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Rücktritt gefordert Rücktritt gefordert: AfD nimmt Sebastian Striegel ins Visier

Von Hagen Eichler und Kai Gauselmann 23.11.2017, 05:25
Wird im Landtag von der AfD persönlich angegangen: Grünen-Politiker Sebastian Striegel
Wird im Landtag von der AfD persönlich angegangen: Grünen-Politiker Sebastian Striegel dpa

Magdeburg - Einfache Abgeordnete sind im Magdeburger Landtag nicht oft Gegenstand einer Debatte.

Insofern wird dem Grünen Sebastian Striegel an diesem Donnerstag eine seltene Ehre zuteil: Die AfD fordert seinen Rückzug aus der Parlamentarischen Kontrollkommission, die den Verfassungsschutz  kontrolliert.

Landtag Magdeburg: AfD fordert Rücktritt von Sebastian Striegel

In der Kenia-Koalition wird befürchtet, eine Eskalation der Debatte könnte sogar das Bündnis zwischen CDU, SPD und Grünen schwer belasten.

Dass sie den politischen Gegner persönlich angeht, begründet die AfD damit, dass Striegel versuche, „kriminelle Handlungen zu legitimieren“. Es geht um die Debatte in der vorigen Landtagssitzung um das „Hasi“ in Halle:

Ein Haus in der Hafenstraße 7, das seine Gegner ein besetztes Haus nennen und seine Freunde ein alternatives Hausprojekt.

Streit um alternatives Hausprojekt „Hasi“ in Halle (Saale)

Jedenfalls wohnen dort Leute, die das Haus weder gebaut noch gekauft oder angemietet haben - sondern einfach eingezogen und geblieben sind. Mittlerweile haben die Bewohner auch einen Vertrag mit dem Eigentümer, einem kommunalen Unternehmen.

In einer kontroversen Debatte Ende Oktober verteidigte Striegel als rechtspolitischer Sprecher  der Grünen die „Hasi“-Besetzung unter anderem so: „Es  gilt ausdrücklich auch  für Demokratien und  Rechtsstaaten, dass es Punkte gibt, in denen auch nicht legale  Tätigkeiten legitim sein  können.“

Teile der CDU-Fraktion sehen „RAF-Logik“

Die Einschätzung, dass Gesetzesverstöße auch mal in Ordnung gehen können, wird in Teilen der CDU-Fraktion für „RAF-Logik“ gehalten. In der Fraktionsführung soll es die Sorge geben, dass im Landtag nun einige CDU-Leute mit der AfD gegen den Koalitionspartner stimmen könnten.

Für Donnerstag früh ist eine Sonderfraktionssitzung anberaumt, bei der die Abgeordneten auf Linie gebracht werden sollen.

„Wir haben uns in der Koalition nach einer längeren Diskussion verständigt und wir werden in der Fraktion unser Abstimmungsverhalten besprechen“, sagt CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt der MZ.

Man werde nicht mit der AfD stimmen, meint er. Da sind sich nicht alle Parteifreunde sicher - zumal, falls Striegel die CDU „provoziere“.  Und das kann er. „Der Striegel bringt uns regelmäßig in Wallung“, heißt es aus der Union.

Sebastian Striegel - Provokateur im Landtag

Der Grüne ist für Schwarze ein rotes Tuch -  da wirkt die Zeit nach, als Striegel in der Opposition lustvoll die CDU piesackte und provozierte.

 In der Folge überreichte in einer selten peinlichen Aktion der CDU-Mann Ulrich Thomas Striegel einmal im Sitzungssaal eine Babynuckelflasche mit den Worten: „Wenn Sie mal zu sehr in Rage sind, nuckeln Sie - das hilft.“

Oft ist es aber die CDU selbst, die in Rage gerät. Vize-Fraktionschefin Eva Feußner nannte Striegel mal einen „Zündler“ und warf ihm vor, er provoziere „bis zum Letzten“.

Die wohlwollenden Worte über Hausbesetzer nerven nun erneut. „Es fällt manchen Kollegen schwer, Herrn Striegel als Koalitionspartner wahrzunehmen“, sagt Markus Kurze, als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU direkter Verhandlungspartner Striegels.

Kurze hat sich für die Plenarsitzung kritische Worte bereitgelegt. „Ihm muss klar werden, dass er nicht in jeder Sitzung derartig die Gemüter erhitzen darf.“

Aber auch die  SPD-Fraktion ist kein Striegel-Fanclub. Innenexperte Rüdiger Erben nennt den AfD-Antrag zwar „Klamauk, den wir ablehnen“. Die Äußerungen seines Koalitionspartners teile er trotzdem ausdrücklich nicht.  „Er muss damit rechnen, dass ich ihm dazu etwas ins Stammbuch schreibe.“

Scharfe Kritik für Sebastian Striegel auch von SPD und CDU

Kritisch sieht nicht zuletzt die linke Opposition das Auftreten Striegels. „Er versucht den Spagat zwischen regierungstragend und Aktivist-Sein. Von der CDU wird er teilweise sehr ungerecht angegangen, aber er scheint diese Rolle als Enfant terrible auch zu genießen“, urteilt ein Landtagsmitglied.

Diese Neigung treibe ihn bald in diese, bald in jene Ecke. Zuletzt hatte Striegel für Aufsehen gesorgt, als er mit Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) ein Burka-Verbot für Schulen und Wahlkabinen aushandelte - an der SPD vorbei.

Um zu vermeiden, dass sich die Koalitionäre von der AfD in einen echten Konflikt locken lassen, arbeiten die Fraktionsspitzen an einer Paketlösung.

Dazu werden drei Anträge gekoppelt. Neben dem Striegel-Rücktritt handelt es sich um Anträge der Linken zur Affäre um den Justiz-Staatssekretär Hubert Böning (CDU) und zur Debatte über eine neue Untersuchung des Todes von Oury Jalloh.

Dazu könne er sich auch einen  Untersuchungsausschuss des Parlaments vorstellen, sagte Striegel am Wochenende bei einem Grünen-Parteitag.  Da war die Freude wieder groß bei seinen schwarzen Freunden.

CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt: „Wir wollen keine Gesinnungsgerichtsbarkeit“

„Herr Striegel hat da einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss und sonstwas ins Gespräch gebracht. Wir wollen aber keine Gesinnungsgerichtsbarkeit“, sagt Borgwardt. Bei Jalloh  will die Linke auch politische Verantwortlichkeiten klären, was CDU und SPD treffen  könnte, weil sie seit Jallohs Tod vor zwölf Jahren wechselweise Innenminister und Justizminister stellten.

Unterm Strich sollen nun in dem politischen Koppelgeschäft alle drei Oppositionsanträge - die je Grüne, CDU und SPD träfen - geschlossen mit der Kenia-Mehrheit abgeschmettert werden. Dafür braucht es einige Disziplin der 47 Koalitionsabgeordneten - und keine Provokationen.

Bei den Grünen gibt es Verständnis für den Unmut. Fraktionschefin Cornelia Lüddemann formuliert jedenfalls diplomatisch: „Angesichts der immensen kulturellen Unterschiede zwischen den Fraktionen verstehe ich, wenn es Fragen an Sebastian Striegel gibt.“

Zum Thema Hausbesetzung seien „interpretationsbedürftige“ Sätze gefallen. Striegel selbst signalisiert Entgegenkommen. Er könne das Unverständnis von CDU-Kollegen verstehen, sagt er.

„Für die Formulierung ,legitim’ hätte es schon eine Erklärung gebraucht. Ich war nicht ruhig genug, um das  mit der notwendigen Konzentration zu leisten.“(mz)