Keinen Bock auf Untericht Sachsen-Anhalt: Zahl der Schulverweigerer bleibt hoch

Halle (Saale) - Kein Bock auf Schule: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die regelmäßig den Unterricht schwänzen, bleibt in Sachsen-Anhalt dauerhaft hoch. Im vergangenen Jahr leiteten die Ordnungsämter landesweit insgesamt 4.242 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen einer „Schulpflichtverletzung“ gegen Kinder und Eltern ein.
Das sind fast so viele Verfahren wie 2014, damals waren es 4.523. Das geht aus Daten hervor, die die MZ bei neun von elf Landkreisen und zwei von drei kreisfreien Städten erfragt hat. Die übrigen Kommunen konnten die Angaben nicht in der gewünschten Form liefern.
Den Daten zufolge schwankt die Zahl der Verfahren zum Teil von Jahr zu Jahr stark. Unterm Strich sind die Zahlen von 2014 zu 2018 in den meisten Kreisen aber nur leicht gesunken oder leicht angestiegen. Ausreißer nach oben ist Halle, wo im vergangenen Jahr 855 Fälle gemeldet wurden, 180 mehr als 2014.
Deutlich weniger Verfahren melden Anhalt-Bitterfeld (von 455 zu 266) und der Burgenlandkreis, wo die Zahl von 496 auf 80 sank.
Eltern kommt die Schulverweigerung ihrer Kinder teuer zu stehen. Allein in Halle liefen im vergangenen Jahr Bußgelder in Höhe von 100.300 Euro auf. In Anhalt Bitterfeld waren es 29.700 Euro, im Saalekreis 24.400 Euro. Seit einer Änderung des Schulgesetzes vor einem Jahr werden Geldbußen nicht mehr nur gegen Schüler (ab 14 Jahren) verhängt, sondern auch gegen Eltern, wenn die Kinder jünger als 14 sind. „Wir wollen die Eltern nicht aus der Pflicht entlassen“, sagte Stefan Thurmann, Sprecher im Bildungsministerium.
Allerdings wird längst nicht jede Geldbuße gezahlt. Häufig werden die Strafen in gemeinnützige Arbeitsstunden für die Schüler umgewandelt. Allein im Altmarkkreis Salzwedel kamen im vorigen Jahr so 1.055 Sozialstunden zusammen. Betreffenden, die sich weigern, diese zu leisten, droht als letzte Konsequenz Jugendarrest bis zu einer Woche. Immerhin ist die Zahl dieser Härtefälle stark gesunken - landesweit von 204 im Jahr 2016 auf 96 im vergangenen Jahr.
Schulschwänzen wird nicht sofort als Ordnungswidrigkeit geahndet. Zuvor suchen die Schulen das Gespräch mit den Schülern und Eltern. Bei Bedarf kann auch das Jugendamt hinzugezogen werden. Erst wenn das nicht fruchtet oder Eltern nicht reagieren, melden die Schulen die Fälle an die Ordnungsämter.
Dass die Zahl der Verfahren dennoch seit Jahren hoch ist, erklärt das Ministerium mit der ständigen Fluktuation an Schülern. Die Gründe, die jemanden zum Schulverweigerer werden ließen, seien vielschichtig, ähnelten sich aber von Schülergeneration zu Schülergeneration, sagte Ministeriumssprecher Thurmann.
Es könne sich um schulische oder Suchtprobleme handeln, aber auch um Schwierigkeiten in der Familie. Thurmann verwies darauf, dass das Land mit Schulsozialarbeitern gegenzusteuern versuche. Derzeit gibt es aber nur 400 Stellen für die rund 800 allgemeinbildenden Schulen im Land. Zudem läuft das Programm vorerst nur bis 2020, eine Übergangsfinanzierung soll laut Ministerium eine Fortsetzung um ein weiteres Jahr ermöglichen.
Es sei aber erklärtes Ziel der Landesregierung, das Programm darüber hinaus fortzuführen, betonte Thurmann.
Der Bildungsgewerkschaft GEW reicht das nicht. Die Zahlen zeigten, „dass die Hilfesysteme noch zu wenig greifen“, sagte Landeschefin Eva Gerth der MZ. Ein akutes Eingreifen in Problemfällen sei möglich, aber kaum Präventionsarbeit. Gerth forderte, die Schulsozialarbeit nicht nur zu verstetigen, sondern auch auszubauen: „Wir brauchen an jeder Schule einen Sozialarbeiter“, sagte sie.