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  7. Prinzen-Konzert in Halle für Corona-Restart-Studie im Steintor-Varieté im Video

Projekt der Universitätsmedizin Mit Video: Küssen und Feiern erlaubt! Prinzen-Konzert in Halle hilft der Forschung

Mehr als 1.000 Menschen waren in Halle bei einem Konzert der Prinzen für die Wissenschaft dabei: Ein Team der Unimedizin sucht nach Wegen, um solche Veranstaltungen in künftigen Pandemien zu ermöglichen. Warum die Band um Sänger Sebastian Krumbiegel das unterstützt – und wie der Abend lief.

Von Matthias Müller Aktualisiert: 27.02.2024, 18:47
Dicht gedrängt: Die Menge im Steintor-Varieté feierte die Prinzen bei deren Auftritt. Gleichzeitig wurde anonymisiert aufgezeichnet, welche Kontakte zwischen den Besuchern vorkommen.
Dicht gedrängt: Die Menge im Steintor-Varieté feierte die Prinzen bei deren Auftritt. Gleichzeitig wurde anonymisiert aufgezeichnet, welche Kontakte zwischen den Besuchern vorkommen. Fotos: Andreas Stedtler

Halle (Saale)/MZ. - Die junge Frau in der ersten Reihe ist ein eingefleischter Fan. „Ich habe mehr als 150 Konzerte der Prinzen gesehen“, sagt Michelle, die im Steintor-Varieté in Halle bereits zwei Stunden vor Beginn an der Bühne auf ihre Idole wartet. Doch dieses Konzert ist anders. Die Leipzigerin trägt um den Hals ein Band mit einer kleinen Plastikbox, die über ihrem T-Shirt mit dem typischen Prinzen-Frosch-Aufdruck baumelt. Mit dem Gerät werden an diesem Montagabend Daten für die Wissenschaft gesammelt. „Ich bin Prinzenfan, aber der Zweck ist heute auch wichtig für mich“, betont Michelle. „Auch wir haben unter Corona gelitten, mussten zuhause bleiben – wir sind froh, dass es jetzt wieder weitergehen kann.“

Prinzen-Konzert in Halle für Restart-Studie zu Corona

Konzerte, Sportevents, Theaterabende: All das, was so selbstverständlich schien, fand in den Covid-Jahren zeitweise nicht mehr statt. Damit dies bei künftigen Pandemien mit möglichen neuen Viren anders wird, sucht das Team der Universitätsmedizin Halle um Dr. Stefan Moritz nach Lösungen.

 
Ein Konzert mit den Prinzen in Halle, das eigens für die Forschung am 26.02. stattfand: Jeder der 1.200 Besucher bekommt einen Tracker um den Hals, ein Team der Uniklinik sammelt damit Daten für eine Forschungsreihe zum Thema “Wie können Großveranstaltungen auch in Pandemie-Zeiten stattfinden. (Video: Anna Lena Giesert)

Seit 2020 analysiert der Infektiologe in der sogenannten Restart-Studie, wie sich Erreger über die Atemwege bei Veranstaltungen verbreiten – und wie man dies begrenzen kann. „Dieser Abend soll uns einen fehlenden Baustein liefern“, sagt er. „Nämlich für Großveranstaltungen, bei denen die meisten Besucher stehen.“

Sebastian Krumbiegel (links) singt mit Bandkollege Tobias Künzel.
Sebastian Krumbiegel (links) singt mit Bandkollege Tobias Künzel.
(Foto: Andreas Stedtler)

Kleine Box um den Hals für die Prinzen-Fans

Schon beim Ticketkauf hatten die Fans erfahren, dass es sich um ein Prinzen-Gastspiel im Namen der Forschung handelt – und dass sie die Box, genannt Tracer, während der gesamten Veranstaltung tragen müssen. Nun bekommen sie alle am Eingang die Hightech-Geräte – unterschiedliche Versionen für Sitz- und Stehplätze – und eine kurze Einweisung.

„Bitte um den Hals hängen, nicht in die Tasche stecken“, erklärt eine Frau vom Studien-Team einer Besucherin. Nur so sei eine korrekte Messung möglich, sagt Stefan Moritz, der im roten Restart-Pulli durch das Varieté schreitet und die Abläufe im Auge hat.

Am Eingang gab es Messgeräte für die Besucher
Am Eingang gab es Messgeräte für die Besucher
(Foto: Andreas Stedtler)

Die Prinzen in Halle: Experiment zur Kontaktverfolgung bei Live-Konzerten

„Wir wollen damit nachvollziehen, wie Menschen bei so einem Konzert miteinander in Kontakt kommen.“ Und somit auch, wo genau und wie häufig ein Infektionsrisiko mit einem Virus bestehen könnte. Am Einlass etwa, bei der Kartenkontrolle. Oder an der Garderobe, wo sich in diesem Moment hinter Moritz Menschen dicht an dicht drängen, um ihre Jacken abzugeben. Oder auch, wenn sich Menschen noch näherkommen, wie gerade ein Pärchen im Foyer:

Küssen ist an diesem Abend, anders als in einem der bekanntesten Prinzenhits, natürlich erlaubt. Es sei gewiss nicht jedermanns Sache im Kultur- und Sportbetrieb, nach der Pandemie über das ungeliebte Thema Corona zu sprechen, räumt der Unimediziner mit Blick auf seine Erfahrungen bei der Künstlersuche ein. „Doch die Prinzen haben sofort Ja gesagt.“

Prinzen-Frontmann Krumbiegel über Einschränkungen während Corona-Pandemie

Warum? „Wir alle sollten wissen, dass diese Pandemie, die wir hatten, die viele schon verdrängt haben, durchaus noch einmal passieren kann“, sagt Prinzen-Frontmann Sebastian Krumbiegel. Daher sei es wichtig, sich zu kümmern und zu wappnen. „Wenn so etwas gemacht wird, dann sind wir dabei, um die Forschung zu unterstützen.“ Er werde sich auf jeden Fall über die Ergebnisse informieren, ergänzt der Leipziger.

Wie die beteiligten Forscher hofft auch er, dass man damit im nächsten Ernstfall einiges anders machen und die Situation für die Kulturbranche dann verbessern könne. Die Corona-Zeit habe die Branche hart getroffen, auch die Prinzen, betont er. „Zweieinhalb Jahr lief gar nichts, das ist nicht gut, man vermisst die Bühne“, ergänzt Bandkollege Henri Schmidt.

Lesen Sie auch: Prinzen-Sänger Krumbiegel - Unseren Erfolg haben wir einer Frau zu verdanken

„Das hat alle kalt erwischt, und wir hatten nicht gedacht, dass es so lange dauern würde“, so Krumbiegel. „Wir können ohne Konzerte nicht leben, dann fehlt uns etwas: Adrenalin tanken, den Applaus abholen.“ Als es mit dem Kulturbetrieb endlich wieder losging, habe man diese Energie wieder gespürt, berichtet er, während er sich mit seinen Mitstreitern hinter der Bühne auf den Auftritt vorbereitet. Es tue einfach gut, wie hier in Halle für Menschen spielen zu können.

Prinzen-Konzert in Halle so gut wie ausverkauft

Die strömen mittlerweile in Scharen vor die Bühne und auf die Emporen im Steintor-Varieté. Das Konzert ist so gut wie ausverkauft. 600 Sitzplatzkarten und 700 Stehplatztickets standen zur Verfügung. „Wir haben ein volles Haus“, sagt Stefan Moritz. Und damit auch realistische Bedingungen für eine solche Veranstaltung, wie man sie für die Studienphasen während der Pandemie-Beschränkungen wie Masken und Distanz so nicht ermöglichen konnte.

Nun bilden die Menschen wieder Schlangen ohne Abstand an der Getränketheke. Auch zwei junge Männer haben sich soeben mit Bier versorgt. „Wir sind durch die Studie auf das Konzert aufmerksam geworden“, sagt Karl. Die finden sie interessant – und auch die Band mögen sie. Eine gute Kombination: „Prinzen für die Wissenschaft“, sagt Elias und lacht.

Als Studenten in Halle hatten beide einen kurzen Weg zum Konzert. Andere haben deutlich längere Strecken hinter sich. Eine Frau mit allen Prinzen-Autogrammen auf der Jeansjacke ist aus Berlin angereist. Sie mache gerne mit beim Studien-Konzert, sagt sie. Zumal der Eintritt, 15 Euro für einen Stehplatz, so günstig sei. „Da habe ich mich beim Ticketkauf gewundert.“

Michelle aus Leipzig hat schon mehr als 150 Konzerte der Prinzen gesehen.
Michelle aus Leipzig hat schon mehr als 150 Konzerte der Prinzen gesehen.
(Foto: Matthias Müller)

Sachsen-Anhalt unterstützt Restart-Projekt nach Corona-Pandemie

Solche Preise sind auch deshalb möglich, weil die Landesregierung von Sachsen-Anhalt das Restart-Projekt von Anfang an unterstützt, sagt Moritz. Hier werde weit über die Legislaturperiode hinaus gedacht. „Da muss man auch einmal eine Lanze für die Politik brechen.“

Dasselbe gelte für andere Unterstützer wie die Betreiber der Arena in Leipzig, die dortige Events ermöglicht hatten – und wie Rüdiger „Sascha“ Sachse, den Geschäftsführer des Steintor-Varietés und der Konzertagentur Känguruh Production, der mit seinen Kontakten den Auftritt der Prinzen eingefädelt hat.

„Wir machen mit, weil diese Forschung wichtig ist“, sagt er. Bei Corona habe man erlebt, wie eine Pandemie die Veranstaltungsbranche treffen kann. Nun sei es wichtig, Daten und Erkenntnisse zu sammeln, damit man es in Zukunft besser machen könne.

Alles nur geklaut und Mann im Mond im Steintor-Varieté Halle

„Es wird sicher nicht die letzte Pandemie gewesen sein“, ruft schließlich Stefan Moritz auf der Bühne ins Mikrofon. Bevor das Konzert startet, erklärt er dem Publikum kurz noch einmal den Zweck des Abends. Dann ist es so weit: Die Prinzen sind da – und haben die Menge gleich im Griff. Mehr als 30 Jahre Bandgeschichte spiegeln sich in der gut zweistündigen Show wider: Mann im Mond, Millionär, Du musst ein Schwein sein, Küssen verboten, Alles nur geklaut. Die Prinzen reihen Hit an Hit. Das Publikum singt, klatscht, tanzt, liegt sich in den Armen und fordert Zugaben, bis die Prinzen alles gegeben haben. Und die kleinen Tracer zeichnen, schwach grün blinkend, währenddessen immerzu alle Kontakte auf.

Am Ende werden die Geräte von den Besuchern am Ausgang in Behälter geworfen. Das Team um Moritz stoppt mit kleinen Sendern die Messungen, damit die Daten nicht verfälscht werden. Tags darauf wird die Sicherung und Auswertung des Datenschatzes beginnen. In einigen Wochen soll er in ein Modell einfließen, mit dem die Auswirkungen solcher Großveranstaltungen auf das Infektionsgeschehen in einer Pandemie exakt berechnet werden können.

Und, waren die Prinzen nun sozusagen der krönende Abschluss der Restart-Events? Einen Traum habe er noch, sagt Stefan Moritz. „Ein volles Stadion bei einem Fußballspiel – diese Messung würde mich auch interessieren.“