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Sachsen Sachsen: Schrottdiebstahl ist zum Alltag geworden

Von Jörg Schurig 18.08.2006, 07:11

Dresden/dpa. - Als die Schrotthändlerin Franziska MüllerAnfang des Jahres mit dem ICE von Dresden nach Hamburg fahren wollte,musste der Zug bei Elsterwerda auf offener Strecke halten. Der Grundfür den unplanmäßigen Stopp war menschlicher Natur: Diebe hatten dieOberleitung aus Kupfer geklaut. Beim Schrotthandel wie dem von FrauMüller bringt die Tonne Kupfer derzeit 5000 Euro. «Es ist eine irreZeit», sagt die Dresdner Geschäftsfrau. Das Firmengelände wirdinzwischen nachts und am Wochenende von einem Wachdienst inspiziert.

Die kleinen Fische im Schrottgeschäft machen den Geschäftsleutengar nicht mal so große Sorgen. Müller spricht von fliegendenHändlern, die von Stadt zu Stadt ziehen und metallisches Diebesgut inbare Münze verwandeln wollen. «Von denen nehmen wir nichts an.Mittlerweile klauen aber alle Schichten der Bevölkerung. Da ist esmitunter schwer, legalen Schrott von gestohlenem zu unterscheiden.»Mitunter hätten Kleinkriminelle nachts vom Schrottplatz Teilegestohlen und sie tagsüber am Tatort wieder zum Verkauf angeboten.

Steigende Weltmarktpreise für Metalle haben Schrottdiebstahl zumlukrativen Geschäft gemacht. Selbst Dinge, die gemeinhin als niet-und nagelfest gelten, werden von professionell ausgerüsteten Bandenabmontiert, zerkleinert und den Händlern angeboten. Auf diese Weisekommen sogar Schienenstränge oder Kesselwagen abhanden. Ein Ende desBooms ist nicht absehbar. Da auf dem Weltmarkt vor allem Chinamassenhaft Schrott aufkauft, ist für ständige Nachfrage gesorgt. DiePreise haben sich in den letzten Jahren vervielfacht.

Nicht nur die Zahl der Fälle ist sprunghaft gestiegen, sondernauch die Schadenssumme pro Diebstahl. In den Polizeiberichten tauchenimmer wieder Anzeigen auf, bei denen Schrott-Ganoven tonnenweiseMaterial abtransportierten. «Das trägt man nicht mit der Handtascheweg. Die Täter kommen mit Transportern und Kränen», sagt Petra Kirschvon der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien. Allein indiesem Gebiet wurden von Januar bis Mitte Juni 151 Schrottdiebstähleregistriert, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 110.

Bei der Schadenssumme wird das Ausmaß deutlicher: Sie kletterte imgenannten Zeitraum im Ostsächsischen von 87 340 auf 342 000 Euro. Inmehr als der Hälfte der Fälle konnten Täter dingfest gemacht werden.Manchmal gehen sie der Bundespolizei an der Grenze ins Netz. «DieTäter mischen sich bunt im Dreiländereck von Deutschland, Tschechienund Polen», sagt Kirsch. Laut Landeskriminalamtes Sachsen (LKA) warenDreiviertel von ihnen im Zeitraum zwischen 2002 und 2004 Deutsche.

Die Leipziger Polizei wird bei Schrott meist zum Tatort Wohnhausgerufen. «Leerstehende oder in Rekonstruktion befindliche Häuser sindein Schwerpunkt», sagt Polizeisprecher Frank Knöfler-Apitzsch. ImMärz wurden aus einem «Reko-Haus» sämtliche Kupferrohre von zweiKilometer Länge gestohlen - ein Schaden von 100 000 Euro. Auch imgroßen Stil sind Schrott-Diebe in Leipzig aktiv. Unlängst wurden amhell lichten Tag aus einer Alu-Gießerei 10 Tonnen Material filmreifabtransportiert. Die Täter fuhren einen Container heraus, luden ihndraußen um und stellten den leeren Behälter wieder bei der Firma ab.

Nach Angaben von Knöfler-Apitzsch finanzieren sich manche ihreAlkohol- oder Drogensucht mit gestohlenem Metall. SchrotthändlerinMüller hat dieselbe Beobachtung gemacht. «Wir bezahlen praktisch dieGetränke an der Ecke.» Insgesamt wurden 2005 in Sachsen 1483Buntmetall- und Schrottdiebstähle mit einem Schaden von 2,4 MillionenEuro angezeigt, im Vorjahr waren es 606 Fälle mit 1,1 Millionen Euro.

Das LKA hat die Tatorte exakt aufgelistet. Leipzig, Dresden undder Landkreis Löbau-Zittau gelten als Schwerpunkte, Firmen sind ammeisten betroffen. Oft werden die Objekte der Begierde nachts oder amWochenende aufgesucht. «Deshalb sind wir für Tipps auf Mithilfe derBevölkerung angewiesen», sagt Kirsch.