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Magdeburg-Cochstedt Flughafen Magdeburg-Cochsted: Das Schicksal der Mitarbeiter

Von Marko Jeschor 10.10.2016, 04:00
Erinnerung an bessere Zeiten: Der Ausweis für den Flughafen
Erinnerung an bessere Zeiten: Der Ausweis für den Flughafen Frank Gehrmann

Cochstedt - Was waren das für Momente, als Trainer Jürgen Klopp damals noch mit den Fußballern von Borussia Dortmund aus dem Flieger stieg, um zum Testspiel nach Magdeburg zu reisen. Oder als Hollywood-Star George Clooney mit seinem Privatjet am Flughafen Magdeburg-Cochstedt landete, um ein paar Kilometer weiter seinen nächsten Film zu produzieren. Es wurden Autogramme geschrieben und Selfies gemacht.

Das war in den guten Jahren des Flughafens, wenn es die wirtschaftlich betrachtet denn überhaupt gab. Janett Wiegandt aus Hecklingen jedenfalls dachte, „hier kann ich alt werden“.

Dass sich die 45-Jährige irrte, ist spätestens klar, seit sie und die anderen verbliebenen 50 Mitarbeiter die Kündigung von Insolvenzverwalter Andreas Löffler erhielten. Er argumentierte, dass mit dem Entzug der Betriebsfreigabe durch das Landesverwaltungsamt jegliche wirtschaftliche Grundlage entzogen worden ist.

Deshalb sei die getroffene Entscheidung rechtlich alternativlos. Das sagte Löffler bei einer Betriebsversammlung vor rund zwei Wochen. Als Begleitung hatte der Rechtsanwalt aus Magdeburg Mitarbeiter der Agentur für Arbeit Bernburg, die die Beschäftigten sogleich als Kunden registrierten, wie es so schön heißt.

Am vergangenen Sonnabend nun trafen sich Wiegandt und andere ehemalige Mitarbeiter noch einmal an jenem Ort, der in den vergangenen Jahren eine berufliche Heimat war, an dem sich die meisten durchaus wohl fühlten.

Eine große Familie zerbricht

„Wir waren alle wie eine große Familie“, sagt Wiegandt, die als Luftsicherheitsassistentin dort arbeitete, also Passagiere und Gepäck abfertigte. „Ich dachte, hier kann man gut alt werden.“

Das Gefühl von Wehmut ist längst gewichen. Ärger hat sich breit gemacht über die Art und Weise in den vergangenen Monaten: Darüber, dass die Mitarbeiter über ihre Perspektiven bis zuletzt nur aus der Zeitung erfuhren statt von der Geschäftsleitung. Vor allem aber, dass sie seit mehreren Monaten auf ihnen zustehendes Gehalt warten.

Im Januar sei das erste Mal kein Geld gezahlt worden, sagt Wiegandt. Mittlerweile warte sie auch auf weitere Gehälter für August und September. „Sie wussten, dass wir kein Geld bekommen und ließen uns trotzdem arbeiten“, sagt die alleinerziehende Mutter einer 16-jährigen Tochter.

Ihre Reserven seien längst aufgebraucht. Hätte sie ihre Familie in den vergangenen Monaten nicht unterstützt und ihr Vermieter kein Verständnis gezeigt, es würde ihr wohl noch schlechter gehen. Wiegandt wird nun versuchen, auf dem Klageweg an das Geld zu kommen, das ihr laut Vertrag zusteht.

Hart traf es auch Christine Vogeley aus Gatersleben und Thomas Schwotzer aus Magdeburg, beide 49 Jahre alt. Sie lernten sich auf dem Flughafen kennen und lieben, arbeiteten sich gemeinsam zu Kontrollstellenleitern hoch und rissen gerade in den vergangenen Monaten etliche Zwölf-Stunden-Schichten runter, als andere womöglich wegen des drohenden Aus des Flughafens schon krank zu Hause blieben.

„Wir haben uns richtig auf den Lohn gefreut“, sagt Vogeley, die bis zur Kündigung noch Hoffnung hatte. Bei ihr und ihrem Lebensgefährten geht es nach eigenen Angaben mittlerweile um etliche tausend Euro, der Dispokredit sei längst überzogen.

Sie berichtet auch von ehemaligen Kollegen, die ihre Autos oder Tankgutscheine verkauften, um irgendwie über die Runden zu kommen, einer ehemaligen Kollegin mit Kind aus Staßfurt sei wegen Mietrückständen sogar die Wohnung gekündigt worden.

„Das alles fühlt sich an wie ein Tritt in den Arsch“, sagt Vogeley. Ausdrücklich lobt das Paar allerdings Betriebsleiterin Silke Buschmann. Sie habe sich bis zuletzt für die Mitarbeiter eingesetzt.

Mitarbeiter warten auf ausstehende Gehälter

Die Geschäftsleitung der Flughafengesellschaft ließ am Wochenende auf MZ-Anfrage mitteilen, die eingetretene Situation sei äußerst bedauerlich. „Alle Verantwortlichen arbeiten mit Hochdruck daran, eine positive Wende herbeizuführen.“

Auch aus diesem Grund werden intensive Gespräche mit Interessenten geführt. Weitere Details nannte der Sprecher nicht. Auch die Fragen zu den ausstehenden Gehältern blieben unbeantwortet.

Bis Ende Februar hat Löffler Zeit, um ein tragfähiges Konzept für den Flughafen zu erstellen. Danach erlischt die vorübergehend eingezogene Betriebserlaubnis endgültig.

An die Wende glauben die Mitarbeiter allerdings längst nicht mehr. „Wenn sie mich fragen, ob ich wieder anfangen möchte, werde ich ablehnen“, sagt Wiegandt, die sich noch einmal neu orientieren will. Zumal ihre Befähigung als Luftsicherheitsassistentin ausläuft, wenn sie nicht regelmäßig die vorgeschriebenen Schulungen absolviert.

Auch Vogeley und Schwotzer haben bereits Bewerbungen verschickt. Sie wollen das ausstehende Gehalt und ansonsten noch einmal beruflich neu beginnen. Dank ihrer vorherigen Ausbildungen sehen sie zumindest gute Chancen für sich.

(mz)

Die ehemaligen Mitarbeiter dürfen das Flughafengelände nicht mehr betreten.
Die ehemaligen Mitarbeiter dürfen das Flughafengelände nicht mehr betreten.
Frank Gehrmann