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Salzlandkreis Salzlandkreis: Kino noch von Hand gemacht

Von Steffen Reichert 22.04.2008, 19:31

Edlau/MZ. - Acht Millimeter? Was für eine Frage! Helmut Göldner holt tief Luft, zögert einen Augenblick und wehrt dann ab: "Ich zeig' doch keine Pornofilme." 35 Millimeter - darunter läuft bei ihm gar nichts. Schließlich macht Göldner Kino. Großes Kino sozusagen. Und da muss die Qualität schon stimmen.

Göldner ist ein Mann vom Fach. Er ist der letzte mobile Filmvorführer, den es in Sachsen-Anhalt gibt. Mit seinem alten Kleinbus "T4" fährt der 64-Jährige noch immer über Land. Bitterfeld und Bernburg, Halle und Eisleben, er kennt sie alle - die Dorfgaststätten, Kulturhäuser und Festwiesen der Region. Der Mann aus dem kleinen Edlau im Salzlandkreis startet gerade in sein 50. Berufsjahr.

Von der Pike auf ist er als Filmvorführer tätig. Mit 15 Jahren hat er den Vorführschein gemacht, während der Armeezeit sorgte er für die Unterhaltung seiner Kameraden. Und als der Fernseher noch lange nicht Einzug in jedes Wohnzimmer gehalten hatte, da fuhr der Mann im Auftrag der Bezirksfilmdirektion im Rahmen der Aktion "Landfilm" hin und her und brachte Filme wie "Spartakus" und "Geliebte weiße Maus", die "Reise zum Mittelpunkt der Erde" oder "Nackt unter Wölfen" in das kleinste Dorf. Voll war jeder Saal, begeistert das Publikum. "Kein Wunder", erinnert sich der Frührentner. Immerhin kostete die Eintrittskarte zu DDR-Zeiten 85 Pfennige, für Kinder 25. Die Saalmiete lag bei elf Mark - ein lukratives Geschäft.

Als mit der Ostmark auch Halles Bezirksfilmdirektion für immer verschwand, hatte Göldner einen letzten Auftrag zu erledigen. Er sollte die teils fast neuen Filmrollen auf den Müll fahren. Doch der Cineast brachte es nicht über sich, die beliebten Trickfilme vom "Maulwurf", von "Hase und Wolf" wegzuschmeißen. Er nahm sie statt dessen mit nach Hause und wagte mit der neu erworbenen Reisegewerbekarte den Sprung in die Selbständigkeit. "Meine schönste Zeit", nennt Göldner die Jahre nach 1990.

Es waren die Jahre, als die Menschen in den kleinen Orten noch danach lechzten, Hollywood-Streifen auf nur zehn Quadratmeter großen Leinwänden zu erleben. "Titanic" hat er drei Monate lang sieben Tage die Woche gespielt, "Blutige Erdbeeren" lockte 800 Zuschauer auf den Eisleber Marktplatz. Göldner kaufte in Quellendorf bei Köthen ein Grundstück und verdiente gut mit seinem Autokino. "Doch dann war kein Geld mehr unter den Leuten." Nichts war mehr wie früher. Die DVD im heimischen Wohnzimmer tat ihr übriges. Für Helmut Göldner brach das große Geschäft zusammen, er sieht es jetzt eher als Hobby.

Aufgegeben hat er trotzdem nie. Noch immer ist er auf Achse - am liebsten mit seiner originalen und robusten "Ernemann"-Filmmaschine aus dem Jahre 1936. Noch immer kooperiert Göldner mit den großen Film-Verleihern, aber auch bei regionalen Anbietern wie dem halleschen Programmkino "Lux" erfährt er Unterstützung und bekommt Aufträge für Open-Air-Veranstaltungen.

Auch in kleinen Kinos wie dem "Lux" läuft das Geschäft saisonbedingt sehr unterschiedlich. "Im Moment haben wir viele tolle Filme und steigende Besucherzahlen", freut sich Betreiber Wolfgang Burkart. Doch die Fußball-Europameisterschaft naht und Burkart erwartet eine Sommerflaute. Dennoch will der Chef des preisgekrönten "Lux" jetzt schon sein drittes Kino in Halle eröffnen. So kann der Profi die Engpässe bei den oft knappen Kopien für begehrte Filme besser ausgleichen und zugleich aktueller sein.

Aktualität wird nicht nur groß geschrieben - sie ist auch das größte Problem. Oft viele Wochen müssen kleine Kinobetreiber warten, um eine der begehrten Kopien zu erhalten. Inzwischen werden mit Mitteln der Bundesregierung zusätzliche Kopien gefertigt, um die Kinos in kleinen Städten und Dörfern schneller bedienen zu können.

Wenn es nach Göldner ginge, würde er auch in diesem Sommer gerne die großen Stars auf der Leinwand präsentieren. "Es müsste immer ,Keinohrhasen' laufen", wünscht sich der Filmvorführer mit Blick auf den aktuellen Film von Til Schweiger. Und "Die Welle" - eine Geschichte über ein Diktaturenexperiment in einer Klasse - würde er gerne präsentieren. Anfragen von Schulen gibt es genug. Aber vom Filmverleih eine Kopie zu erhalten, dafür gibt es derzeit keine Chance. Göldner ist dennoch optimistisch. Irgendwann wird er sie kriegen - hoffentlich nicht erst in den Ferien.