Mit 55 Jahren 74-Kilometer-Rennsteiglauf: Steffen Krocker aus Aschersleben trainiert für Supermarathon

Westdorf/Aschersleben - Wer im Einetal zwischen Westdorf und Welbsleben unterwegs ist, der wird hin und wieder auch Steffen Krocker begegnen. Viermal die Woche joggt der 55-Jährige hier. Unter der Woche um die zehn Kilometer, samstags oder sonntags auch mal 25 bis 30 Kilometer.
Laufen ist für Steffen Krocker kein Zwang. „Ich freue mich drauf“, sagt er. Beim Laufen bekommt er den Kopf frei, entwickelt Ideen.
Thüringen, Alpen, Himalaya – Krocker ist viel unterwegs
Steffen Krocker zählt zu den Sportlern, die beim Rennsteig-Lauf stets die 74-Kilometer-Strecke laufen. Er ist ein Ultra-Läufer. Und wenn er nicht gerade läuft, dann kraxelt er auch mal mit seinem großen Sohn durch die Alpen, auf den Kilimandscharo oder steht im Himalaya dem Mount Everest gegenüber.
Über den letzten Jahreswechsel waren sie in Ecuador, marschierten zwei 5.000er und einen 6.300 Meter hohen Berg hoch. Richtiges Klettern sei es nicht, aber doch schon Bergsteigen mit Steigeisen und Seilen. Er ist ein Extremsportler, der als Kind nur Schulsport machte, Anfragen der Schwimmer und Leichtathleten von Lok oder Dynamo Aschersleben ablehnte.
Nachdem Krocker 1999 mit rauchen aufgehört hatte, läuft er gegen Gewichtszunahme
Wie er zum Sport kam? „Ich habe am 15. Dezember 1999 mit dem Rauchen aufgehört“, erzählt Krocker. Nach Weihnachten und dem Geburtstag zeigte die Waage gleich mehrere Kilo mehr an. „Da habe ich mir gedacht, das billigste ist Laufen.“
Der Westdorfer holte sich einfache Laufschuhe, ging ins Einetal und fing an. „Nach 100 Metern habe ich gejapst, mich aber durchgekämpft.“ Stück für Stück steigerte er sich und fand Gefallen daran.
Als er das erste Mal vier Kilometer durchgelaufen war, hatte er sein erstes Glücksgefühl. Die nächsten nach sechs Kilometern bis Welbsleben, dann nach zehn Kilometer auf der Konradsburg.
Als er, der Betriebstechniker vom Autohaus Schmidt und Söhne, dann durch einen Kollegen mit Lauf-Oldie Walter Büchner Kontakt hatte, schickte der ihn zur Laufgemeinschaft Konradsburg nach Ermsleben. „Da sind ein paar nette Jungs, lauf mit“, riet ihm Büchner.
So kam er zum Verein, wo er bis heute Mitglied ist. Wobei er seinen ersten Wertungslauf als Nichtmitglied hatte – die 11,4 Kilometer des Konradsburglaufs. Als Mitglied hilft er aber seitdem beim Ausrichten. Krocker fuhr zum Quedlinburger Waldlauf, lief den Einetallauf und dann beim Rennsteiglauf, seinen ersten Marathon.
Wenn andere nach der Arbeit Einkaufen gehen, schnürt Krocker seine Laufschuhe
Das Laufen sei fast zu einer Sucht geworden, gesteht er. Wenn andere nach der Arbeit Einkaufen gehen, schnürt er seine Laufschuhe. Dass er 2012 erstmals die 74 Kilometer am Rennsteig absolvierte, hatte mit der Verarbeitung des Todes seiner Ehefrau zu tun.
„Da habe ich gesagt, jetzt erst recht.“ Danach mache man den „kurzen“ Lauf nicht wieder. „Man muss den langen Lauf machen.“ Die Harzquerung zwischen Nordhausen und Wernigerode war sein erster Ultra, auch den Ottonenlauf zwischen Stiege und Quedlinburg hatte er schon.
Vor drei Jahren lief Krocker 100 Kilometer durch Thüringen
2016 lief er den Thüringen-Ultra über 100 Kilometer. Welche Belastung so eine Distanz ist, stelle er erst Stunden danach fest. „Solange man läuft, ist alles voll Adrenalin.“ Andere Läufer würden noch mehr laufen. „Ich bin nur ein kleiner Verrückter.“ Unterwegs versorgt er sich am liebsten mit Haferschleim.
Im April möchte Steffen Krocker den Kyffhäuser-Marathon laufen, dann den Zittauer Gebirgslauf mit 35 Kilometern Länge und 1025 Höhenmetern. „Da machen wir mit der ganzen Familie Kurzurlaub“, berichtet er.
Wobei weder die Eltern noch seine beiden Söhne laufen. Im Juli freut er sich auf den Zermatt-Ultra in der Schweiz. Der Start sei auf 1.100 Höhenmeter, das Ziel nach 45 Kilometern auf 3 100 Metern Höhe. „Aufgeben gibt es nicht“, nennt er seine Maxime. Auch den Ottonenlauf möchte er noch mal über die 69 Kilometer laufen. Der Ilsenburger Brockenlauf und der Brockenmarathon dürfen nicht fehlen. Erstmals will er mit Katrin von Iven als Team zum Berlin-Marathon. Das wäre sein erster flacher Marathon.
Auch zum Bergsteigen ist Krocker durch den Tod seiner Frau gekommen. Statt des gemeinsamen Usedom-Urlaubs wanderte er mit dem Sohn in den Alpen – und leckte Blut. Nach der Tour „fanden wir es so toll, dass es weiter ging“.
Sie kauften sich schließlich Seil und Steigeisen und marschierten ohne Führer. Als er einen Tag vor dem 50. Geburtstag auf dem Kilimandscharo stand, war das ein prägendes Erlebnis, genau wie die Touren in Nepal. „Die Natur ist atemberaubend.“ Irgendwann möchte er in Tadschikistan den 7.134 Meter hohen Pik Lenin ersteigen. (mz)