Sensationelles Steuer-Plus Sensationelles Steuer-Plus in Sachsen-Anhalt: Warum die Kommunen jubeln - der Finanzminister aber nicht

Magdeburg - Für die Deutsche Bank ist es ein ungewohntes Ambiente: Im Feuerwehrgerätehaus von Sössen (Burgenlandkreis) vermehren einige ihrer Angestellten das Geld der Kunden, weitab von den Hochhaustürmen Frankfurts. Angelockt wurde die Bank vom niedrigen Gewerbesteuersatz der Stadt Lützen, zu der Sössen gehört. Die Ansiedlung hat jetzt weitreichende Folgen: Eine gewaltige Steuerzahlung von 150 Millionen Euro an das Lützener Rathaus macht Sachsen-Anhalt zum größten Gewinner bei den Gewerbesteuern.
Einnahmen der Kommunen: Sachsen-Anhalt liegt bei Zunahme weit über Bundesschnitt
Um stolze 27,3 Prozent sind die Einnahmen der Kommunen im Land im vergangenen Jahr gestiegen. Das hat das Statistische Bundesamt errechnet. Sachsen-Anhalt liegt damit weit über dem Bundesschnitt von plus 9,5 Prozent.
Eine parlamentarische Anfrage des linken Finanzpolitikers Swen Knöchel zeigt, dass der Großteil dieses Anstiegs auf die Bank-Millionen zurückgeht. Nach Abzug der Gewerbesteuerumlage verbuchte die Stadt Lützen ein Plus von 115,5 Millionen Euro. Im gesamten Land stiegen die Einnahmen um 149 Millionen Euro. „Zieht man den Einmal-Effekt ab, liegt Sachsen-Anhalt damit im Bundestrend“, sagt Knöchel. „Das reicht aber nicht, weil das Land ja aufholen muss.“
Steuereinnahmen in Sachsen-Anhalt: Großstädte legen zu - Viele kleine Kommunen leiden eher
Ohnehin sprudeln die Steuern im Land sehr unterschiedlich. Die drei Großstädte legten 2016 deutlich zu: Halle plus 24 Prozent, Dessau plus 14 Prozent, Magdeburg plus 12 Prozent. Etliche kleine Städte und Gemeinden hat es jedoch auch kalt erwischt. Sangerhausen (Mansfeld-Südharz) verlor ein Viertel seiner Einnahmen, Eckartsberga (Burgenlandkreis) ein Drittel, die gemeinde Ilberstedt (Salzlandkreis) mehr als die Hälfte. „Viele Kommunen in Ostdeutschland sind von einem einzigen Steuerzahler abhängig. Wenn von dem mal ein Jahr nichts kommt, gucken die in die Röhre“, sagt Jürgen Leindecker, Geschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt.
Mit Sorge sehen daher viele Kommunen auf ihre Infrastruktur. Seit Beginn der 90er Jahre wurden Schulen, Kitas, Straßen gebaut, die nun in die Jahre kommen. „Wir brauchen mehr Geld für Turnhallen und Sportstätten. Das sieht verdammt eng aus“, sagt Udo Mänicke, Bürgermeister von Freyburg (Unstrut). Die Winzerstadt hat daher den Hebesatz der Gewerbesteuer erhöht. Vor allem diese Entscheidung hat ihr ein stattliches Einnahmeplus beschert: 28 Prozent mehr floss 2016 in die Kasse.
Millionen-Zahlung der Deutschen Bank: In Lützen bleibt nur der kleinste Teil
Die Millionen-Zahlung der Deutschen Bank hingegen kommt indirekt allen Kommunen des Landes zugute. In Lützen bleibt nur der kleinste Teil davon: etwa fünf Millionen Euro. „Davon wollen wir Schulen und Kitas sanieren, ein Feuerwehrgerätehaus bauen und die Straßenbeleuchtung auf LED umstellen“, sagt Bürgermeister Dirk Könnecke (parteilos). „Die Leute werden merken, dass sich etwas tut.“ Den größten Teil der Steuernachzahlung muss die Stadt hingegen weiterreichen. 25 Millionen Euro über die Gewerbesteuer-Umlage, weitere 25 Millionen Euro über die Finanzkraft-Umlage, 95 Millionen Euro per Kreisumlage: Das Solidarsystem der Kommunen kann unbarmherzig sein.
Noch härter trifft es den Landeshaushalt. Ursache ist der komplizierte Bund-Länder-Finanzausgleich. Das System will verhindern, dass sich extrem niedrige Steuersätze wie in Lützen bezahlt machen. „Das Land bekommt durch den Lützen-Effekt in diesem Lahr 200 Millionen Euro weniger an Einnahmen. Wir werden also für die Steuerzahlung bestraft“, konstatiert Finanzminister André Schröder (CDU).
Finanzminister André Schröder ist für die Kommunen in den nächsten Jahren optimistisch
Lützens Bürgermeister Könnecke erwartet allerdings nicht, dass sich ein derart zwiespältiges Geschenk wiederholt. „Das werden wir sicher nicht noch einmal erleben“, sagt er. Schon 2018, vermutet er, muss seine Stadt wieder in die Haushaltskonsolidierung. Statt zu bauen heißt es dann wieder: sparen, sparen, sparen.
Für die Kommunen insgesamt ist Finanzminister Schröder indes optimistisch. „Die Gesamteinnahmen werden sicher auch im nächsten Jahr steigen.“ (mz)