1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Briefkasten-Firmen: Sachsen-Anhalts Connection nach Panama

Briefkasten-Firmen Sachsen-Anhalts Connection nach Panama

Von Steffen Könau 06.04.2016, 14:00
Die #Panamapapers könnten zahlreiche Politiker, Ex-Politiker und Stars in große Schwierigkeiten bringen.
Die #Panamapapers könnten zahlreiche Politiker, Ex-Politiker und Stars in große Schwierigkeiten bringen. dpa

Halle (Saale) - Peter Breux sieht sich außerstande. Also genaugenommen  sieht er sich nicht direkt außerstande. Aber der Mann, der im Auftrag der Firma Petromax Industrial spricht, findet, dass schon die „Fragestellung von sachfremden Argumenten getragen“ ist. Warum sollte irgendein Bürger wissen wollen, wem ein Supermarkt gehört, den das Land Sachsen-Anhalt für die kommenden drei Jahre zur Unterbringung von Flüchtlingen angemietet hat? Für zusammengerechnet fast 900.000 Euro?

Peter Breux leuchtet das nicht ein. Schon gar nicht kann er sich vorstellen, dass es jemanden etwas angeht, „in welchem Land die Gesellschaft ihren Sitz hat“. Er habe, das macht er mit Nachdruck deutlich, den Eindruck, dass hier nur „Vorurteile gegen die Unterbringung von Asylbewerbern befeuert werden sollen“.

Lukratives Geschäft mit Flüchtlingsheimen

Dabei hatte Petromax, eine Firma mit Sitz  in Panama City, vor Monaten selbst verkündet, dass die im August 2013 gegründete Firma ganz groß ins Geschäft mit Flüchtlingsunterkünften einsteige. Das Unternehmen, beheimatet in einer Anwaltskanzlei nur 500 Meter entfernt vom Hauptsitz  der eben schlagartig berühmt gewordenen Kanzlei Mossack Fonseca, übernahm im Oktober von der britischen Paul Schlesinger & Sohns Group  (Original) „in einer ersten Tranche“ acht Flüchtlingswohnheime „mit Kapazitäten zwischen 300 und 1 200 Personen“. Die  Gesamtaufnahmekapazität der übertragenen Immobilien betrage rund 11.000 Menschen, der „Verkauf einer zweiten Tranche“ mit weiteren elf Heimen solle bereits „Anfang 2016“ erfolgen.

Ein lukratives Geschäft offenbar, denn „da sich die Objektgesellschaften in Auslandsbesitz befinden, sind die Mieteinkünfte für den Erwerber gewerbesteuerfrei“, lobte Petromax-Pressesprecher Carlos Mattei den transatlantischen Deal.

Neben Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen auch Sachsen-Anhalt unter den Mietern

Flüchtlingsheime waren die angekauften Immobilien nicht wirklich, sondern „überwiegend aufgegebene Baumärkte, leerstehende Einkaufszentren und Traglufthallen, die zu Flüchtlingswohnheimen umgebaut“ werden sollten, wie es hieß. Doch Bedarf genug haben die Länder angesichts des Flüchtlingszustroms im Herbst. Immer neue Zahlen, immer höhere Prognosen. Neben Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen schlägt auch Sachsen-Anhalt zu.

In Genthin mietet das Land für 24.500 Euro monatlich über drei Jahre einen aufgegebenen Supermarkt. Der ist im Grundbuch zwar nicht auf Petromax Industrial, sondern auf eine Firma namens Terrain Commercial S.A eingetragen, wobei S.A. für Sociedad Anónima steht, zu deutsch anonyme Firma. Doch die Postanschrift von Terrain ist dieselbe wie bei Petromax: Global Bank Tower, Calle 50 Panama. Hier residiert auch Bendix Capital, ein Unternehmen, das dem Land Sachsen-Anhalt gegenüber als Vermieter des Genthiner Supermarktes auftritt.

Kein Zufall: In einer oberen Etage des Global Bank Tower sitzt die wie Mossack Fonseca auf Offshore-Firmen-Betreuung spezialisierte Anwaltskanzlei Gerli & Co. Im Angebot sind hier Rundumsorglos-Pakete für Kunden aus aller Welt: Zu Zwecken der „Steuerplanung“ (Gerli) bietet Firmenchef Ismael Gerli Offshore-Unternehmen an, die auf „Zero tax designed“ -   also auf totale Steuervermeidung ausgelegt sind.  „Diese Unternehmen können in Jurisdiktionen wie den British Virgin Islands, Belize oder den Seychellen organisiert werden“, empfiehlt Gerli.

Besitzer und Geldgeber bleiben im Hintergrund

Eine Mauritius GBC Offshore-Gesellschaft etwa müsse nur genau null Euro Steuern zahlen. Empfohlen wird dazu passend eine Beratung für  „strukturiertes Offshore-Banking“ - „mit dem potenziellen Nutzen einer gesetzlichen Steuerbefreiung“, heißt es wörtlich. Um alles rund zu machen, bietet die Großkanzlei Gerli einen sogenannten Nominee-Service. Statt der Eigentümer werden im Handelsregister Stellvertreter eingetragen.

Männer wie Ricardo Vasquez, der bei Bendix Capital Direktor ist und bei Petromax denselben Posten innehat. Bei Terrain Commercial hingegen besetzt er die Stellen von Direktor und Präsident. Ein Job, den der Gerli-Nominee auch bei Dutzenden weiteren Firmen erledigt, damit deren tatsächliche Besitzer und Geldgeber im Hintergrund bleiben können.

Miete wird an ein deutsches Konto gezahlt

Das funktioniert auch bei Bendix Capital, der Firma, an die das Land in den nächsten drei Jahren rund 880.000 Euro überweisen wird. Das Finanzministerium in Magdeburg, dessen Landesbauamt den Mietvertrag mit Bendix geschlossen hat, weiß weder sicher, wem die Firma gehört, noch, wer sie mit Geld aus welchen Quellen finanziert. Dem Land reiche es aus,„dass die Firma einen Sitz in Hildesheim hat“, wie Presesprecher Wolfgang Borchert sagt. Die Miete werde auf ein deutsches Konto gezahlt, betont er. „Der Firmeninhaber war auch vor der Veröffentlichung der Daten namentlich bekannt.“

Borchert meint mit Daten die Panama Papers und mit Firmeninhaber offenbar Claus Florin, einen 67 Jahre alten Kaufmann, der in der Vergangenheit von einer Hildesheimer Adresse aus, die heute auch Bendix als deutsche Anschrift angibt, zahlreiche Firmen mehr oder weniger glücklos führte. Mal befasste sich Florin mit dem Export von Telefontechnik nach Osteuropa. Dann verkaufte er sogenannte Firmenmäntel. Später versuchte er sich an Prozessfinanzierungen.

Firmeninhaber von Bendix Capital lange Zeit wenig erfolgreich

Vor zwei Jahren hat Claus Florin über Bendix Capital  einen leerstehenden Supermarkt in Bad Lauterberg gekauft, um ihn mit Hilfe einer „Maklerfirma mit Sitz in Andorra“ (Eigenwerbung) neu zu vermarkten, wie  es seinerzeit hieß. Geschehen ist das bis heute nicht, wie ein Reporter der Bad Lauterberger Internetzeitung lauter-neues.de bestätigt. Die Geschäfte von Claus Florin liefen aber lange Zeit ganz allgemein eher nicht besonders gut. Florin-Firmen sind inzwischen von Amts wegen gelöscht worden, bei anderen warnen Wirtschaftsauskunfteien vor einer Kreditgewährung und raten von Geschäften mit dem Geschäftsmann ab, dessen Anlageempfehlungen früher so manchem tiefe finanzielle Wunden eintrugen, wie sich in einschlägigen Internetboards bis heute nachlesen lässt.

Nichtsdestotrotz gründet Claus Florin am 29. April 2015 in Schottland  die Gesellschaft Paul Schlesinger & Sohns - ein Ein-Pfund-Unternehmen, das im Grunde nur aus einer Gründungsurkunde besteht. Wenig später ist die Firma dann schon in der Lage, besagte acht ehemalige Gewerbeimmobilien als „Flüchtlingswohnheime mit Kapazitäten zwischen 300 und 1 200 Personen“ an die  Briefkastenfirma Petromax weiterzuverkaufen. Heime, von denen nicht bekannt ist, wer ihren Ankauf finanziert hatte, woher das nötige Geld dazu stammt und wer am Ende von der versprochenen Steuerfreiheit der Transaktion profitieren wird.

Firmen ohne E-Mail-Adresse oder Telefonnummer

Claus Florin selbst, in der Vergangenheit Betreiber einer Internetseite namens offshore-service.net, die „Firmengründungen in mehr als 30 Steueroasen“ (Florin) anbot, verweist bei Nachfragen auf die Presseabteilung von Petromax. Wie alle Firmen im Konglomerat hat auch diese keine Internetseite oder  Telefonnummer.  Florin weiß Rat: Er diktiert eine E-Mail-Adresse beim kostenlosen Maildienst Gmail.
Auf eine Nachricht  meldet sich dann Peter Breux mit der schlechten Laune.

Ausweislich seiner Facebookseite ist Breux bei einer Immobilienfirma in Andorra beschäftigt. Nein, er ist nicht der Sprecher von Petromax, auch nicht der Besitzer. Aber er möchte doch sagen, dass niemand wissen wollen dürfe, wer hinter Gesellschaften steht, die an mehrere Bundesländer Immobilien vermietet haben und dafür aller Voraussicht nach mehrere Millionen Steuergeld einstreichen werden - steuerfrei zumal.

Alles zum Schutz der Investoren

Breux will der offiziellen Antwort der Presseabteilung nicht vorgreifen, die niemals eintreffen wird. Aber, betont er, obwohl Petromax mit zweistelligen Renditen werbe, gehe es bei der Geheimnistuerei im Briefkastendschungel nur um den Schutz von Investoren. „Wäre die Stimmung gegen die Betreiber von Flüchtlingswohnheimen  nicht so aufgeheizt, könnte die Vermietung auch über deutsche Gesellschaften erfolgen“, argumentiert  Breux.

Das Land nutzt die  Supermarkt-Immobilie in Genthin bislang nicht, widerspricht  aber Gerüchten, wonach das Gebäude sich als unbrauchbar erwiesen hat. „Das Objekt ist für die vorgesehene Nutzung  als Reserve-Unterkunft geeignet“, heißt es im Finanzministerium. Nur ob und wann es genutzt wird, ist momentan noch unbekannt.  Das Land zahlt  vorerst trotzdem Miete und stellt klar:  Das alles stehe „in keinerlei Zusammenhang“ mit den „Panama-Papers“. (mz)