Geschichte des Braunkohleabbaus Geschichte des Braunkohleabbaus: 150 Jahre bis zum Untergang

Nachterstedt - Ich bin Bergmann - wer ist mehr? Diese Frage, die eigentlich ein Seelenbekenntnis zu einem schweren Beruf ist, halten die Mitglieder des Nachterstedter Bergmannsvereins bis heute hoch. Auch wenn im Seeland längst keine Kohle mehr aufgefahren wird. Immerhin hat der Bergbau die Seeland-Region 150 Jahre lang geprägt, genährt und verändert. Er hat für Arbeitsplätze gesorgt, hat - zumindest eine Zeit lang richtig gut floriert, aber er hat auch dafür gesorgt, dass ganze Dörfer weichen mussten, um anderenorts wieder aufgebaut zu werden. So wie das alte Nachterstedt und Königsaue.
An diese Geschichte - und an viele Geschichten - zu erinnern, das haben sich die rund 40 Mitglieder des Bergmannsvereins Nachterstedt auf ihre Fahne geschrieben. Hoffentlich noch möglichst lange, sagt Vereinsvorsitzender Klaus Schaefer. Immerhin liege der Altersdurchschnitt der im Verein organisierten ehemaligen Bergleute inzwischen bei gut über 70 Jahre. Und Nachwuchs sei eben nicht in Sicht, so Schaefer. Er und seine Kumpel hatten am Sonnabend ihre Bergmannstrachten angezogen und die schmucken Kappen aufgesetzt. Nicht ohne Grund. Denn in der Galerie in der Nachterstedter Lindenstraße, in der der Förderverein „Harzer Seeland“ zu Hause ist, eröffneten sie eine Ausstellung, die die 150 Bergbaujahre im Nachterstedter Revier sehr anschaulich und informativ dokumentiert - und auch den Bergbaulaien in ihren Bann zieht. Dass es sich dabei um keine Sonderschau sondern vielmehr um eine Dauerausstellung handelt, ist dem Seeland-Förderverein zu verdanken. Der habe den Bergmännern einen der vorhandenen Räume zur Nutzung überlassen, sagt Manfred Räder vom Förderverein.
Wenn dieser Raum auch eher klein ist, ist es um so erstaunlicher, wie es den Ausstellungsmachern gelungen ist, sich auf die beengten Verhältnisse einzustellen. Da ist nichts zu wenig und nichts zu viel. Bilder, Bergbauutensilien und Informationstafeln sind übersichtlich und am rechten Fleck platziert. Der interessierter Ausstellungsbesucher kann sich jedenfalls einen schnellen und gleichzeitig doch informativen Überblick verschaffen. Und wer vielleicht sogar das Glück hat, dabei auf einen waschechten Bergmann - wie beispielsweise Hans-Jürgen Schubert - zu treffen, der muss sich vor Langeweile nicht fürchten. Am Sonnabend hatten die zahlreichen Ausstellungsbesucher dieses Glück. Gleich mehrere Mitglieder des Bergmannsvereins beantworteten Fragen und erläuterten die Exponate. Und schnell waren sie wieder gegenwärtig - die Geschichte und die Geschichten.
So war zu erfahren, dass die Nachterstedter Braunkohle tatsächlich von besonderer Qualität war. Der hohe Gehalt an Bitumen und Teer war ihr Markenzeichen. Damit verdienten die Abbauunternehmen lange gutes Geld. Auch noch als in den 1930er Jahren der Nachterstedter Kohleabbau zu einem Teil der Vorbereitungen der Nationalsozialisten auf den 2. Weltkrieg wurde und unteranderem die Ansiedlung eines IG Farben-Betriebs in Frose beförderte. Später habe allerdings der „Verzehr“ begonnen. Insbesondere weil abzusehen war, dass der hier lagernde Vorrat an Kohle seinem Ende entgegen gehen würde. In den kommenden Jahrzehnten wurde vergleichsweise wenig investiert - dafür wurden die vorhandenen Anlagen mehr und mehr auf Verschleiß gefahren, erklärte Klaus Schaefer. Am Ende war es wohl die immer noch sehr hohe Qualität der Kohle, die das Ende des Nachterstedter Reviers in die Länge zog. Noch zu DDR-Zeiten seinen die weiterverarbeitenden Betriebe rein verrückt nach Kohle aus Nachterstedtv gewesen, schmunzelt Klaus Schaefer. Wirtschaftlich war es da aber längst nicht mehr. Die nackten Zahlen sprachen eine eindeutige Sprache. „Sie waren katastrophal“, so Schaefer.
(mz)
