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Rechtsextremismus Rechtsextremismus: Identitäre Bewegung in Sachsen-Anhalt: "Jeden Winkel durchleuchten"

11.07.2019, 18:28

Halle (Saale)/Magdeburg - Innenpolitiker in Sachsen-Anhalt haben die bundesweite Einstufung der Identitären Bewegung (IB) als rechtsextremistische Gruppe begrüßt. SPD-Innenexperte Rüdiger Erben sagte am Donnerstag:

„Jeder, der sich in den letzten Jahren mit der IB und ihrem Tun besonders in Halle beschäftigt hat, konnte sehen, mit welcher menschenverachtenden Ideologie und welchen gewaltbereiten Personen man es zu tun hat.“ Grünen-Politiker Sebastian Striegel erklärte, die Entscheidung komme „viel zu spät“.

Der Verfassungsschutz hatte am Donnerstag erklärt, die Positionen der IB zielten letztlich darauf ab, „Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren“. Für die IB könnten „Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen“ niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein.

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sagte: „Als Frühwarnsystem dürfen wir unser Augenmerk nicht nur auf gewaltorientierte Extremisten legen, sondern müssen auch diejenigen im Blick haben, die verbal zündeln.“ Die IB grenzt sich bewusst vom klassischen Neonazi-Milieu ab, will ein junges und modernes Publikum ansprechen. In Halle betreibt sie eine der wichtigsten Zentralen in Deutschland.

Auf dem Schirm hat der Verfassungsschutz die Identitären bereits seit Jahren. Neue Brisanz hatte der Fall der IB zuletzt mit dem Attentat auf zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland) im März erhalten, bei dem ein Rechtsextremist 51 Menschen erschossen hatte. Der Schütze berief sich in einem „Manifest“ auf Gedankengut, das von der IB propagiert wird. Zudem soll er Geld an den österreichischen IB-Chef Martin Sellner gespendet haben. Die beiden Männer sollen auch E-Mails ausgetauscht haben. Sellner wiederum gilt als IB-Anführer im deutschsprachigen Raum, war regelmäßig in Halle zu Gast.

Das ruft Innenexperten im Land auf den Plan. „Man muss sehr genau schauen, welche Verbindungen es zwischen der IB in Österreich und Halle gibt“, sagte SPD-Politiker Erben der MZ. „Was die globale rechtsextreme Vernetzung angeht, schließe ich mittlerweile nichts aus.“ Es müsse „jeder Winkel“ des Netzwerks auch in Halle ausgeleuchtet werden. Dafür sei der neue Beobachtungsstatus hilfreich - auch um Verflechtungen mit der AfD zu überprüfen.

„Aufhorchen lassen auch Ermittlungen in Österreich, bei denen es um den Verdacht einer Beteiligung von Martin Sellner an einer terroristischen Vereinigung geht“, sagte Erben. „Eben jener Sellner“ habe sich laut Medienberichterstattung auch für eine Identitären-Demonstration am 20. Juli in Halle angekündigt, so Erben. „Aus meiner Sicht müssen nun schnell alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, diese rechtsextremen Netzwerke intensiv zu durchleuchten und mit aller Härte des Rechtsstaates zu bekämpfen“, sagte der Abgeordnete.

Grünen-Politiker Striegel forderte, dass es nicht allein bei der Beobachtung der Identitären bleiben dürfe. „Für mich ist klar: Was für die IB gilt, ist auch für andere in Sachsen-Anhalt agierende Organisationen zutreffend“, sagte er. „Auch ideologische Vorfeldorganisationen der AfD, wie das so genannte Institut für Staatspolitik, propagieren mit dem Grundgesetz unvereinbare Positionen des Ethnopluralismus.

Ich fordere daher, sie unverzüglich einer Beobachtung zu unterwerfen.“ Diese „rechtsextremen Organisationen und auch die AfD“ bedrohten die Demokratie, so Striegel. Das Institut für Staatspolitik ist eine äußert rechte Denkfabrik in Schnellroda (Saalekreis), in der Vergangenheit waren immer wieder Identitäre zu Gast.

Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt begrüßte am Donnerstag die Entscheidung in Berlin. Es sei das „logische Ergebnis“ eines gründlichen Prüfprozesses, hieß es auf MZ-Anfrage. Die Behörde  habe mit ihren erlangten Informationen und Auswertungen einen Beitrag geleistet. Jochen Hollmann, Chef des Landesverfassungsschutzes, sagte der MZ:

„Der Schutz unserer Verfassung beginnt dort, wo Extremisten versuchen, Grenzen zu verwischen und Einfluss auf die Gesellschaft zu erlangen.“ Für den Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt habe deshalb das Sammeln und Auswerten von Informationen im Bereich des Rechtsextremismus seit Jahren höchste Priorität. „Das betrifft deshalb auch Strukturen der ‚Neuen Rechten‘ sowie die Ideologie und Strategien der ‚Identitären Bewegung‘.“

Indes bereitet sich die Stadt Halle in der kommenden Woche auf eine Demo der IB vor. Die Extremisten mobilisieren bundesweit für einen Aufmarsch am Samstag. Massiven Gegenprotest kündigt das Bündnis Halle gegen Rechts an. (mz)