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Rauswurf nach JVA-Panne Rauswurf nach JVA-Panne: Fluchtversuch in Halle kostet Staatssekretär Böning den Posten

Von Hagen Eichler 18.06.2020, 20:15

Magdeburg - Der Skandal um schwere Pannen im halleschen Gefängnis Roter Ochse hat personelle Konsequenzen im Justizministerium. Staatssekretär Hubert Böning, oberster Beamter und rechte Hand von Ministerin Anne-Marie Keding (beide CDU), muss seinen Posten räumen. Der 60-Jährige wurde am Donnerstag von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) auf Vorschlag von Keding in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Halle-Attentäter war am 30. Mai über einen Sperrzaun geklettert

Am 30. Mai war es dem rechtsextremen Synagogen-Attentäter Stephan B. im Roten Ochsen gelungen, einen Sperrzaun zu überwinden und sich auf dem Gefängnisgelände minutenlang frei zu bewegen. Böning wird angelastet, die Bewachungsvorschriften für Sachsen-Anhalts wichtigsten Gefangenen nicht ausreichend kontrolliert zu haben.

Die Koalitionsfraktionen begrüßten die Ablösung Bönings. „Das war die richtige Entscheidung“, sagte Jens Kolze, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Der Staatssekretär ist derjenige, der das Haus leitet. Ob darüber hinaus die Ministerin eine politische Verantwortung trägt, wird sich in den nächsten Tagen herauskristallisieren.“ SPD-Fraktionschefin Katja Pähle sagte, die Ablösung Bönings sei richtig, um politische Versäumnisse in der Hausleitung einzugestehen. „Den Rücktritt der Ministerin wollen wir nicht. Aber wir müssen aufarbeiten, wie wir die Justiz besser machen.“ Der Rechtspolitiker und Grünen-Landeschef Sebastian Striegel sagte, mit der Neubesetzung signalisiere Keding ihr Interesse, die systematischen Probleme im Justizvollzug abzustellen.

Nachfolger von Böning soll früherer Arbeitsrichter Molkenbur werden

Nachfolger als Staatssekretär soll Josef Molkenbur werden. Der aus Westfalen stammende promovierte Jurist hat als Vorsitzender Richter über lange Jahre das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt geprägt. Als Lehrbeauftragter ist er der Universität Halle verbunden. Molkenbur hat ein CDU-Parteibuch.

Die oppositionelle Linkspartei nimmt ihre Rücktrittsforderung gegen Justizministerin Keding nicht zurück. „Böning und sie tragen beide Verantwortung. Es mutet seltsam an, dass jetzt nur einer gehen muss“, sagte Eva von Angern, rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Kritik übte sie daran, dass Keding und Böning am Mittwoch den Koalitionsfraktionen weitere Details zum Ausbruchversuch erläutert hatten, nicht aber der Opposition. „Das zeigt uns, dass im Rechtsausschuss noch nicht alles auf den Tisch gepackt wurde“, sagte von Angern.

Knapp drei Wochen nach dem Fluchtversuch des Halle-Attentäters wird Justizstaatssekretär Hubert Böning (CDU) in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Der Vorfall im Gefängnis wurde erst vier Tage nach dem Fluchtversuch öffentlich. Ein Überblick:

30. Mai: Nach Darstellung des Justizministeriums ist Stephan B. an diesem Tag ein Fluchtversuch gelungen. Während eines Hofgangs im Innenhof der JVA Halle soll er mehrere Minuten unbewacht gewesen sein, so dass er einen Zaun überklettern konnte und auf der Suche nach Fluchtmöglichkeiten fünf Minuten über das Gelände lief, bevor ihn JVA-Bedienstete wieder in Gewahrsam nahmen.

Das Justizministerium informiert die Öffentlichkeit. Das Gefängnispersonal habe offensichtlich Vorschriften verletzt, sagt Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU). Der Halle-Attentäter sei außerhalb seiner Zelle immer von mindestens zwei Beamten zu bewachen.

Der Rechtsausschuss des Landtags kündigt eine Sondersitzung zum Fluchtversuch an. Das Justizministerium teilt mit, die Gefängnisleitung habe am Dienstag (2. Juni) zufällig von dem Fluchtversuch erfahren und sofort das Ministerium informiert. 

Keding erklärt, dass die JVA Halle die Haftbedingungen eigenständig gelockert habe. Es habe einen Erlass gegeben, dass B. außerhalb seiner Zelle jederzeit von drei Bediensteten beaufsichtigt werden müsse. Die Linke fordert den Rücktritt der Ministerin und des Staatssekretärs. 

Nach mehreren Sitzungen des Rechtsausschusses zweifelt die SPD-Fraktion an der Darstellung der Justizministerin. Die Akten würden keine Klarheit darüber bringen, ob die Anstaltsleitung der JVA Halle eigenmächtig die Haftbedingungen des 28-Jährigen gelockert habe, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Silke Schindler.

Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann fordert die Entlassung von Staatssekretär Böning, weil er laut vorliegenden Informationen die Unterbringung von B. verantwortet habe. Kurze Zeit später wird bekannt, dass Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Böning in den einstweiligen Ruhestand versetzt hat. Damit habe der Regierungschef der Bitte von Keding entsprochen, teilte die Staatskanzlei mit. Nach Darstellung des Justizministeriums ist Stephan B. an diesem Tag ein Fluchtversuch gelungen. Während eines Hofgangs im Innenhof der JVA Halle soll er mehrere Minuten unbewacht gewesen sein, so dass er einen Zaun überklettern konnte und auf der Suche nach Fluchtmöglichkeiten fünf Minuten über das Gelände lief, bevor ihn JVA-Bedienstete wieder in Gewahrsam nahmen.

Von einem „Gesamtversagen der CDU“ sprach die größte Oppositionsfraktion AfD. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Frau Keding als Ministerin am Ende dieser Kette des Versagens ihren Hut nehmen wird, erhöht sich stetig“, sagte der rechtspolitische Sprecher Mario Lehmann.

Am Dienstag muss sich Keding bei einer Sondersitzung des Landtags den Fragen der Abgeordneten stellen. Weiterhin strittig ist, ob die Gefängnisleitung die Überwachungsvorschriften für den wegen Mordes Angeklagten tatsächlich eigenmächtig heruntergesetzt hat. Laut Gefängnischef Thomas Naumann wurde das Justizministerium über diesen Schritt informiert. Die Ministeriumsspitze bestreitet das. Die Akten liegen dem Rechtsausschuss des Landtags vor. „Wir haben darin die Sicherungsverfügung als loses Blatt gefunden, ohne jedes Anschreiben. Wir wissen daher nicht, wer das Papier wirklich kannte“, sagte der CDU-Rechtspolitiker Kolze.

Der geschasste Staatssekretär Böning galt als Schützling von Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU). Bei Richtern war Böning weithin unbeliebt. Es gab Klagen über barschen Ton und Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit. (mz)