Störfeuer gegen Stahlknecht Sachsen-Anhalt: CDU-Flügel stellt Kenia-Koalition in Frage

Magdeburg - Der national-konservative Flügel der Landes-CDU macht gegen einen Beschluss zur Abgrenzung von der AfD mobil. Erst am Wochenende hatte der Landesvorstand mit 14 Ja- und zwei Nein-Stimmen ein Positionspapier verabschiedet, das die AfD als Gegner der parlamentarischen Demokratie einstuft und jede Zusammenarbeit mit dieser Partei ausschließt.
Einzelne CDU-Mitglieder denken nun laut über eine Minderheitsregierung nach. „Ich werbe dafür, dass wir für eine Minderheitsregierung offen sind“, sagt etwa Markus Kurze, Kreisvorsitzender im Jerichower Land. Als Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion hat er auch eine wichtige Rolle im derzeitigen Regierungsbündnis von CDU, SPD und Grünen.
Rechter CDU-Flügel stellt Koalition in Frage
Eine Minderheitsregierung müsste sich von Abstimmung zu Abstimmung die Unterstützung anderer Fraktionen organisieren. Kurze hat auch kein Problem damit, eigene Ziele mit Stimmen aus der AfD durchzusetzen, etwa bei der inneren Sicherheit. „Auf Dauer kann man nicht gegen 30 Prozent der Bevölkerung regieren“, sagt Kurze und spielt damit auf die jüngsten Wahlergebnisse der AfD an, die knapp unter dieser Marke lagen.
Kurze ist nicht der Einzige, der sich gegen den Landesvorstand stellt. Der Konservative Kreis in der Landes-CDU etwa warnt vor einer „Ausgrenzungsterminologie“. Torsten Schweiger, Kreisvorsitzender in Mansfeld-Südharz, hält eine Minderheitsregierung „im Zweifel für eine denkbare Variante“. Das Regieren sei „anstrengend, aber nicht ausgeschlossen“, sagte er unter Verweis auf europäische Staaten.
Holger Stahlknecht: „Es gilt der Koalitionsvertrag, der von einem Parteitag der CDU beschlossen wurde.“
Am Donnerstag griff CDU-Landeschef Holger Stahlknecht in die Debatte ein - und forderte Parteidisziplin. „Es gilt der Koalitionsvertrag, der von einem Parteitag der CDU beschlossen wurde“, sagte Stahlknecht der MZ. Überlegungen zu einer Minderheitsregierung seien müßig: „Statt Gedankenspiele über zukünftige Konstellationen anzustellen, sollten alle ihre Kraft darauf verwenden, dass die CDU die nächste Wahl gewinnt. Dieses Ziel sollte niemand aus den Augen verlieren.“
Auch CDU-Kreisvorsitzende zeigten sich irritiert über das Störfeuer. „Es gibt überhaupt keinen Anlass, jetzt so eine Diskussion zu führen“, sagte Dieter Stier, Parteivorsitzender im Burgenlandkreis. „Es gibt doch einen klaren Beschluss.“ Irritiert zeigte sich die CDU-Chefin von Wittenberg, Bettina Lange. „Wir haben doch eine Regierung, und ich habe keine Informationen darüber, dass sich das ändern soll“, sagte sie. „Ich weiß nicht, was so eine Debatte Positives beitragen soll.“
Harzer CDU übt Kritik an Kenia-Koalition
Erst in der vergangenen Woche hatte der CDU-Kreisverband Harz ein Papier verabschiedet, das grundsätzliche Kritik an den bestehenden Koalitionen übt. In Berlin regiert die Union mit der SPD, in Magdeburg mit SPD und Grünen - solche Bündnisse schwächten die CDU, heißt es im Harzer Thesenpapier. Und weiter: „Regierungsbündnisse, die nicht den Willen der Wähler widerspiegeln, sind für die CDU keine Option.“
Künftig müsse die CDU mit jenen Parteien koalieren, „mit denen die größten Schnittmengen vereinbar sind“. Die meisten der im Papier aufgelisteten Forderungen ließen sich allein mit der AfD umsetzen.
Sachsen-Anhalts Wirtschaft reagiert alarmiert. Fortgesetzte Unruhe werbe nicht für Sachsen-Anhalt, sondern schade dem Bild in der Welt, warnten die Industrie- und Handelskammern in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, Fremdenfeindlichkeit sei in Sachsen-Anhalt womöglich staatstragend“, sagte Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer Halle-Dessau.
Ungewöhnliches Lob: Kammern werben für Kenia-Koalition
Die Kammern werben stattdessen für die aktuelle Kenia-Koalition - ein ungewöhnlicher Schritt. Die Landesregierung sei gut dabei vorangekommen, Sachsen-Anhalt attraktiver zu machen, hieß es. Das zeige sich etwa in der Ansiedlung der Batteriefabrik in Bitterfeld-Wolfen, aber auch im Allzeithoch bei Im- und Exporten. Die beiden Kammern vertreten die Interessen von 110 000 Unternehmen im Land.
Kritik an den Aussagen kam von der AfD. Fraktionschef Oliver Kirchner warf den Wirtschaftsvertretern eine „anmaßende Ignoranz des Wählerwillens“ vor. SPD-Landesvorsitzender Burkhard Lischka hingegen sieht jetzt die Führung der Landes-CDU in der Pflicht. „Es empört mich, wie gedankenlos sich manche in der Union verhalten (dürfen!)“, schrieb er in seinem Twitter-Kanal.
(mz)