisse an die Landesanstalt für Altlastenfreistellung. „Wir hoffen, wir bekommen dann schnell eine Info“, sagte sie. Danach soll entschieden werden, wie es weitergeht.
„Sollten sich hohe Belastungen herausstellen, können wir auch Blutuntersuchungen anbieten“, so Amtsärztin Unger.
Giftschlamm in der Ehle: Auswirkungen auf die Schwangerschaft?
Franziska Hengstmann beschäftigt indes etwas anderes. Ihre sechsjährige Tochter und ihr anderthalbjähriger Sohn gehen in die Einrichtung. Sie habe die Nachricht mit Respekt aufgenommen, lebe selbst noch in Egeln und sei hier auch aufgewachsen.
„Mir geht es gut“, sagt sie. Doch sie mache sich Sorgen, ob sie in ihrer Schwangerschaft die Schadstoffe weitergegeben hat. „Über die Muttermilch wird PCB ausgeschwemmt aus dem Körper der Mutter“, sagte Martina Unger.
Aber es sei nur eine kurze Zeit und auch nur eine geringe Menge, die das Baby zu sich nimmt. „Dann muss ich kein schlechtes Gewissen haben“, meinte die junge Frau beruhigt. (mz)