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Wahlfälschung in Stendal Wahlfälschung in Stendal: Holger Gebhardt fälschte, Hardy Peter Güssau profitierte

Von Hagen Eichler 18.01.2017, 18:14
Der Christdemokrat Hardy Peter Güssau steht wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stendaler Briefwahl im Sommer 2014 in der Kritik.
Der Christdemokrat Hardy Peter Güssau steht wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stendaler Briefwahl im Sommer 2014 in der Kritik. dpa-Zentralbild

Stendal - Der Stendaler CDU-Stadtrat Holger Gebhardt kämpfte nicht um Stimmen für seine Politik. Die Wahlbenachrichtigungskarten anderer Menschen reichten ihm völlig aus. Das System hinter der von ihm eingestandenen Wahlfälschung im Mai 2014 wurde am Mittwoch bei den ersten Zeugenvernehmungen vor dem Stendaler Landgericht deutlich. Klar wurde auch: Es gab weitere Beteiligte. Die aber wollen überhaupt nichts Seltsames bemerkt haben.

Stendaler CDU-Stadtrat Holger Gebhardt sammelte Wahlbenachrichtigungskarten

Gute Ausbeute an Wahlbenachrichtigungskarten machte Gebhardt etwa bei den Kunden einer Stendaler Spielhalle, die er gelegentlich auf einen Kaffee besuchte. Was hatte Gebhardt mit den Karten vor?, will Richterin Simone Henze-von Staden von einem Spielhallen-Angestellten wissen. „Er hat dann für uns gewählt, nehme ich an“, sagt der 47-Jährige im blau-weißen Ringelpulli. „Sie wussten doch gar nicht, für wen er die Kreuze macht!“ „Na, für ihn“, sagt der Zeuge. Genauso sei Gebhardt bereits bei der Wahl 2009 verfahren. Mit dieser Aussage bestätigt sich der Verdacht, dass der Skandal größer ist als bislang angenommen.

Und noch etwas berichtet der Zeuge: Als der Betrug 2014 aufflog, kam Gebhardt erneut in die Spielhalle, um ihn und die Spieler zur Falschaussage anzustiften. „Wir sollten sagen, dass die Unterschriften auf den Vollmachten von uns sind.“ Tatsächlich aber waren sie von Gebhardt gefälscht.

Stendaler CDU-Stadtrat Holger Gebhardt ließ Stimmzettel abholen

Um im Rathaus nicht aufzufallen, ließ der umtriebige Kommunalpolitiker die Stimmzettel nämlich von Bevollmächtigten abholen, darunter dem CDU-Kreisvorsitzenden Wolfgang Kühnel und der CDU-Kreisgeschäftsführerin Yvette Below. Von den Fälschungen habe sie nichts gewusst, beteuert Below vor Gericht.

Dabei gab es einen verräterischen Zwischenfall: Einer der Wähler, in dessen Namen sie Stimmzettel holen wollte, hatte diese bereits selbst angefordert. „Kam Ihnen das nicht komisch vor?“, fragt Staatsanwältin Annekatrin Kelm. „Nein.“ „Warum nicht? Warum haben Sie Herrn Gebhardt nicht zur Rede gestellt?“, bohrt die Staatsanwältin nach. Die CDU-Geschäftsführerin zuckt mit den Schultern.

Stendaler CDU-Stadtrat Holger Gebhardt: Wahlunterlagen wurden für mich vorsortiert

Die behauptete Ahnungslosigkeit von ihr und einer weiteren Mitarbeiterin im CDU-Büro passt so gar nicht zu dem, was der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung hat vortragen lassen. Gebhardt berichtet, in der Geschäftsstelle seien die zur Fälschung vorgesehenen Wahlunterlagen für ihn vorsortiert worden. Mehr noch: „Bei einigen waren die Stimmzettel bereits ausgefüllt.“ Namen nennt Gebhardt nicht, auch Nachfragen will er vorerst nicht beantworten.

Allerdings verrät er, bei wem die Stimmen bei der gleichzeitig stattfindenden Kreistagswahl gelandet sind: Es sind Kühnel - und der ehemalige Landtagspräsident Hardy Peter Güssau.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.

(mz)