Sachsen Sachsen: Zeuge der Ausschreitungen in Mügeln verprügelt

MÜGELN/MZ. - Ein Fall, wie er täglich überall in Deutschlandpassieren könnte. Dass er es dennoch zu nationalerAufmerksamkeit bringt, hängt mit jenem 19.August 2007 zusammen, dem Tag, an dem Mügelnblitzartig in die Schlagzeilen geriet. Damalswar es bei einem Volksfest zu schweren Ausschreitungenzwischen rund 50 Deutschen und mehreren Inderngekommen, bei der rechte Parolen gebrülltund 14 Menschen verletzt wurden. Der 35-Jährige,der jetzt eine Platzwunde am Kopf sowie Prellungenerlitt, ist möglicherweise ein "Folge-Opfer"jener Augustnacht 2007. Erst vor kurzem warer als Zeuge in einer TV-Produktion mit demTitel "Der Tag, als der Mob die Inder hetzte"aufgetreten.
Die Schläge und Tritte ein Racheakt fürseinen couragierten TV-Auftritt? "Es ist richtig,dass das Opfer in der Sendung etwas gesagthat. Der Mann ist auch bisher als Zeuge inErmittlungsverfahren und vor Gericht aufgetreten",sagt der Leipziger Staatsanwalt Ricardo Schulz.Ob dies das Motiv für die jüngsten Schlägewar, müsse aber noch geprüft werden. Der Staatsschutzhat den Fall übernommen. Kurz vor den Schlägensei das Opfer an einer Gruppe von 15 Personenvorbeigelaufen, aus der gerufen wurde "Dortist er!". Ein 20-jähriger Verdächtiger wurdeermittelt, der laut Schulz polizeibekanntist - seine möglicherweise rechte Gesinnungwerde noch geprüft.
Kamil Taylan vom Hessischen Rundfunk hat darankaum Zweifel. Er ist der Autor der TV-Dokumentation,hat von den vergangenen 13Monaten viereinhalbin Mügeln verbracht. Nach seiner Kenntnissoll der 20-Jährige zu einer Gruppe um denHaupttäter der Angriffe von 2007 gehören,die sich regelmäßig an einer Tankstelle inMügeln trifft. Das Opfer wiederum sei Mitarbeiterder Pizzeria, in die sich die Inder damalsaus Angst vor dem Mob geflüchtet hatten. "Erhat seitdem immer wieder Provokationen erlebt",so Taylan.
Jetzt sind erneut Journalisten in der 5000-Seelen-Stadt.Laut Leipziger Volkszeitung will sich aberaus Angst kaum jemand äußern. Das Blatt berichtetvon einem E-Jugend-Fußballspiel im März, daswegen rechter Parolen abgebrochen werden musste.Von einem Einwohner, der glaubt, dass dasProblem Rechtsextremismus noch immer unterschätztwerde. Erst im vergangenen Jahr war BürgermeisterGotthard Deuse (FDP) scharf für eine Äußerungkritisiert worden, Mügeln habe kein rechtesProblem.
"Das Problem wird absolut unterschätzt. Esmag sein, dass wir keine festen rechten Strukturenim Ort haben. Das heißt aber nicht, dass eskeine Rechten gibt", sagt ein Sprecher desVereins "Vive le Courage", der sich nach denAngriffen auf die Inder gegründet hat undüber Rechtsextremismus in Mügeln aufklärenwill. Regelmäßig gebe es in Mügeln Vorfälle.Pöbeleien wie ein "reißt den Türken um" beieinem Fußballspiel im vergangenen Jahr seienAlltag.
Die sächsische Opferberatung sieht Mügelnzwar nicht als rechtsextreme Hochburg, wünschtsich aber dennoch mehr Sensibilität. "DieAufmerksamkeit im vergangenen Jahr hat zueiner sehr starken Abwehrhaltung im Ort geführt."Und zu Schweigen, auch über neue Fälle. "Denoffenen Umgang mit dem, was passiert, vermisseich ein bisschen", sagt Sozialpädagoge FranzEder. Journalist Taylan drückt es noch drastischeraus. Rechtsextremismus unterschätzt? "Er wirdgar nicht wahrgenommen, auch bei der normalenBevölkerung nicht", sagt er. BürgermeisterDeuse, der gegenüber Journalisten die Tatvom Wochenende als "scheußlich und feige"verurteilte, war Dienstag nicht erreichbar.