Vorbote des Abschwungs? Vorbote des Abschwungs?: Warum Halloren, Heraeus und Nemak immer mehr Kurzarbeit melden

Halle (Saale) - Die Konjunkturflaute erfasst nun auch die Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Abzulesen ist das an der deutlich gestiegenen Kurzarbeit. Im ersten Halbjahr 2019 beantragten 137 Betriebe für 2.639 Mitarbeiter aus konjunkturellen Gründen Kurzarbeit, teilte die Landesarbeitsagentur der MZ mit. Das ist ein Anstieg von 117 Prozent zum Vorjahreszeitraum.
Von Januar bis Juni 2018 waren nur 1.237 Personen in 79 Betrieben betroffen. „Drei Viertel der Anzeigen kommen aus der Industrie“, sagt Landesarbeitsagentur-Chef Kay Senius der MZ. Betroffen seien unter anderem Mitarbeiter von Autozulieferern.
Kurzarbeit in Sachsen-Anhalt: Teil der Lohnkosten trägt Arbeitsagentur
Kurzarbeit macht es den Unternehmen bei Absatzrückgängen möglich, die Personalkosten kurzfristig zu reduzieren, ohne Fachkräfte entlassen zu müssen. Einen Teil der Lohnkosten trägt die Arbeitsagentur. Die Kurzarbeit ist somit ein Vorbote des Abschwungs. In Sachsen-Anhalt greifen auch einige prominente Firmen zu dem Instrument. So schickte die Schokofirma Halloren aus Halle im März 80 Mitarbeiter aus Produktion und Technik in Kurzarbeit. Begründet wurde das mit Verkaufseinbußen und dem Umbau des Sortiments.
Der Quarzglashersteller Heraeus aus Bitterfeld-Wolfen kündigte Anfang Juli an, einen Großteil der 600 Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Heraeus stellt das Ausgangsmaterial für Glasfaserleitungen her und kämpft mit Auftragseinbrüchen von Großkunden aus Asien und Amerika. Nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall hat auch der Autozulieferer Nemak aus Wernigerode (Harz) die Arbeitszeit für seine Beschäftigten reduziert. Das Unternehmen selbst äußert sich nicht. „Die Zulieferer leiden unter sinkenden Auto-Verkäufen und der Neuausrichtung der Auto-Konzerne auf Elektromobilität“, sagt Gewerkschaftssekretär Janek Tomaschefski von der IG Metall Halberstadt. Er geht davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Monaten weiter verschärfen wird: „Die Kurzarbeit wird sich noch gravierend ausweiten.“
Kurzarbeit in Sachsen-Anhalt: Für Deutschland wichtige Branchen noch stärker betroffen
Das sieht das Wirtschaftsinstitut Ifo aus München ähnlich: In der deutschen Industrie haben nach einer Umfrage aktuell 3,8 Prozent der Firmen Kurzarbeit beantragt. „In den nächsten drei Monaten dürfte der Anteil auf 8,5 Prozent zunehmen“, sagt Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser. Für Deutschland wichtige Branchen werden noch stärker betroffen sein. So soll der Anteil bei Herstellern von Autos und Teilen auf 16 Prozent steigen, im sonstigen Fahrzeugbau, dazu zählen unter anderem Schienenfahrzeug-Firmen, könnte sogar knapp ein Drittel aller Firmen Kurzarbeit beantragen.
Arbeitsagenturchef Senius weist jedoch darauf hin, dass das Ausgangsniveau noch relativ niedrig ist. Man sei weit von einer Wirtschaftskrise wie 2009 entfernt. Im ersten Halbjahr 2009 beantragten in Sachsen-Anhalt 2.784 Unternehmen Kurzarbeit für 54.021 Mitarbeiter. Positiv ist zudem, dass sich der Abschwung bisher auf die Industrie, die stark mit der Weltwirtschaft verknüpft ist, beschränkt. „Die Binnenwirtschaft, also Dienstleistungen und Bauwirtschaft, sind dagegen weiter sehr kräftig. Es gibt daher eine starke Säule gegen einen Einbruch der Konjunktur“, sagte der Chef-Ökonom der Fondsgesellschaft Deka, Ulrich Kater, zuletzt der MZ. (mz)