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Idee "Pflegedienst-Taxis" im Salzlandkreis Idee "Pflegedienst-Taxis" im Salzlandkreis: Taxi-Betriebe fürchten weitere Konkurrenz

Von Marko Jeschor 21.03.2017, 10:45
Jörn Ruchatz von Taxi-Hartkopp steigt zur nächsten Fahrt ein - diesmal bringt er einen Kunden zur Chemotherapie.
Jörn Ruchatz von Taxi-Hartkopp steigt zur nächsten Fahrt ein - diesmal bringt er einen Kunden zur Chemotherapie. Frank Gehrmann

Aschersleben - Die Idee ist nicht nur ungewöhnlich, sie birgt auch Konfliktpotenzial: Pflegedienste und andere Firmen könnten nach den Vorstellungen des für den öffentlichen Nahverkehr zuständigen Landkreises künftig Bürger befördern und auch Güter von Ort zu Ort transportieren. Damit soll die sogenannte Daseinsvorsorge vor allem von älteren Bürgern im ländlichen Bereich gesichert werden, ohne das Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wieder ausbauen zu müssen (die MZ berichtete). Die MZ zeigt auf, wie die in der vergangenen Woche erstmals öffentlich vorgestellte Idee bislang ankommt.

Was sagen die Pflegedienste?

Kirsten Hiltner vom Ambulanten Pflegedienst Aschersleben-Staßfurt sagte am Montag, man sei dafür offen. „Das wäre ein ganz neues Geschäftsfeld für uns.“ Zwar müsse man über die Finanzierung sprechen und auch die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen. Sie könne sich aber durchaus vorstellen, dass ihre Mitarbeiter Bürger zu festen Terminen in den nächsten Ort mitnehmen, um dort die Geschäfte zu erledigen.

Möglich sei auch, Einkäufe selbst zu übernehmen. Das sei zwar bisher auch möglich, aber nur bei Personen mit einer Pflegestufe, so Hiltner. Dann nämlich kommt die Krankenkasse für die Kosten auf.

Auch Gabriele Staude hat ein offenes Ohr für die neue Idee, sieht die ganze Angelegenheit aber aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. „Als Pflegeeinrichtung haben wir natürlich den direkten Draht zu den alten Menschen. Allerdings sind in unserem Beruf Fachkräfte Mangelware.

Steffi Niese vom gleichnamigen Ambulanten Pflegedienst in Aschersleben sagte, sie sei zwar generell offen dafür, wolle aber etwa der Taxi-Branche keine zusätzliche Konkurrenz machen. Besser sei es, ein Netzwerk zu gründen. Skeptisch sei sie auch, was die notwendigen Investitionen etwa in die Fahrzeugflotte betrifft. „Das ist ja auch alles mit Mehrbelastungen verbunden.“ Hintergrund: Pflegedienste sind zumeist mit Kleinwagen unterwegs. Zur Personenbeförderung ist nicht nur ein entsprechender Schein notwendig, sondern auch ein fünftüriges Auto.

Was sagt die Taxi-Branche?

Sven Altzschner hält den Vorschlag für existenzgefährdend. „Wenn unser Land so weitermacht, wird das Taxigewerbe eines Tages aussterben“, erklärt der Bernburger Taxiunternehmer. Außerdem sei ihm nicht entgangen, dass der Pflegedienst schon seit einiger Zeit ältere Bürger zum Arzt oder zum Friseur fährt.

„Dies ist jedoch unser tägliches Brot und verstößt außerdem gegen das Gesetz.“ Wie die Busfahrer müssen auch die Taxi-Chauffeure alle fünf Jahre eine Prüfung ablegen, die sie zur Beförderung von Personen berechtigt. Dazu gehören unter anderem ein Augen- und ein Reaktionstest, für den die Fahrer tief ins Portemonnaie greifen müssen.

Wenn es so kommt, "gehen wir Taxifahrer auf die Barrikaden“

Doch auch beim Zustand ihrer Fahrzeugflotte haben die Unternehmer weitaus höhere Auflagen zu erfüllen als der „Otto Normalverbraucher“, zu denen auch die fahrbaren Untersätze der Pflegedienste gehören. Die Taxis müssen einmal im Jahr zum Tüv und auch einmal in zwölf Monaten ihr Taxometer eichen lassen. Hinzu kommt eine weitaus höhere Summe bei der Versicherung.

„Nicht nur mir stehen die Haare zu Berge, falls diese unsinnige Idee auch wirklich in die Tat umgesetzt werden würde. Es wäre eine riesige Sauerei. Vielleicht will man uns aber auch kaputtmachen. Wenn es so kommen sollte, gehen wir Taxifahrer auf die Barrikaden“, sagt Wolfgang Judenhahn, Chef von „Wolles Taxiunternehmen“ in Bernburg.

Manfred Hartkopp sieht Gewerbe gefährdet

Taxi-Unternehmer Manfred Hartkopp aus Aschersleben sieht sein Gewerbe in den Grundfesten gefährdet. Den Erfahrungen des langjährigen Geschäftsführers nach sind Taxi-Fahrten etwa zum Einkaufen oder zur nächsten Bankfiliale zwar äußerst selten, da sie sich wirtschaftlich längst nicht mehr lohnen. Aber: „Wenn Pflegedienste erst mal Personen befördern, dann können sie auch Krankentransporte übernehmen.“ Da Hartkopp mittlerweile einen Großteil seines Geldes damit verdiene, befürchtet er einen weiteren Einbruch der Einnahmen, der letztlich auch dazu führen werde, „dass der Individualverkehr zusammenbricht“.

Dabei ist die Situation für Taxi-Unternehmer in den vergangenen Jahren stetig schwieriger geworden, auch aufgrund des eingeführten Mindestlohns. So schwierig, dass laut Hartkopp mittlerweile kaum noch Taxen an den normalen Wochentagen zur Verfügung stehen, „weil das nicht mehr bezahlbar ist“. Statt eine neue Konkurrenzsituation zu schaffen, sollten sich die Verantwortlichen laut Hartkopp vielmehr Gedanken darüber machen, wie man Taxen rund um die Uhr zur Verfügung stellen könne. Er denkt an eine Subvention als Generaldienstleister.

Wie geht der Landkreis mit den Aussagen um?

Der zuständige Projektverantwortliche Dirk Helbig sagte, die Bedenken seien durchaus gerechtfertigt. „Wir wollen aber keinen Konkurrenzverkehr erzeugen oder Taxi-Leistungen ersetzen.“ Vielmehr sollen Pflegedienste dort die Aufgaben übernehmen, wo der ÖPNV die Angebotslücke auf lange Sicht nicht schließen könne. Daran könnten sich natürlich auch Taxi-Firmen beteiligen. Ziel des Projekts „Daseinsvorsorge und Mobilität“ sei auch, solche Probleme zu identifizieren, damit diese dann später auch politisch diskutiert werden können.

Der Landkreis will noch bis Ende des Monats wissen, welchen Bedarf es auf den Dörfern tatsächlich gibt. Erst nach der Auswertung der Daten könne man sich damit beschäftigten, welche Ideen sinnvoll sind. „Jeder Raum verlangt nach einer anderen Lösung. Wir suchen die passende für den Landkreis.“ (mz)

Manfred Hartkopp
Manfred Hartkopp
Gehrmann