Pflanzen in Sachsen-Anhalt Mit Video: "Wiesenfrau" aus Sachsen-Anhalt - Gabi Schumann kennt die Geheimnisse der Heilkräuter
Magengrummeln, Beinschmerzen, Schnittwunden: In Gabi Schumanns Garten ist gegen fast jede Beschwerde ein Kraut gewachsen. Die „Wiesenfrau“ aus Schlaitz hat sich auf heilende Gewächse spezialisiert. Wo man sie findet und wie man sie nutzt.
Schlaitz/MZ - Die exotischen Pflanzen lässt Gabi Schumann links liegen. Sie macht einen Schritt am Feigenbaum vorbei, an den rot leuchtenden Chilischoten, den gelb schimmernden Bitter-Organgen. Ihre Hand greift nach einem unscheinbaren Grün am Rand des steinernen Gartenwegs. Der Breitwegerich. „Das ist das Pflaster des Waldes“, sagt die 61-Jährige.
Sie zerreibt ein Blatt zwischen den Fingern. Ein grünlicher Saft entweicht. Der helfe bei entzündeten Wunden, bei Blasen am Fuß, bei Wespenstichen. Sie wickelt die feuchte Masse in ein weiteres Blatt. Fertig ist das „Waldpflaster“. Ob sie das tatsächlich nutzt? Schumann hebt die Brauen. „Natürlich, ich mache das öfter.“ Denn die Schlaitzerin (Anhalt-Bitterfeld) hat ihr Leben den Kräutern, Samen und Früchten verschrieben – und weiß um so manch geheimnisvolle Wirkung.
Im Video: Diese Pflanzen wachsen in Gabis Garten in Schlaitz
Vormittag in einer ruhigen Seitenstraße im 1.000-Einwohner-Ort unweit des Muldestausees. Gabi Schumann öffnet das Tor zu ihrem „Kräuterhof“. Wer die Nasenspitze über die Türschwelle schiebt, den empfängt dichtes Grün, wohin das Auge blickt. Kräuter sprießen aus unzähligen Töpfen, die surfbrettgroßen Blätter einer Bananenpflanze verschatten den Himmel, Sträucher säumen jeden Meter des Innenhofs.
„Wiesenfrau“ aus Schlaitz: Gabi Schumann gründete vor 20 Jahren ihren Kräuterhof
Seit etwa 20 Jahren pflanzt die selbst ernannte „Wiesenfrau“ Kräuter und exotische Pflanzen an. Sie verkauft Setzlinge und Tees, berät beim Einsatz von Heilkräutern und bietet geführte Touren an, bei denen sie über Essbares aus der heimischen Flora aufklärt. Denn häufig würden heilende oder schmackhafte Pflanzen vor der Haustür wachsen, sagt Schumann. Bloß, viele Menschen wüssten nicht darum. „Das alte Wissen geht verloren.“ Gabi Schumann pflegt es jeden Tag.
Die Schlaitzerin lädt zum Rundgang ein. In silbernen Schlappen und gestreiftem T-Shirt bahnt sie sich einen Weg durch ihren wild-wuchernden Garten. Samen und Blätter verfangen sich in ihrer Kleidung. Schumann stört das nicht, das Grün ist schließlich ihre Passion. Ob beim Frühstück oder auf die Pizza, als Tee oder Medizin. „Es muss ein Kraut dabei sein“, sagt Schumann.
Sie stoppt. Ihre Hand taucht in einen hüfthohen Strauch und trennt einen Stengel mit weißen Perlen ab. Es ist Beifuß. „Viele kennen das als Gänsebratengewürz.“ Denn die Pflanze helfe, Fettiges zu verdauen. Doch schon im Namen stecke mehr des „alten Wissens“. Die Blätter fördern laut der Kräuterexpertin die Durchblutung und regulieren Fußschweiß. Steht eine längere Wiesenwanderung an, lege sie sich daher stets ein paar Blätter in die Schuhe. Sie zupft am Stängel und steckt sich ein Stückchen in den Mund. „Man kann auch ruhig mal ein Blatt essen.“
Die Faszination für die Gewächse pflegt die Schlaitzerin bereits seit ihrer Kindheit. Ihre Großmutter habe viel Zeit im Garten verbracht, sei stets gesund gewesen. „Wenn sie etwas hatte, hat sie immer ein Kräuterlein genommen. Wie das früher halt so war.“ Zu DDR-Zeiten arbeitete Gabi Schumann als Facharbeiterin für Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Dann kam die Wende, die gebürtige Dessauerin verlor ihren Job. „Ich war lange arbeitslos.“
Erst Informatikkauffrau, dann Kräuterfee
Aus Verzweiflung machte sie einen Lehrgang zur Informatikkauffrau. Doch das Sitzen vorm Computer, das sei nichts für sie, sagt Schumann. Sie habe sich also etwas einfallen lassen müssen. Zu dieser Zeit kehrte sie in das Haus ihrer Eltern zurück. Ein weitläufiges Grundstück, samt Kräutergarten. Also machte Schumann ihre Leidenschaft zum Beruf. Sie absolvierte eine Fortbildung zur Kräuterpädagogin, vernetzte sich mit Pflanzenexperten – und las Bücher, viele Bücher.
Man findet eigentlich alles in Bitterfeld auf dem Parkplatz.
Gabi Schumann / Kräuterpädagogin
Gabi Schumann schlendert inzwischen über den gepflasterten Innenhof. Hier sprießen allerhand Exoten aus der Erde und aus Tontöpfen. Etwa der Moringa-Baum, der ursprünglich aus der Himalaya-Region stammt. Er gilt als „Wunderbaum“, seine Blätter und Wurzeln sollen sogar Krebs und Bluthochdruck lindern. Schumann tritt an einen mannshohes Gewächs, ein asiatischer Szechuan-Pfeffer-Baum. „Das ist mein Lieblingsgewürz.“ Die Körner schmeckten ein wenig nach Zitrone. Außerdem hätten die Früchte ein betäubende Wirkung, sagt die Kräuterpädagogin. „Wenn man Zahnschmerzen hat, sind die weg.“
Die Kräuterfrau geht bei jeder Auslandsreise auf die Suche nach neuen Gewächsen für ihr heimischen Repertoire. „Ich bringe Kräuter aus aller Welt mit.“ Etwa aus Kenia oder von den Kanaren. Nächster geplanter Stopp: Indien. Aber ihre Spezialität, das seien die häufig als Unkraut verschrienen Pflanzen vor der Haustür, sagt Schumann. „Man findet eigentlich alles in Bitterfeld auf dem Parkplatz.“ Rucola aus dem Supermarkt? Papalapp. Schumann pflückt lieber wilde Rauke in der Bahnhofsstraße. Sie dünstet Flohsamen, erntet wilde Möhren, macht Löwenzahnsalat und würzt mit Knoblauchsrauke statt mit Pfeffer. „Ich esse das, was auf der Wiese wächst.“
Schlaitzerin pflegt das „alte Wissen“ der Kräuter
Schmackhaft sind die Gewächse also. Aber wirken die Pflanzen vom Wegesrand wirklich gegen körperliche Beschwerden? Gabi Schumann ist davon überzeugt. „Das funktioniert bei jedem. Man muss nur Geduld haben.“ Sie sagt aber auch: Bei schwerwiegenden Problemen, sollte man lieber einen Arzt aufsuchen. Sie spricht aus eigener Erfahrung.
Im Urlaub sei sie einmal umgeknickt, wochenlang sei ihr Knöchel geschwollen gewesen. Schumann machte also Beinwellwickel, natürlich. Zum Arzt? Lieber nicht. „Ich mag keine Spritzen.“ Als sie dann doch bei einem Orthopäden aufschlug, folgte der Schock: Der Knöchel war gebrochen. Doch sie hatte Glück, die Knochen waren wieder zusammengewachsen – und zwar gerade. Heute, sagt sie, würde sie früher eine Praxis aufsuchen. Aber ihr geht es bei ihrer Leidenschaft für die Kräuter nicht nur um die Linderung von Beschwerden oder gut gewürztes Essen – sie sieht mehr darin.
In ihrem Garten pflückt Schumann ein weiteres Blatt. Gundelrebe. Als Tee aufgekocht soll das Kraut gegen Entzündungen im Verdauungstrakt helfen. Sie zeichnet mit der Fingerspitze die Umrisse das Blattes nach. „Es hat die Form einer Niere.“ Die „Wiesenfrau“ sieht darin ein Zeichen. So stünden gelbe Blüten für die Galle, rote Stängel für eine ausgleichende Wirkung auf das Blut. Ob diese Interpretation tatsächlich zutrifft, muss wohl jeder für sich entscheiden. Für Gabi Schumann lässt sich sicherlich sagen: Ihrem Leben haben die Kräuter eine wohltuende Richtung gegeben.