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Regionale Obstsorten Regionale Obstsorten: Raritäten von Bäumen in Sachsen-Anhalt

Von Wolfgang Benndorf 15.07.2018, 17:48
Ruth Schwarzer (links) und Brita von Götz-Mohr begutachten Birnen.
Ruth Schwarzer (links) und Brita von Götz-Mohr begutachten Birnen. dpa

Kalbe - Um „Kaiser Wilhelm“ steht es nicht zum Besten, „Prinz Albrecht von Preußen“ ist ebenfalls bedroht. „Köstliche aus Charneux“ sieht man nur noch selten und auch die „Herbstbergamotte“ fristet ein Schattendasein.

Alte Obstsorten verschwinden immer mehr aus Gärten und von Alleen. Zwei Altmärkerinnen wollen dieses lebendige Kulturgut erhalten. Dafür gründeten Brita von Götz-Mohr und Ruth Schwarzer jetzt einen Verein. Alles begann mit der Birne.

Sie wollen alte Obstorten retten

Schwarzer aus Kalbe an der Milde arbeitete lange mit Kräutern wie Dill, Petersilie oder Schnittlauch. Die Gartenbauingenieurin machte sich als „Pflanzenexpertin aus der Altmark“ einen Namen. Das Gärtnern war der Bauerntochter in die Wiege gelegt. Von Götz-Mohr wiederum kehrte als Spross der Familie von Bismarck nach der Wende in die Heimat ihrer Ahnen zurück. Dort baute sie mit ihrem Mann Christoph Mohr das Bismarck'sche Landgut in Welle aus, einem Ortsteil der Hansestadt Stendal.

„Direkt vor unserer Haustür ist eine der schönsten Birnbaum-Alleen der Altmark“, sagt sie. Sie wollte sich daher für den Erhalt dieses Kleinods engagieren. In Schwarzer fand sie eine Mitstreiterin. Vor vier Jahren starteten die beiden ihre Rettungsaktion. Sie trägt bereits Früchte. Die restaurierte Scheune auf dem Gutshof wurde Sitz des mit Fördermitteln des EU-Leader-Programms ins Leben gerufenen „Kompetenzzentrums Heimische Birnen“.

Schwarzer weiß so gut wie alles über dieses Obst und gibt ihr Wissen gern weiter. Sie schwärmt von „Sommerblutbirne“ und „Herbstbergamotte“, nicht zu vergleichen mit der „langweiligen Williams Christ“, die es meist in den großen Läden zu kaufen gebe. Die „Köstliche von Charneux“ habe das beste Aroma. Insgesamt 44 Birnensorten hat Schwarzer in der Altmark bereits ausfindig gemacht.

Verglichen mit der Birne gehe es dem Apfel nicht viel besser. „Einst war der Borsdorfer ein typischer Altmark-Apfel“, berichtet Schwarzer. Heute gebe es davon immer weniger. Gleiches gelte für „Kaiser-Wilhelm“ und andere alte Sorten. Nicht nur die Bäume an den Straßen seien wegen Baumaßnahmen, Krankheiten und mangelnder Pflege bedroht. Auch auf Streuobstwiesen und in privaten Gärten seien klassische Sorten immer seltener zu finden. Das Wissen über die Eigenschaften und die Verwendung der alten Obstsorten gerate zunehmend in Vergessenheit.

Für Tourismus interessant

Die Geschichte des altmärkischen Straßenobstes, das auch Kirschen und Pflaumen umfasst, reiche bis in das 18. Jahrhundert zurück. König Friedrich der Zweite von Preußen habe das Anlegen der Alleen befohlen, um der Bevölkerung eine sichere Nahrungsquelle zu bieten, berichtet von Götz-Mohr. Seine Nachfolger setzten diese Tradition fort. Nicht von ungefähr kommen daher die majestätischen Namen. „Dieses einmalige Kulturgut wollen wir erhalten“, so die Frauen.

Im Juli gründeten sie dafür gemeinsam mit zehn Mitstreitern in Kalbe/Milde einen Verein. Dessen Ziel ist nicht nur die Bewahrung alter Sorten. Von Götz-Mohr träumt davon, dass Obstbaumalleen die Altmark wieder wie ein Band verbinden und so Touristen, besonders aus den Großstädten, in die ländliche Idylle locken.

Reizvoll für einen Besuch sei schon das Frühjahr, wenn die Bäume blühten. Das größte Erlebnis biete aber die Reifezeit im Sommer und Herbst, ist sich die Vereinsvorsitzende sicher: „An öffentlichen Straßen ist Sammeln und Naschen von Obst nicht verboten.“ (dpa)