Nach Erdrutsch bei Nachterstedt Erdrutsch bei Nachterstedt: Wie geht es am Concordiasee weiter?

Nachterstedt - Das Bangen an der Absperrung zum Concordia See in Nachterstedt ist gewichen, nachdem klar war: Diesmal ging der Erdrutsch im ehemaligen Tagebau glimpflich aus. Anders als 2009 ist niemand verschüttet worden, ein Arbeiter konnte sich selbst retten und wurde nur leicht verletzt.
Trotzdem: Geblieben ist die Verunsicherung im Seeland. Ja, sie ist seit dem Dienstagabend sogar noch größer geworden. Wohin man auch hörte am Mittwoch in Nachterstedt, das Thema See ist allgegenwärtig.
Während die Seeland-Bürgermeisterin Heidrun Meyer Optimismus verbreitet und fünf von sechs Ortsbürgermeistern hoffen, dass das Tourismusprojekt keinen erneuten Rückschlag erleidet, sieht es der Gatersleber Orts-Chef Mario Lange anders: „Es kann kein Weiter so geben“, sagte er angesichts des „Abbruchs in Größenordnungen“. Er bezweifelt, dass die jetzt laufenden Sanierungsarbeiten mit Hilfe einer aufwendigen Rütteldruckverdichtung der richtige Weg sind. „Aber da müssen jetzt die Experten sprechen.“
So sieht das auch Thomas Mittenzwei. Der 64-jährige Bewohner der Haldenstraße ist von einer Evakuierung verschont geblieben, weil er auf der anderen Seite wohnt. Doch er kennt das Gefühl, sein Haus verlassen zu müssen. Ohne zu wissen, ob es ein Zurück gibt. Denn 2009 ist auch seine Familie betroffen gewesen, musste zeitweise in Sicherheit gebracht werden.
Als er sein Haus 1997 von der Treuhand erwarb und nach und nach in das Grundstück investierte, freute er sich auf einen Lebensabend in privilegierter See-Nähe. „Inzwischen fühle ich mich aber wie auf einem Pulverfass“, sagt er. Auf einem Pulverfass, von dem er und seine Frau Ursula nicht so einfach runter kommen. „Unser Haus können wir unter diesen Umständen nicht verkaufen, wir müssen also hier bleiben.“
Mehr öffentlicher Druck nötig
Von den Verantwortlichen der LMBV und von der Stadt erwartet Thomas Mittenzwei nun mehr Informationen. „Wir wollen einfach wissen, was Sache ist“, sagt er. Er erinnert sich daran, dass die Betroffenen 2009 „keine Presse wollten. Aber heute finde ich, dass das keine gute Idee war“, sagt er. Er will nun „mehr öffentlichen Druck“ und mehr Transparenz.
Deshalb stand er schon am Mittwochmorgen bei der Bürgermeisterin im Rathaus auf der Matte und forderte eine Informationsveranstaltung für die Anwohner der Haldenstraße. Dazu ist tatsächlich ganz kurzfristig für Mittwochabend eingeladen worden. „Dass es so schnell geht, hätte ich nun auch nicht gedacht“, sagt Mittenzwei und fing sofort an, die Bewohner der Straße zusammenzutrommeln. An die für Sommer kommenden Jahres geplante Teilnutzung des Concordia Sees glaubt der Nachterstedter mittlerweile nicht mehr.
Er ist aber sowieso dafür, den See erst freizugeben, wenn die Böschungen sicher sind. „Es ist nicht auszudenken, was passiert, wenn der Strand in Schadeleben freigegeben ist und auf der Seite gegenüber eine Böschung abrutscht.“ Für ihn sei Sicherheit wichtiger als das Bedürfnis von Touristen, baden zu gehen.
Strich durch die Rechnung
Für Gerhard Redöhl, einen Rentner aus Nachterstedt, ist das nicht der Punkt. Jahrelang war er Geschäftsführer der Ökologischen Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft, deren Mitarbeiter in den ersten Jahren am See tätig geworden sind - unter anderem beim Bau von Radwegen und dem größten Abenteuerspielplatz des Landes auf der ehemaligen Halde 1 bei Schadeleben.
Der Erdrutsch vor sieben Jahren hat allen Plänen, die Region touristisch zu vermarkten, einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. „Das kann so nicht bleiben“, sagt Redöhl. Die Einwohner und Geschäftsleute im Seeland brauchen eine Perspektive, „denn außer Novelis ist ja hier nicht mehr viel“. Der Ortsbürgermeister von Schadeleben, einer weiteren Anrainergemeinde am See, will ebenfalls nicht aufgeben und weiter um den Tourismus in der Seeland-Region kämpfen. Doch es klingt schon ein wenig traurig, wie er einen Satz sagt, den viele unterschreiben könnten: „Unser See verlangt uns viel ab.“
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(mz)


