"Schaffe alles was man von mir verlangt" Zain Akash aus Syrien: Syrer studiert an Hochschule Magdeburg-Stendal

Magdeburg - Es ist 8.10 Uhr und Zain kommt hinkend vor der Mensa an. Sein Fuß macht wieder Probleme. „Zwischendurch war es besser“, sagt er. „Aber jetzt ist es wieder schlimmer geworden“.
Die Treppen hoch zum Audimax muss er langsamer gehen, trotzdem erscheint er noch pünktlich zum Start der Vorlesung. Heute an der Reihe: Hydro- und Abfallchemie.
Zain, dunkle Haare, Vollbart, schwarze Brille, setzt sich in die vorderste Reihe, nimmt seinen Block heraus und schaut in Richtung Dozent. Die Gedanken an seinen Fuß müssen erst einmal ruhen. Denn jetzt wird über Säure-Base-Theorie, Autoprotolyse des Wassers und Massenwirkungsgesetz gesprochen.
Zain Akash aus Syrien studiert in Magdeburg: Geflüchtete Studierenden statistisch nicht erfasst
Zain ist 23 Jahre alt, im Herbst 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen und - seit diesem Jahr Student der Wasserwirtschaft an der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Er gehört zu den wenigen Flüchtlingen, denen das in derart kurzer Zeit gelungen ist. Wie viele Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt ein Studium aufgenommen haben, wird laut dem Statistischen Landesamt nicht erfasst.
In der Vorlesung spürt man, dass Zain nicht überfordert ist. Er nickt und schreibt mit. Als der Dozent in die Runde fragt, was aus dem Mal-Zeichen wird, wenn logarithmiert wird, antwortet er als Einziger: „ein Plus!“
Zain Akash aus Syrien studiert in Magdeburg: Viele Geflüchtete wollen hohe Bildung in Deutschland weiterführen
„2015 war niemand auf die Flüchtlingswelle vorbereitet“, sagt Kloot Brockmeyer, Projektkoordinatorin der Initiative „Integration von politischen Flüchtlingen mit akademischen Hintergründen bzw. Ambitionen“ an der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Für die Flüchtlinge sei normalerweise vorgesehen, einen Integrationskurs zu besuchen, in dem sie das Sprachniveau B1 erreichen und dann in die Arbeitswelt entlassen werden.
„Zu uns kamen aber Menschen, die in ihren Heimatländern hohe Bildung genossen und diese auch in Deutschland weiterführen wollen. Es gab ein strukturelles Problem“.
Student Zain Akash an Hochschule Magdeburg-Stendal: Hochschule wollte Förderlücke schließen
Als eine der ersten Hochschulen in Deutschland setzte sich die HS Magdeburg-Stendal dafür ein, diese Förderlücke zu schließen. Nach Runden mit anderen Universitäten und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) sowie dem Land Sachsen-Anhalt wurden Mittel bereitgestellt, um Flüchtlingen eine Studienvorbereitung zu ermöglichen.
An der Hochschule Magdeburg-Stendal gibt es seit 2015 einen Intensiv-Deutschkurs, der Flüchtlingen mit anerkanntem Schulabschluss zu einer Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland verhilft.
Wenn Schulzeugnisse aus dem Heimatland nicht mitgenommen werden konnten, dürfen sie sich mithilfe eines individuellen Gespräches und des Studierfähigkeitstests TestAS für den Deutschkurs qualifizieren.
Geflüchtete an Hochschule Magdeburg-Stendal: Magdeburg ist Zain Akashs Heimat
Fünf Absolventen des Deutschkurses studieren mittlerweile an der Hochschule. Mittelfristig sieht Brockmeyer die Verantwortung, die Einstufungstests und Deutschkurse durchzuführen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
„Dieses Jahr läuft bei uns der letzte Deutschkurs“, sagt sie. „Wir sollten versuchen, die Studienvorbereitung zu zentralisieren und nicht mehr für alles ein Sonderprogramm zu haben“.
Während sich viele seiner Kurskollegen für einen neuen Studienort entschieden, zog Zain es vor, in Magdeburg zu bleiben. Er kennt die Stadt, hat Freunde und wohnt in einer Wohngemeinschaft zusammen mit Deutschen.
Zain Akash aus Syrien studiert in Magdeburg: 23-Jähriger von Wasserwirtschaft überzeugt
Nach längerer Recherche verschiedener Studiengänge hat er sich für Wasserwirtschaft entschieden – denn er hat eine genaue Vorstellung, was er damit bewirken kann.
„Mir machen Sachen Spaß, die praktisch und nah an dem Menschen sind“, sagt er. „Wasserwirtschaft hat mit Wasserversorgung, -reinigung und -bau zu tun. Es gibt viele Gebiete, wo man schwer Wasser bekommt oder das Wasser unrein ist. Dort würde ich gerne helfen“.
In Syrien hatte er ein Geologie-Studium begonnen, das sei aber nicht so sein Ding gewesen. Zains größtes Problem ist natürlich noch die Sprache. „Ich komme nicht zu 100 Prozent mit und es gibt Schwierigkeiten“, sagt er, „aber ich fühle mich nicht verloren und schaffe alles, was von mir verlangt wird“. Zuletzt, im Physikpraktikum, bekam er die Aufgabe, den Wirkungsgrad von einem Heizgerät zu berechnen, um Wasser zu erwärmen. „Ich habe eine 1,3 bekommen“, sagt er und strahlt. (dpa)