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"Ortschaften bluten aus" Einheitsgemeinde Stadt Nienburg Saale: Gemeinde Gerbitz will nach acht Jahren austreten

Von Andreas Braun 02.03.2018, 23:00
Stefan Maibaum ist Ortsbürgermeister von Gerbitz. Der Ort gehört zur Einheitsgemeinde Stadt Nienburg (Saale).
Stefan Maibaum ist Ortsbürgermeister von Gerbitz. Der Ort gehört zur Einheitsgemeinde Stadt Nienburg (Saale). Pülicher

Gerbitz/Nienburg - „Wir hatten ja schon einmal überlegt. Aber damals waren es nur Gedankenspiele. Jetzt wollen wir es wissen.“ Stefan Maibaum, Ortsbürgermeister von Gerbitz, will raus. Genauer gesagt, er will Gerbitz aus der Einheitsgemeinde Stadt Nienburg führen und das nicht nur mit Worten, sondern er will eine ernsthafte Prüfung anstrengen. Sollte sich daraus eine Chance ergeben, will er diese nutzen.

„Acht Jahre sind wir Ortsteil der Stadt Nienburg, und ich sehe nicht, dass wir dadurch einen einzigen Vorteil hatten. Uns sind Gewerbeflächen genommen worden, die Kita wird ohne ernsthafte Anstrengung der Verwaltung, sie zu erhalten, geschlossen. Alles geht nach Nienburg. Die Ortschaften waren nur dazu dagewesen, damit Nienburg als Einheitsgemeinde gebildet werden konnte.

Kita ohne Zukunft frustriert junge Familien

Nun haben sie ihren Zweck erfüllt und bluten aus.“ Maibaum wählt drastische Worte, um die Situation zu schildern. Andere Argumente wischt er weg. Er steht mit seiner Meinung nicht allein. Vor allem junge Familien sind frustriert, wie sie in der vergangenen Woche deutlich machten, als bekannt wurde, dass die Stadtverwaltung mit einem Fördermittelbescheid die Lücke in der Finanzierung einer neuen Kita schließen konnte (die MZ berichtete).

Die Kita ist umstritten. Nicht nur bei den Gerbitzern, die ihre Kita gern behalten würden, wie es im Gebietsänderungsvertrag vereinbart worden war. Doch die Zeit läuft ihnen davon. Eingereichte Klagen sind keine Garantie, die Kita im Ortsteil zu erhalten. Die Stadt indes hüllt sich auf Anfrage in Schweigen. Offiziell könne man etwas zu dem Thema sagen, wenn es denn offiziell sei, hieß es aus dem Rathaus.

Maibaum sieht Zukunft in Calbe oder Bernburg

Gerbitz wird keine eigenständige Gemeinde werden, weiß Maibaum. Nur hofft er auf mehr Berücksichtigung der Gerbitzer Interessen. Die Hürden für einen Austritt liegen aber hoch.

Geregelt ist das in der Kommunalverfassung des Landes in den Paragrafen 17 bis 20. Es muss eine andere Verwaltungsgemeinschaft zur Verfügung stehen. Rechtlich ginge die Einheitsgemeinde Stadt Barby. Es gibt eine gemeinsame Gemarkungsgrenze, was notwendig ist.

Doch hier will Maibaum nicht hin, was die Sache kompliziert machen würde. Er bevorzugt Calbe oder Bernburg, aber Gerbitz hat weder zu Calbe noch zu Bernburg eine Gemarkungsgrenze. In die andere Richtung würden Kreisgrenzen einen Anschluss behindern.

Einheitsgemeinde hat nur 6.500 statt 10.000 Einwohner

Der Haken ist aber zudem noch, dass mit einem Austritt das bestehende Konstrukt nicht gefährdet werden darf. Im Fall Nienburg wäre das schon ohne Austritt eines Ortsteils der Fall. Die 10.000 Einwohner, die für die dortige Konstellation vorgeschrieben waren, waren bereits bei der Gründung unterschritten.

Derzeit hat Nienburg mit Ortsteilen nicht mal mehr 6.500 Einwohner. „Da frage ich mich, warum die Einheitsgemeinde immer noch besteht“, sieht Maibaum eine Chance, dass sich in den nächsten Jahren von ganz allein etwas ändert. Ausgeschlossen scheint das nicht, auch wenn die Meinungen hier auseinander gehen, ob das Land freiwillig eine Neuordnung angehen will.

Maibaum hat einen Plan B

Maibaum hat allerdings einen Plan B. „Im nächsten Jahr sind Kommunalwahlen. Ich denke, es gibt eine ganze Reihe von unzufriedenen Bewohnern der Ortsteile. Das haben wir gemerkt, als wir für ein Bürgerbegehren durch die Orte zogen.

Viele Einwohner fühlen sich übertölpelt und nicht ernst genommen. Ich glaube, dass sich in jedem Ortsteil gute Leute finden, die sich der Wahl stellen. Als unabhängige Vertreter der Ortschaften, um wirklich deren Interessen im Stadtrat zu verteidigen“, will Maibaum Druck erzeugen. (mz)