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Rautendämmerung Kommentar zu Merkels Abschiedsrede in Halle

Bei ihrer letzten großen Rede formuliert die Bundeskanzlerin eine große Sorge.

Von Kai Gauselmann Aktualisiert: 04.10.2021, 09:11
Merkel hat eine ungewöhnlich persönliche Rede gehalten.
Merkel hat eine ungewöhnlich persönliche Rede gehalten. Foto: Silvio Kison

Angela Merkel hat beim Tag der Deutschen Einheit eine starke Rede gehalten. Auch, weil es eine ungewöhnlich persönliche Rede war. Merkel hat in ihrer Kanzlerschaft ihre ostdeutsche Herkunft selten vor sich hergetragen; nie hat sie gezeigt, dass auch die mächtigste Frau der Welt verletzt ist, wenn man sie nur „angelernte Bundesbürgerin“ nennt und ihre DDR-Erfahrung als „Ballast“ abtut.

In Halle hat die scheidende Kanzlerin den über Jahre antrainierten Merkel-Panzer also ein klein wenig gelüftet. Um daraus die Forderung abzuleiten, dass wir uns alle gegenseitig mit mehr Respekt begegnen sollten.

In Halle hat die Kanzlerin den antrainierten Merkel-Panzer ein wenig gelüftet.

Kai Gauselmann, Stellvertretender Chefredakteur

Sie hat auf rechtsextremistische Anschläge und Morde verwiesen und auf die Tötung eines 20-Jährigen, der nur einen Tankstellenkunden auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Das war das große und eigentliche Thema ihrer Rede: Die große Sorge um den Zusammenhalt in diesem Land und um den Bestand von Demokratie und Freiheit.

Die Mahnung, mit der Demokratie nicht leichtfertig umzugehen und für sie arbeiten zu müssen, ist auch Resultat von Merkels Lebenserfahrung. Sie weiß, dass ein politisches System kein Naturgesetz ist und auch untergehen kann. Es war dann wiederum eine grundsätzliche, präsidiale Rede - im Beisein des amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Die 67-Jährige hat dabei gesprochen, als habe sie die vergangenen Jahre nur zuschauen können und nicht die Hebel der Macht in der Hand gehabt.

Merkel hat sich den stehenden Applaus verdient, nachdem sie das Land durch viele Krisen gelenkt hat. Es ist aber auch gut, dass ihre Ära endet. Es braucht nun keine Analysen und Moderation, sondern einen Kanzler, der Respekt durchsetzt, die Demokratie neu belebt und das Land aus der Spaltung führt.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]