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Reformation als Bildungsbewegung Reformation als Bildungsbewegung: Luther öffnete das Tor zur Neuzeit mit der deutschen Bibel

19.10.2016, 15:04
Mit der Bibelübersetzung Luthers lernten viele Deutsche das Lesen.
Mit der Bibelübersetzung Luthers lernten viele Deutsche das Lesen. dpa-Zentralbild

Wittenberg - Er hetzte gegen Juden, Muslime und vermeintliche Hexen, verbündete sich mit brutalen Fürsten gegen aufständische Bauern und verursachte indirekt auch den Dreißigjährigen Krieg, der Millionen Menschen das Leben kostete. Trotzdem ist er für viele Christen weltweit ein großes Vorbild: Die evangelische Kirche feiert den Reformator Martin Luther. Vor bald 500 Jahren zündete er einen Funken, der die Welt verändert hat.

Angst vor Hölle: Ablassbriefe als Verrat an der Botschaft Gottes

Dabei ist die Frage, die ihn quälte, heute kaum mehr verständlich: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Doch im Mittelalter trieb die Angst vor der Hölle als Strafe für ein sündhaftes Leben viele um. Die Kirche machte sich das zunutze und verkaufte Ablassbriefe, mit denen sich Gläubige vermeintlich von ihren Sünden freikaufen konnten. Luther erkannte darin einen Verrat an der Botschaft des Neuen Testaments.

Nicht der Papst oder die kirchliche Tradition, sondern nur Gottes Wort, wie es die Bibel bezeugt, lässt Luther als Maßstab gelten. Der Mensch kann sich den Himmel nicht durch gute Taten verdienen. Nur aufgrund seines Glaubens an Gottes Gnade kann er gerettet werden.

Dieser „reformatorische Durchbruch“ gelingt Luther, weil er die Theologie des Apostels Paulus neu entdeckt. Mit dem Rückgriff auf den Anfang des Christentums in der Antike öffnet er das Tor zur Neuzeit, zur Epoche der Befreiung. Lutheraner sind frei von der Angst vor dem Tod und der Hölle, frei von kirchlichen Autoritäten. Sie können selber die Bibel lesen und ihrem eigenen Gewissen folgen. Das war damals revolutionär.

Die Reformation war auch eine Bildungsbewegung

Mit der Lutherbibel, die dank des neuen Buchdrucks massenhaft verbreitet wurde, war die Heilige Schrift nicht mehr nur für Lateinkenner lesbar, sondern für alle Gläubigen in ihrer Volkssprache. Luthers Sprache schaute dem Volk aufs Maul und wirkte stark an der Entwicklung des Frühneuhochdeutschen mit. Die Reformation war daher auch eine große Bildungsbewegung. Mit der Lutherbibel lernten die Deutschen das Lesen, Sprechen und Forschen.

Luther wollte keine eigene Kirche gründen, wollte ursprünglich auch keine Abspaltung von Rom. „Wie käme denn ich armer stinkender Madensack dazu, dass man die Kinder Christi sollte mit meinem heillosen Namen nennen?“, schrieb er 1522. Doch die katholische Kirche wollte nicht wahrhaben, dass Luther mit seiner Grundeinsicht der „Freiheit eines Christenmenschen“ recht hatte.

Erst in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999 räumte der Vatikan dies indirekt ein. Seitdem gilt: In der zentralen Frage des christlichen Glaubens sind die Unterschiede der beiden großen Konfessionen nicht mehr grundsätzlicher Natur, sondern beide akzentuieren nur denselben Glauben anders. Was sie bis heute trennt, ist vor allem ein unterschiedliches Verständnis der kirchlichen Ämter, also der Bedeutung von Priestern, Bischöfen und Papst.

Für Luther war der Papst der „Antichrist“

Der Papst - das war für Luther der „Antichrist“. Doch wenn Luther heute noch leben würde, müsste er Papst Franziskus eigentlich die Füße küssen. Denn das hatte er 1531 angekündigt: „Wenn wir nur das erreichen könnten, dass Gott allein durch die Gnade rechtfertigt, würde ich den Papst den Allerheiligsten nennen; ich würde nicht nur seine Füße küssen, sondern ihn auf Händen tragen.“

Am 31. Oktober, zum Beginn des Reformations-Gedenkjahrs, will Franziskus die Versammlung des Lutherischen Weltbunds in Lund (Schweden) besuchen. Das zeigt: Auch für Katholiken ist der Gottsucher, Seelsorger und Prediger Luther zum Vorbild geworden. (mz/dpa)