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Idylle Kleingarten  Idylle Kleingarten : Seit 50 Jahren ein Team

Von Carsten Roloff 14.08.2020, 11:56
Ursula Schneider (v.l.) sitzt mit Bernd Göbel, Otto Estedt, Klaus Gaszynski und Jürgen Schubert seit einem halben Jahrhundert an einem Tisch.
Ursula Schneider (v.l.) sitzt mit Bernd Göbel, Otto Estedt, Klaus Gaszynski und Jürgen Schubert seit einem halben Jahrhundert an einem Tisch. E. Pülicher

Altenburg - Sie wohnen fast alle in Altenburg. Doch der tägliche Besuch ihres Kleingartens auf dem Krähenberg steht auf der Prioritätenliste von Ursula Schneider (79), Otto Estedt (80), Jürgen Schubert (75), Klaus Gaszynski (77) und Bernd Göbel (76) ganz oben. Das Quintett bildet seit mehr als einem halben Jahrhundert ein Team und hält zusammen wie Pech und Schwefel.

„Ich habe das damals überhaupt nicht begriffen“

Bei der durch die Bodenreform bedingten Gründung einer der ältesten Anlagen der Region kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges steckten die Senioren noch in den Kinderschuhen. Die Menschen litten Hunger, benötigten Land, um einen Teil ihres Nahrungsbedarfs zu decken.

Viele Familien aus den damaligen deutschen Ostgebieten mussten fliehen, auch Ursula Schneider. „Ich habe das damals überhaupt nicht begriffen. Schließlich war ich erst vier Jahre alt und habe geheult, weil ich in Aussig (heute Usti nad Labem, d.R.) meine Mohrrüben nicht ernten konnte“, berichtete Ursula Schneider, die mit ihrer Familie im Spätsommer 1945 nach Sachsen-Anhalt kam, dank der guten Kontakte ihres Manns seit 1968 am „Krähenberg“ ihr zweites Zelt aufgeschlagen und seit 2009 an der Spitze des Vorstands steht.

Dem Erbsenwickler ein Schnippchen schlagen

Sie hat Spaß an der Arbeit im Freien und im Laufe der Zeit auch entdeckt, wie sie dem Erbsenwickler durch eine sehr frühe Aussaat ein Schnippchen schlagen kann. Auch der Anbau von Winterblumenkohl ist für Ursula Schneider wegen der milden Winter keine Hürde. „Ich hatte im April dieses Jahres eine wunderbare Ernte“, meinte die Seniorin. Trotz ihres Alters gräbt die ehemalige Landwirtin ihren Garten mit dem Spaten noch selbst um. Natürlich mit den nötigen Pausen, denn so schnell wie früher geht es nicht mehr.

„Mein jüngerer Bruder Friedrich unterstützt mich bei den schweren Arbeiten. Aber wir helfen uns alle gegenseitig“, so die Vorsitzende.

„Durch die Arbeit in meinem Garten bin ich immer wieder auf die Beine gekommen“

Dabei greifen die Rentner auch ihrem Gartenfreund Arnold Zain (67) unter die Arme, der trotz zweier schwerer Schicksalsschläge immer wieder aufstand. „Durch die Arbeit in meinem Garten bin ich immer wieder auf die Beine gekommen. So schnell wie früher geht es nicht mehr. Das spielt aber keine Rolle. Die Gemeinschaft ist mir wichtig“, sagte das Altenburger Urgestein.

Der harte Kern ist immer noch vorhanden, doch der Altersdurchschnitt der Mitglieder zu hoch. „Da müssen wir nicht um den heißen Brei herumreden. Wir brauchen junge Leute“, so das „Garten-Urgestein“ Otto Estedt, der seit 55 Jahren seinen Schrebergarten hegt und pflegt.

Trinkwasser, aber kein Strom

Familien mit Kindern auf den Krähenberg zu locken, gestaltet sich jedoch ziemlich schwierig. Es ist zwar ein Trinkwasseranschluss vorhanden, aber es fließt kein Strom. Dieser Fakt hat schon viele Interessenten abgeschreckt.

Der damalige Vorstand hatte vor 37 Jahren die große Chance verpasst, zum Nulltarif elektrische Leitungen vom Sportplatz in die Anlage verlegen zu lassen. Der kleine positive Nebeneffekt: Der Krähenberg in Altenburg wird von Einbrechern, die es auf hochwertige elektronische Geräte abgesehen haben, nicht besucht.

Einer der „jungen Pioniere“, die sich der Herausforderung stellen, eine der verfügbaren Parzellen zu bearbeiten, ist Martin Sander. Der 34-jährige Könneraner hat im August 2019 einen Garten übernommen und war trotz der Rekordhitze am vergangenen Wochenende fleißig am Arbeiten. Er installierte ein Vordach und verschnitt die an der kleinen Laube vorhandene stark wüchsige Hecke. Doch weshalb tut der Mann sich diese zusätzliche Belastung an?

„Meine Motivation und die meiner Freundin Maxine ist in erster Linie unser Familienhund Pippi. Ich weiß selbst, dass wir nicht alles auf einmal schaffen können und uns natürlich auch über die Hilfe meines Vaters freuen“, so der neue Gartenbesitzer, der Anfang dieser Woche mit dem Kurzschnitt seines Rasens eine weitere kleine Etappe auf dem Weg zur Kultivierung seiner gepachteten Fläche geschafft hat.

Beim Kurzhalten des Grüns haben die „alten Altenburger“ jedoch auch einen kleinen Trick. Ab und an kommt Andreas Grey mit seinen sechs Schafen vorbei, um ihnen zusätzliches Futter zu bieten. Mit dem Mäher war Martin Sander ausnahmsweise einmal schneller. (mz)

Martin Sander verschneidet die Hecke an seiner Laube und senkt den Altersdurchschnitt der Altenburger „Laubenpieper“ erheblich.
Martin Sander verschneidet die Hecke an seiner Laube und senkt den Altersdurchschnitt der Altenburger „Laubenpieper“ erheblich.
Pülicher
Die Arbeit in seinem Garten hat Arnold Zain geholfen, sich nach seinen krankheitsbedingten Rückschlägen wieder aufzurappeln.
Die Arbeit in seinem Garten hat Arnold Zain geholfen, sich nach seinen krankheitsbedingten Rückschlägen wieder aufzurappeln.
Pülicher