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Schlechte Bezahlung durch Krankenkassen Schlechte Bezahlung durch Krankenkassen: Das Leiden der Therapeuten in Sachsen-Anhalt

Von Bärbel Böttcher 06.02.2018, 19:00

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalts Physiotherapeuten wollen mehr Geld. „Wenn sich die Vergütung unserer Arbeit nicht verbessert, steuern wir auf ein massives Versorgungsproblem zu“, sagte Constanze Rikirsch-Schöning, Landesvorsitzende des Berufsverbandes Physio Deutschland, der MZ.

Sie betont, dass bereits jetzt vielfach die gesetzliche Vorgabe, wonach eine verordnete Behandlung binnen 14 Tagen begonnen werden muss, nicht eingehalten werden kann, was dem Heilungsprozess nicht gerade dienlich ist. Die gegenwärtige Wartezeit betrage etwa vier Wochen. Vor allem Verordnungen, die spezielle Zusatzausbildungen erforderten, etwa bei neurologischen Erkrankungen, seien betroffen. Dafür fehlten die Fachkräfte.

Fachverbände meinen, dass das an der schlechten Bezahlung liegt. Sie mache den Beruf unattraktiv, sagt Rikirsch-Schöning. Laut Bundesagentur für Arbeit liegt das durchschnittliche Bruttogehalt eines in Vollzeit arbeitenden Physiotherapeuten hierzulande bei etwa 1.650 Euro. „So wenig wie in Sachsen-Anhalt verdienen sie sonst nirgendwo“, sagt die Landeschefin.

Davon könne keine Familie ernährt werden. Gut ausgebildete Physiotherapeuten wanderten deshalb in andere Bundesländer oder gar ins Ausland ab.

AOK Sachsen-Anhalt und der IKK gesund plus vergüten Therapeuten am schlechtesten

„Die Praxisinhaber würden ihren Angestellten gern mehr bezahlen“, fügt Rikirsch-Schöning hinzu. Der Schlüssel dafür liege bei der AOK Sachsen-Anhalt und der IKK gesund plus. Im bundesweiten Vergleich vergüteten beide Kassen den Therapeuten die Behandlungen am schlechtesten. Bei ihnen sei aber die Mehrzahl der zu Behandelnden versichert.

Beispielsweise für eine manuelle Therapie, die der Wiederherstellung der Beweglichkeit dient, zahlt die AOK Sachsen-Anhalt gegenwärtig 16,84 Euro. Bei der in Sachsen und Thüringen arbeitenden AOK plus sind es 19 Euro. Noch etwas mehr - nämlich 19,12 Euro - zahlen die Ersatzkassen, mit denen die Verbände der Physiotherapeuten 2017 Vergütungen ausgehandelt haben, die seit Anfang des Jahres gelten. Ab 1. April können bei ihnen für eine manuelle Therapie dann sogar 22 Euro abgerechnet werden.

„Die AOK lässt die Physiotherapeuten Sachsen-Anhalts am ausgestreckten Arm verhungern“

Entsprechende Vertragsverhandlungen mit der AOK Sachsen-Anhalt und der IKK gesund plus sind jedoch gescheitert. Hier läuft ein Schiedsverfahren. Wann dieses beendet sein wird, ist nicht absehbar. „Die AOK lässt die Physiotherapeuten Sachsen-Anhalts am ausgestreckten Arm verhungern“, sagt Rikirsch-Schöning.

Mit Hinweis auf die laufenden Verhandlungen geben sich die Kassen denn auch bedeckt. Beide verweisen darauf, dass es in den vergangenen Jahren einen stetigen Zuwachs bei Physiotherapie-Praxen gegeben hat. Seit 2006 sei deren Zahl von 656 auf 1.295 gestiegen.

„Die Vergütungen scheinen also für die Leistungserbringer wirtschaftlich zu sein“, teilen sie fast wortgleich mit. Den Zuwachs an Praxen bestreitet auch der Verband nicht. Es handele sich hier aber meist um Einzelkämpfer, die sich in der trügerischen Hoffnung, mehr zu verdienen, selbstständig machten, sagt Rikirsch-Schöning. Zudem deckten sie nicht das erforderlich breite Leistungsspektrum ab. (mz)