Bienensterben Sachsen-Anhalt: Bienensterben zwischen Halle und Magdeburg
Halle (Saale) - Nirgendwo in Deutschland summt es so wenig wie in Sachsen-Anhalt. Das Land gilt im Bundesvergleich als die Region mit der geringsten Bienendichte. Laut einer neuen Studie der Martin-Luther-Universität Halle sind vor allem Wildbienen schlimm dran.
Ihre Zahl ist seit 1990 dramatisch gesunken. 57 Arten sind bereits verschwunden. Den Rückgang beziffern Fachleute mit 15 Prozent des Gesamtbestandes. Darüber hinaus sind 73 Prozent der Bienen als selten und gefährdet eingestuft.
Auch Honigbienen haben es in Sachsen-Anhalt viel schwerer als anderswo. Ihre Population ist nach Auskunft des Deutschen Imkerbundes mit Abstand die kleinste bundesweit. Umgerechnet gibt es pro Quadratkilometer weniger als ein Bienenvolk. Der Bundesdurchschnitt ist mit zwei Völkern pro Quadratkilometer angegeben.
Warum das so ist, darüber rätselt die Wissenschaft noch. Von fehlenden Blühstreifen bis zum Pestizideinsatz reicht die Palette möglicher Ursachen. Dazu kommen Krankheiten und Witterungsfolgen. Ein Ausgleich der Verluste gelingt aus Sicht des Landes „nur mit größter Mühe“. Fördermöglichkeiten und ein damit ausgelöster leichter Aufschwung der Imkerei habe bislang am Problem grundsätzlich nichts ändern können.
Vor negativen Folgen warnt der international anerkannte Bienenexperte Professor Dr. Robert Paxton. Der Universitätsprofessor aus Halle, der im Deutschen Zentrum für Biodiversitätsforschung mitarbeitet: „Auswirkungen betreffen etwa zehn Prozent der Landwirtschaft.“ Das hängt mit der natürlichen Funktion der Insekten zusammen: Sie müssen Blüten bestäuben, damit Früchte wachsen können.
Bienen in Sachsen-Anhalt sind eher in großen Städten als auf dem Land unterwegs
Jüngste Experimente im südlichen Sachsen-Anhalt haben nachgewiesen, dass Wild- und Honigbienen sich die Arbeit etwa hälftig teilen. Das eigentliche Problem liegt laut Paxton allerdings ganz woanders. „Bienen fliegen inzwischen lieber in der Stadt als auf dem Land.“
So hätten sie entsprechende Versuchspflanzen in Mansfeld-Südharz innerhalb von vier Tagen nur zu 30 Prozent bestäubt. In Halle hätte das viel besser geklappt. Dort lag die Quote bei 80 Prozent. Angesichts des ausgedehnten Obstbaus rund um den Süßen See, so Paxton, müsse dieses Verhalten schon als ein alarmierendes Signal verstanden werden.
Während einer Podiumsdiskussion der Bundeskulturstiftung zu den Folgen des Bienensterbens fasste der hallesche Ornithologe Frank Steinheimer den Gefahrenkreis sogar noch weiter. „Jede verschwindende Art bedroht auch den Menschen.“ Über lange Zeiten entstandene Nahrungsketten würden unterbrochen. Ab einem bestimmten kritischen Punkt gerate schließlich das ganze Öko-System aus dem Gleichgewicht.
Akzeptable Lebensbedingungen finden die Insekten offenbar im Harz und im Burgenlandkreis vor. Zumindest sind dort die landesweit meisten Imker und Bienenvölker amtlich registriert. Schlusslicht ist demnach ein Trio aus Salzlandkreis, Anhalt-Bitterfeld und Jerichower Land.
Stadt-Bienen gedeihen besonders gut in Dessau-Roßlau mit 616 Völkern, gefolgt von Magdeburg (498) und Halle (422). Neue Hoffnung verbindet das Land mit der Aktion „Schulimkern“. Jährlich erhalten im Rahmen dieser Aktion fünf Schulen in Sachsen-Anhalt eine Erstausstattung für die Bienenhaltung gestellt. (mz)