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Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk Wegen MDR-Verträgen: Sachsen-Anhalts Rechnungshof-Chef Kay Barthel rügt Amtsvorgänger

Darf ein unabhängiger MDR-Finanzkontrolleur gleichzeitig für den Sender arbeiten - gegen Honorar? „Das verstört mich zutiefst“, sagt Sachsen-Anhalts Rechnungshof-Chef Kay Barthel am Freitag im Medienausschuss des Landtags.

Von Jan Schumann Aktualisiert: 17.06.2022, 18:05
„Da bin ich möglicherweise sensibler als andere“: Sachsen-Anhalts Rechnungshofpräsident Kay Barthel.
„Da bin ich möglicherweise sensibler als andere“: Sachsen-Anhalts Rechnungshofpräsident Kay Barthel. Foto: dpa

Magdeburg/MZ - Jetzt wird es heikel im Medienausschuss des Landtags: Immerhin wird Landes-Rechnungshofpräsident Kay Barthel gleich über seinen direkten Amtsvorgänger urteilen. Deshalb betont Barthel gleich zu Beginn gegenüber den Abgeordneten, dass dies hier nichts Persönliches sei.

„Sie werden keine Äußerung aus der Vergangenheit finden, in der ich meinen Vorgänger beschädigt habe“, versichert Barthel. Doch in den kommenden Minuten geht er dann hart ins Gericht mit seinem Vorgänger Ralf Seibicke, der bis 2015 Chef des Landesrechnungshofes war.

Rund 60.00 Euro für drei Gutachten

Denn Sachsen-Anhalts Abgeordnete wollen am Freitag Barthels Einschätzung zu einem Fall hören, der die Landespolitik in Unruhe versetzt: Es geht um Gutachten, die Seibicke für den Mitteldeutschen Rundfunk schrieb und dafür in den Jahren 2016 und 2017 rund 60.000 Euro kassierte. Das Brisante aus Sicht vieler Parlamentarier: Zwei Gutachten fallen in eine Zeit, in der Seibicke parallel auch in der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) saß. Dieses wichtige Gremium soll in Deutschland unabhängig festlegen, wie viel Geld die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender jedes Jahr bekommen - und eben auch, wie viel Geld sie einsparen müssen.

Die Frage, die sich der Medienausschuss am Freitag stellt: Konnte Seibicke damals unabhängig über den MDR urteilen, während er parallel Honorar vom Sender kassierte?

Barthel: „völlig unvorstellbar“

Barthel sagt: Für ihn wäre es „völlig unvorstellbar“, als KEF-Mitglied solche Verträge abzuschließen. „Allein der Umstand, dass ich Geldempfänger des MDR wäre, würde das Vertrauen in die Prüfer erschüttern.“ Er sehe in einer solchen Arbeit für den MDR bei gleichzeitigem KEF-Auftrag eine „klare Interessenkollision“. Dass einige dies anders bewerten, „verstört mich zutiefst“, sagt Barthel. „Da bin ich möglicherweise sensibler als andere.“ Sprich: Sensibler als Seibicke.

Dieser bestätigt zwar die Gutachterarbeit für den MDR, bestritt aber schon vor Wochen, dass diese nach KEF-Regeln unerlaubt war: Schließlich sei die Arbeit im MDR-Auftrag nicht „ständig oder regelmäßig“ gewesen. Dieser Ansicht widerspricht Rechnungshofpräsident und aktuelles KEF-Mitglied Barthel aber am Freitag.

Auch der Rechnungshof sei „kompromittiert“

Auch deshalb, weil Seibicke mit dem MDR eine Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit geschlossen habe. Für Barthel ein Beleg dafür, dass längere Kooperationen geplant waren: „Rahmenverträge sichern dauerhafte Geschäftsbeziehungen“, erklärt er im Ausschuss. Allerdings: „Selbst bei einem Mal entsteht das ungute Gefühl, dass hier was nicht stimmt.“ Durch Seibickes Handeln sei auch „ein Stück weit der Rechnungshof kompromittiert“, beklagt Barthel schließlich.

Seibicke hat indes stets betont, dass seine Gutachten für den MDR inhaltlich von seinem KEF-Auftrag abgegrenzt waren. Barthel bezweifelt im Ausschuss aber, dass das überhaupt möglich ist. Schließlich berate die KEF ja als „gemeinschaftliches Gremium“ zusammen über Senderfinanzen.

Mittlerweile hat die KEF einen Ehrenkodex

Wie Seibicke hat bisher auch der MDR Vorwürfe in dem Fall zurückgewiesen: Die Gutachtertätigkeit für den Sender sei nicht zu beanstanden. Anders stuft die KEF den Fall ein: Laut Barthel müssen aktuelle Mitglieder der Finanzkommission mittlerweile eine Art Ehrenkodex unterschreiben: Nebenjobs, die sich womöglich mit der unabhängigen Arbeit als Rundfunk-Finanzkontrolleur beißen, sollen künftig ganz sicher ausgeschlossen werden. „Es gibt keinen vergleichbaren Fall in der KEF bislang“, betont Barthel.

Im Landtag ist die Stimmung gegen Seibicke. Der Linken-Abgeordnete Wulf Gallert sagt im Ausschuss, wenn Seibicke damals als Rechnungshofpräsident solch einen Fall auf den Schreibtisch bekommen hätte, „hätte er schon drei Pressemitteilung rausgegeben und denjenigen an die Wand genagelt“. Grünen-Politikerin Dorothea Frederking wundert, dass der MDR die drei Gutachteraufträge überhaupt vergeben hat. „Das sieht man ohne Brille, dass da eine Interessenkollision besteht.“ Der Medienpolitiker der größten Fraktion, Markus Kurze (CDU), sagt nach der Sitzung: „Es gab aufschlussreiche Informationen, die wir in der Fraktion auswerten werden. Wir entscheiden dann, ob weitere Untersuchungen notwendig werden.“

Disziplinarverfahren läuft weiter

SPD-Medienpolitiker Holger Hövelmann sagt der MZ, er sei über die Klarheit und Deutlichkeit Barthels überrascht. „Das ist sehr wohltuend. Es besteht kein Zweifel, dass hier ein Rechtsverstoß vorliegt.“ Geht es nach ihm, soll auch der MDR noch einmal im Ausschuss zu der Frage gehört werden, welche Konsequenzen er aus dem Fall zieht. „Um sicherzustellen, dass das nicht noch einmal passiert“, so Hövelmann.

Aktuell läuft ein Disziplinarverfahren gegen Seibicke, dass der Landtag eingeleitet hat. Die Parlamentsspitze wirft ihm vor, seine Beratertätigkeit regelwidrig verschwiegen zu haben. Es droht die Aberkennung seiner Pension.