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"Keine Kneipe keine Kirche" Grimschleben bei Nienburg Saale: Förderkreis kämpft um historisches Stallgebebäude von Gottfried Bandhauer

Von Regine Lotzmann 23.06.2019, 08:55
Tolle Holzkonstruktion: Der Hängeboden des Schafstalls in Grimschleben  hängt direkt am Dach.
Tolle Holzkonstruktion: Der Hängeboden des Schafstalls in Grimschleben  hängt direkt am Dach. R. Lotzmann

Grimschleben - Es war ein schreckliches Unglück, das Christian Gottfried Heinrich Bandhauer aus der Bahn geworfen hat: Der Baumeister des Herzogtums Anhalt-Köthen baute 1825 in Nienburg die erste – und für lange Zeit auch letzte – Schrägseilbrücke der Welt.

Denn kurz nach der Übergabe brach das imposante Bauwerk zusammen und riss 55 Menschen in den Tod. Viele weitere wurden verletzt. „Aber nicht durch bauliche Mängel“, sagt Burkhard Thiem, „sondern nur, weil die Leute alle auf einer Seite standen und geschunkelt haben.“

Die wollten ihrem Herzog samt Blaskapelle mitten auf der Brücke nämlich ein Ständchen bringen. „Das war auch der Grund dafür, warum man heute nicht mehr im Gleichschritt über eine Brücke darf.“

Weil hunderte Menschen auf der Brücke schunkelten, brach das Bauwerk in Nienburg zusammen

Trotz dieses schrecklichen Unglücks machte sich der Architekt nur zwei Jahre später daran, einen Schafstall in Grimschleben, einem 71-Seelen-Ortsteil von Nienburg, zu errichten. Auch damit war er wieder ein Vorreiter, denn der 1827 entstandene Klassizismus-Bau gilt als technisches, ökonomisches und ästhetisches Vorbild für landwirtschaftliche Nutzgebäude.

Auch Burkhard Thiem ist von der Architektur begeistert. Ein quadratischer Bruchstein-Bau – etwa 30 mal 30 Meter groß – mit einem pagodenartig unterbrochenen Zeltdach, das für eine gute Belüftung sorgt. Und einem verstellbaren Hängeboden für das Futter.

Thiems Ehefrau Monika ist als Kind dort von oben ins Erbsenstroh gesprungen. Denn sie ist in direkter Nachbarschaft aufgewachsen und setzt sich nun gemeinsam mit ihrem Mann in einem 2004 gegründeten Förderkreis für die Rettung des Schafstalls ein.

Im Jahr 2004 gründete sich ein Förderkreis zu Rettung des historischen Stallgebäudes

Bis zum Sommer 1990 lebten noch Schafe hier – zu den besten Zeiten waren es 900. „Und die Tiere haben nie in ihrem eigenen Dunst gestanden, da war immer Thermik“, lobt der 62-Jährige Baustil und Baumeister, der aus wenig Baumaterial – es wurden sogar Balken von der abgestürzten Brücke verwendet – das Beste herausgeholt hatte. Und das auch noch formvollendet.

„Hier ist es herrlich kühl drinnen – das ist alles gut durchdacht“, winkt auch Angelika Böhlk in den Schafstall hinein. Sie ist die Vorsitzende des kleinen Vereins, der das Denkmal vor dem Verfall retten möchte. In den vergangenen Jahren haben sie hier Stallfeste veranstaltet, Krippenspiele aufgeführt oder die Krähenköppe – eine Bikertruppe – zu Gast gehabt.

Und es gab die unterschiedlichsten Ideen, um den Stall mit Leben zu erfüllen. Etwa vom Aussterben bedrohte Schafrassen unterzubringen oder Großtrappen zu züchten. Doch nichts hat funktioniert. Zumal das in die Jahre gekommene Architekturdenkmal dringend saniert werden muss.

Das Architekturdenkmal muss dringend saniert werden

„Da sind manche Gefahrenstellen, wir müssen dringend die Statik in Angriff nehmen“, sagt Böhlk, und Burkhard Thiem zeigt auf ein paar durchhängende Balken. „Früher war das Dach mit Tonziegeln gedeckt, vor der Wende hat man bei Sanierungsarbeiten aus Mangel Betonziegel genommen.“

Doch die seien zu schwer, so dass die vier großen dorischen Säulen, die gemeinsam mit dem quadratischen Fundament das Dach tragen, in Mitleidenschaft gezogen wurden. „Da gibt es schon Senkungserscheinungen.“

„Wir haben bei Leader einen Antrag auf Förderung gestellt und hoffen, dass wir reinkommen“, sagt die Vereinschefin. „Wobei es auch schwer ist, die Eigenmittel aufzubringen.“ Angelika Böhlk könnte sich den Schafstall gut als Kulturstätte vorstellen, für Konzerte oder Ausstellungen.

Nicht nur für Nienburg, sondern für die ganze Region. Nur idyllisch soll es bleiben. Ein mittelfristiges Ziel sei es auch, eine Verschnaufstation für Radler einzurichten. „Aber bisher scheiterte das immer an den sanitären Anlagen“, sagt Thiem.

Nächstes Projekt ist ein Schaukasten neben dem roten Kasten des Salzländer Kulturstempels

„Ja, wenn der Schafstall in Magdeburg oder Berlin stehen würde, wäre schon längst was damit geschehen“, glaubt der 62-Jährige. „Aber wir sind nur eine Handvoll Leute, die versuchen, den Stall nicht weiter verfallen zu lassen und wachsam gegen Vermüllung und Vandalismus sind. Mehr können wir nicht.“ Doch wenn die Fördermittel kämen, sagt Thiem, sähe die Welt schon ganz anders aus.

Doch jetzt wollen die Vereinsmitglieder erst einmal einen Schaukasten bauen, der direkt neben den roten Kasten für den Kulturstempel kommt. „Mit unserer Telefonnummer drauf, so dass wir, wenn wir zu Hause sind, Gäste durch den Stall führen können.“ Auch eine Broschüre über die ehemalige Domäne wird herausgebracht.

Ein vergessener Ort, wie die Grimschlebener meinen. „Keine Kneipe, kein Konsum, keine Kirche - nur Ruhe“, sagt Thiem. Dafür mit dem Zeugnis eines unvergleichbaren Baumeisters. „Der“, findet der Grimschlebener, „war ein Genie und seiner Zunft um Jahrzehnte voraus.“ (mz)

Das pagodenartige Dach des Schafstalls in Grimschleben sorgt für die Belüftung.
Das pagodenartige Dach des Schafstalls in Grimschleben sorgt für die Belüftung.
E. Pülicher