Ausbau der JVA-Standorte Halle und Volkstedt Notlösung statt „Superknast“: Wie Sachsen-Anhalt modernere Haftbedingungen schaffen will

Magdeburg/MZ - Nach dem überraschenden Scheitern des jahrelang geplanten Gefängnis-Großbaus in Halle sucht die Landesregierung neue Ansätze, die EU-weit vorgeschriebene Modernisierung der Haftbedingungen zu schaffen. Das Finanzministerium in Magdeburg prüft aktuell, ob anstelle des am Baupreis gescheiterten sogenannten Superknasts in Halle nun existierende Haftanlagen in Halle und Volkstedt im Kreis Mansfeld-Südharz ausgebaut werden können.
Nach MZ-Informationen hätte diese neue Variante nicht die Dimension des einst geplanten Großgefängnisses in Halle, dessen Bau letztlich mit rund 300 Millionen Euro zu Buche geschlagen hätte. Stattdessen wird für die Erweiterung der zwei bestehenden JVA-Standorte regierungsintern eine Modulbauweise geprüft: also Hafthäuser aus vorkonstruierten und gelieferten Fertigteilen.
Es hätte einen Vorteil, auf zügige Konstruktion zu setzen - denn die Uhr tickt für die Landesregierung. Ab dem Jahr 2025 muss das Land neue EU-Vorgaben in seinen Gefängnissen erfüllen, die es bisher nicht überall einhält: Jedem Gefangenen steht dann eine Einzelzelle zu, zudem gilt eine Zellen-Mindestgröße von neun Quadratmetern. Der ursprünglich geplante Großneubau in Halle sollte sicherstellen, dass die neuen Regeln eingehalten werden. Geplant waren bis zu 600 neue Haftplätze.
Reißleine für Großneubau kam im Mai
Doch im Mai hatte Finanzminister Michael Richter (CDU) die Reißleine gezogen und das Vergabeverfahren für den Großbau gestoppt - die explodierenden Kosten sah er für das Land nicht mehr als verantwortbar an. Es war das spektakuläre Ende einer langen Reihe aus Verzögerungen und Preissprüngen: Eigentlich sollte der Großbau schon 2018 schlüsselfertig sein, in Sachen Baukosten galten 160 Millionen als realistisch.
Der plötzliche Stopp des Bauprojekts durchkreuzte im Frühling auch Langzeitpläne des Justizministeriums: Weil langfristig mit 600 neuen Haftplätzen in Halle gerechnet wurde, schloss das Land andere Gefängnisse, etwa in Dessau. Damit nicht genug: Mit dem historischen Innenstadt-Gefängnis „Roter Ochse“ in Halle stand nach bisheriger Planung in den kommenden Jahren eine weitere Schließung im Raum. Allerdings heißt es nun im Justizministerium, aktuell gebe es „keine konkreten Planungen“ zur Schließung. Insgesamt hat Sachsen-Anhalt aktuell knapp 2.000 Haftplätze, ungefähr 1.600 sind belegt.
Kostenschätzungen vorerst unbekannt
Zu Details der neuen Pläne für das Gefängnissystem schweigen die Ministerien. Das Finanzministerium bestätigte der MZ aber, dass „baufachliche Prüfungen für den Umbau der beiden Gefängnisstandorte“ Volkstedt und Halle „Frohe Zukunft“ laufen. Das Konzept dafür sei vom Justizministerium erarbeitet worden. „Erste Ergebnisse werden aller Voraussicht nach im Frühjahr vorliegen.“ Aus dem Justizministerium heißt es, die unverzüglich eingeleitete Prüfung der Bauvorschläge werden „ausdrücklich begrüßt“. Über neue Kostenschätzungen ist bislang nichts bekannt.
Teile der Opposition im Landtag sehen die Pläne auf MZ-Anfrage kritisch. „Das ist Arbeiten nach dem Prinzip Hoffnung“, sagte Linken-Fraktionschefin Eva von Angern. „Da wird offenbar gehofft, dass die Anzahl der Gefangenen nicht wächst. Das ist eine Notlösung.“ Der Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel sagte, er erwarte im ersten Quartal 2022 ein belastbares Konzept. Häftlinge hätten ein Recht darauf, dass die neuen Haftbedingungen erfüllt werden. Sollte die Frist gerissen werden, drohe ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner warnte indes davor, zu wenig Haftplätze vorzuhalten. „Viele Haftbefehle werden gar nicht sofort vollstreckt“, kritisierte der Vertreter der Rechtsaußenpartei.