1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Storch Mathilda: Storch Mathilda: Tierarzt aus Magdeburg kümmert sich um Storch mit Beinprothese

Storch Mathilda Storch Mathilda: Tierarzt aus Magdeburg kümmert sich um Storch mit Beinprothese

04.08.2016, 15:31
Der Storch hatte sich vermutlich in einer Angelsehne verfangen und dabei sein rechtes Bein verloren.
Der Storch hatte sich vermutlich in einer Angelsehne verfangen und dabei sein rechtes Bein verloren. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Geduldig und tapfer lässt die einbeinige Störchin die Prozedur über sich ergehen. Etwas skeptisch schaut „Mathilda“ auf den Stumpf am rechten Bein. Dort wurde ihr am Donnerstag eine Behelfsprothese angepasst.

Ganz behutsam hält sie der Magdeburger Tierarzt Niels Mensing bei den ersten Stehversuchen fest. Eine Vorrichtung aus einem Schaumstoffrohr und auch Physiotherapie sollen dem Weißstorch helfen, künftig wieder auf zwei Beinen zumindest stehen zu können. Das zumindest hofft der Storchenhof in Loburg, der „Mathilda“ beim Arzt behandeln lässt.

Künstlicher Schnabel und Fell-Prothese

Operations- und Herstellungsmethoden für künstliche Körperteile bei Tieren sorgen immer wieder für Aufsehen. Die veterinärmedizinischen Eingriffe gelten als kompliziert und riskant.

Dem Tukan „Grecia“, der seinen Schnabel verloren hatte, wurde Anfang des Jahres in Costa Rica ein künstlicher Schnabel aus Nylon mit einem 3-D-Drucker gefertigt.

In England erhielt wenige Monate später das Schaf „Skippy“, das nackt zur Welt kam und eher dem Känguru einer australischen Fernsehserie glich, eine Jacke als Fell-Prothese.

Storch braucht besondere Zuwendung

Der griechischen Landschildkröte „Schildi“ wurde 2013 in Deutschland aus einem Lego-Roller eine Art künstlicher Fuß angepasst.

Prothesen für Wild- und Haustiere sind kein Standard. Das weiß auch der Magdeburger Tierarzt, der „Mathilda“ in einem separaten Teil seiner Praxis rund um die Uhr umsorgt.

Der Storch brauche viel Zuwendung, tägliche Hilfe und sei auch geschwächt. Durch die Amputation hatte der Storch eine Schonhaltung eingenommen. Das gesunde Bein musste Last und Funktion von zwei Beinen allein übernehmen. Deshalb trägt „Mathilde“ nun auch einen roten Stützverband am linken Bein.

Die Optionen bei schweren Verletzungen

Bei der Physiotherapie geht es zunächst darum, dem Vogel Hilfe beim Stehen mit dem Schaumstoffrohr und damit für die Balance zu geben.
Prothesen für Tiere seien nur dann vertretbar, wenn dem Tier durch die Behandlung nicht zu großer Stress zugemutet wird, sagt Lea Schmitz, Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn.

„Zum anderen muss sichergestellt werden, dass das Tier, wenn eine Auswilderung nicht mehr möglich ist, artgerecht in menschlicher Obhut gehalten werden kann.“ Wo diese Voraussetzungen nicht gegeben seien, sollte bei schweren Verletzungen eher eine Einschläferung in Erwägung gezogen werden. „Dies ist in jedem Einzelfall genau abzuwägen“, betont Schmitz zugleich.

Mathilda ist einer von 17 Pflegestörchen

Wenn alles gut geht, soll Storchendame „Mathilda“ in einigen Wochen für ihren Beinstumpf eine Prothese bekommen. Ein Abdruck dafür wurde bereits gefertigt, sagt Michael Kaatz, Geschäftsführer des Storchenhofs Loburg.

Seit Juni wurde „Mathilda“ dort aufgepäppelt. Sie sei ein eher ruhige Storchendame, brauche aber angesichts der Schwere der Verletzung auch Zeit.
Mit der Spezialanfertigung ihrer endgültigen Beinprothese wurde zwischenzeitlich eine Firma aus Thüringen betraut.

Mathilda kam aus dem Freistaat nach Sachsen-Anhalt. Der Vogel hatte sich im Frühjahr vermutlich in einer Angelsehne verfangen und dadurch den unteren Teil des linke Beins verloren.

Gute Chancen der überlebenden Tiere

Die Vogelschutzwarte in Loburg kümmert sich seit 1979 um kranke und verletzte Wildtiere. Rund 1.700 Störche wurden laut Kaatz seither aufgenommen.

Die Vögel hatten sich zum Großteil bei Unfällen verletzt. In Deutschland leben nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) rund 6.100 Weißstorchpaare (2014).

70 Prozent der Patienten aus Loburg konnten laut Kaatz wieder ausgewildert werden, 20 Prozent sind Dauerpatienten geblieben, 10 Prozent gestorben oder mussten eingeschläfert werden.

Kann Mathilda in der Wildnis überleben?

Derzeit sind 17 Störche in Pflege, darunter auch „Friedolin“. Er teilt „Mathildas“ Schicksal. Ihm fehlt auch ein Bein, nur links. Der männliche Storch hatte sich an einem Strommast schwer verletzt.

Zwischenzeitlich wird dort versucht, dass er mit seiner Hilfsprothese, einem Stab aus Plastik, wieder auf zwei Beinen stehen kann. „Damit kommt er schon ganz gut klar“, sagt Kaatz ohne Euphorie.

In Loburg gab es schon einmal einen Schwarzstorch mit Prothese. Fliegen sei mit Handicap möglich. Aber: In der Natur zu überleben kaum, sagt Kaatz. Sie drückt „Mathilda“ ganz fest die Daumen. (dpa)