Mitmachforum Mitmachforum: Wie eine MZ-Bürgerreporterin über Nacht berühmt wurde

Halle (Saale) - Sie plaudern. Es wird gelacht. In heller Vorfreude wartet eine Wandergruppe auf Mitstreiter. Auch Christine Schwarzer steht in diesem Februar am Treffpunkt Haltestelle Junkerspark im Dessauer Neubaugebiet Zoberberg, als sie plötzlich Zeugin einer gefährlichen Mutprobe wird. Ein Jugendlicher krallt sich außen am Heck der anrollenden Straßenbahn fest, um auf der Stoßstange mitzufahren. Schnell greift Schwarzer zur Kamera.
Die 75-Jährige ist Bürgerreporterin und wollte eigentlich über die Wandertour berichten. Nun hält sie das gefährliche Unterfangen des jungen Mannes im Bild fest. Später lädt sie das Foto ins Mitmachforum der Mitteldeutschen Zeitung www.mz-buergerreporter.de hoch. „Unglaublich, aber wahr. Dieser Junge setzt sich auf das Prallelement der Straßenbahn, um schwarz mitzufahren“, schreibt die pensionierte Musiklehrerin dazu ins Online-Forum.
MZ-Bürgerreporter: Seit Oktober 2012 sind 6.900 Bürgerreporter registriert
Dieses Forum hat die Mitteldeutsche Zeitung im Oktober 2012 an den Start gebracht. Fünf Jahre schon können Hobby-Autoren hier aus ihrer Nachbarschaft berichten, eigene Texte schreiben und Bilder hochladen. 6.900 Bürgerreporter haben sich inzwischen registriert. Sie schreiben über Vereine, über Erlebnisse oder Veranstaltungen aus ihrer Nachbarschaft. Ausgewählte Beiträge werden in der Zeitung veröffentlicht.
Christine Schwarzer ist von Anfang an dabei. Mit 638 eigenen Bürgerreporter-Beiträgen hat sie in den vergangenen fünf Jahren einiges bewegt. Etliche ihrer Beiträge wurden in den Lokalausgaben in Dessau, Wittenberg und Köthen gedruckt. Dabei wollte die pensionierte Musiklehrerin damals nur etwas besser mit dem Computer umgehen können, als sie sich als Bürgerreporterin anmeldete. Seitdem hat sie viel gelernt und einiges erreicht.
Christine Schwarzer hat Stadt Dessau auf Missstand aufmerksam gemacht
Nicht nur Gefällt-mir-Angaben anderer Bürgerreporter kann sie zählen. Manchmal wird die Hobby-Autorin inzwischen sogar von Vereinen angesprochen, ob sie für einen Bericht mal vorbeikommen kann. Das macht Schwarzer gern. Mit jedem Bericht könne sie schließlich selbst viel Neues lernen. Manchmal könne sie als Bürgerreporterin „auch richtig etwas bewegen“. Im Mai dieses Jahres erst berichtete sie über meterhohes Gras in einem Garten an der Moses-Mendelssohn-Gedenkstätte in Dessau.
„Ich wunderte mich, warum die Besucher alle Kameras auf das Haus gegenüber hielten und nicht auf die Gedenkstätte selbst“, erinnert sich Schwarzer heute. Ein Zustand, über den die Bürgerreporterin gleich berichtete. „Im Fenster wurde auf einem Aushang ersichtlich, dass der Vorgarten der Stadt gehört und diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommt“, kritisierte sie damals scharf in dem Beitrag, den die Zeitung ebenfalls abdruckte. Auch die Stadtverwaltung hat die Bilder vom ungepflegten Grundstück an diesem Morgen im Blatt gesehen.
„Der Rasen wurde noch am selben Tag gemäht“, sagt die Hobbyautorin stolz, die eine ganze Mappe mit Zeitungsseiten besitzt. Seiten, auf der ihre gedruckten Texte stehen. Manches Mal spreche sie mehrere Stunden mit ihren Protagonisten, ehe sie ihre Texte schreibe. „Das kann ganz schön aufwendig werden.“ Doch so viel Zeit muss sein. Auf andere zuzugehen, das mache ihr Spaß.
MZ-Bürgerreporterin Christine Schwarzer „quetscht“ andere gern aus
Schwarzer ist auf den Geschmack gekommen. Von Unfällen, Berufen, Veranstaltungen, Schul- und Chorveranstaltungen ist zu lesen. Andere „ausquetschen“, das sei ihr Ding. So schrieb sie über einen Physiotherapeuten, einen Glasmaler oder auch Tiertrainer Jochen Träger-Krenzola, den einige noch als Dresseur des DDR-Staatszirkus’ Berolina kennen.
Viel lernen könne Schwarzer als Bürgerreporterin über die Umgebung, über die Natur, über Technik und vieles mehr. Das Bild vom Jugendlichen am Heck der Tram aber hat Christine Schwarzer als Bürgerreporterin über Nacht „regelrecht berühmt gemacht“, wie sie sagt.
Es ist ihr 475. Beitrag als MZ-Bürgerreporterin. Wie schon bei anderen Themen hat auch dieses Mal die Dessauer Zeitung den Bericht aufgegriffen und das Foto ins Blatt gehoben. Mehr als 13.000 Leser sehen das Bild von dem leichtsinnigen Jugendlichen am nächsten Morgen in der Zeitung. Das lässt sich auch das Regionalfernsehen nicht entgehen.
MDR berichtet über MZ-Bürgerreporterin
Die Bürgerreporterin sitzt noch im Nachthemd selbst über der Dessauer Ausgabe, als früh das Telefon klingelt: Der MDR will sie treffen und einen Film mit ihr drehen. Schon am Nachmittag soll der Fernsehbeitrag ausgestrahlt werden. Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Kurz darauf eilt Schwarzer zurück zur Haltestelle Junkerspark. „Mit einer riesigen Filmkamera hat das Fernsehteam schon auf mich gewartet“, erzählt sie rückblickend.
Dieses Mal ist es Schwarzer selbst, die im Mittelpunkt steht. Sogar die Straßenbahnfahrer schießen Fotos vom Filmdreh mit der Dessauerin, über die der MDR in seiner Nachmittagssendung berichtet. Die Bürgerreporterin hat Spaß daran und ist auch ein wenig stolz. Gern erzählt sie anderen von ihrem Schaffen als Bürgerreporterin.
Kommt die Enkeltochter, schauen sie zusammen den Fernsehbeitrag noch einmal an. Wie in vielen anderen Familien auch haben Schwarzers Kinder Arbeit in anderen Städten gefunden und kommen nur an Wochenenden in die Heimat. Sohn Michael lebt in Staßfurt. Er ist ebenfalls Bürgerreporter und berichtet über Zuchterfolge seiner südländischen Früchte im Garten.
MZ-Bürgerreporter helfen sich untereinander
Gartenarbeit. Das steht dienstags und freitags auch auf dem Wochenprogramm von Christine Schwarzer. Hinzu kommen Chorproben, Rehasport, Saunagänge und Schwimmen. Nun auch das Schreiben als Bürgerreporterin. Auch in Sachen Fotografie ist die Dessauerin ehrgeizig.
Den kleinen Fotoapparat für die Hosentasche hat sie durch eine professionellere Kamera ersetzt. Damit hakt es manchmal. Dann ruft die Dessauerin in Merseburg bei Lothar Teschner an, der ebenfalls Bürgerreporter ist und sich mit der Technik auskennt. Im Online-Forum können sich die Hobbyautoren vernetzen und Nachrichten schicken. Freundschaften sind schon entstanden, ebenso wie Hilfsgruppen und Interessengemeinschaften. So hat Schwarzer Teschner als Ratgeber gefunden.
Bei MZ-Bürgerreporter kann jeder eintragen, wo etwas in der Nachbarschaft los ist
Im Online-Forum kann jeder auch eintragen, wo etwas in der Nachbarschaft los ist. Ronny Krimm ist einer der Bürgerreporter, die vor allem über Geschehnisse des eigenen Vereins berichten. Seit 1999 ist er Vorsitzender im Heimatverein Mösthinsdorf, einem Ort in der Gemeinde Petersberg bei Halle.
Eins weiß der 37-Jährige genau: Damit Gäste in sein kleines Dorf kommen, müssen sie wissen, was los ist. Er erkennt das Potenzial, Leser über die Kreisgrenzen hinaus zu erreicht sofort und meldet sich noch vor dem offiziellen Start als Bürgerreporter an.
Das MZ-Mitmachforum ist für Krimm ein großer Segen. Über Veranstaltungen, Vorstandswahlen und mehr schreibt er seit fünf Jahren aus „seinem Mösthinsdorf“. Es hat sich gelohnt. Krimms Veranstaltungen haben dem Verein so viel Geld eingebracht, dass nun ein neues Veranstaltungshaus im Dorf gebaut werden soll. Auch darüber wird Krimm im Online-Forum berichten, damit weiterhin viele Gäste nach Mösthindsdorf kommen.
MZ-Bürgerreporter: Jeder kann mitmachen
Wie werde ich Bürgerreporter ?
Kathleen Bendick:Jeder, der möchte, kann Bürgerreporter werden. Mitmachen ist einfach. Sie brauchen nur eine gültige E-Mail-Adresse. Rufen Sie die Internetseite www.mz-buergerreporter.de auf und klicken Sie auf dem oberen rechten Bildschirmrand auf „Jetzt anmelden“. Geben Sie Ihren Namen und die gültige E-Mail-Adresse ein. Wählen Sie außerdem ein sicheres Passwort. Sie erhalten einen Link zur Bestätigung per E-Mail. Haben Sie bestätigt, können Sie sich einloggen und sofort loslegen.
Worüber darf ich schreiben?
Jeder Bürgerreporter kann selbst entscheiden, worüber er berichten möchte. Das können Spielberichte aus den Sportvereinen ebenso sein wie Texte über die neuesten Ereignisse aus dem Dorf. Wir setzen keine Grenzen. Lediglich Werbung ist nicht gestattet.
Wie schreibe ich einen Text?
Hat der Log-In funktioniert, klicken Sie am oberen Bildschirmrand auf „Beitrag erstellen“. Hier können Sie wählen, ob Sie einen Text schreiben oder einen Schnappschuss hochladen wollen.
Wer liest meine Texte?
Jeder, der die Bürgerreporter im Internet aufruft, kann die Texte lesen. Ausgewählte Beiträge veröffentlicht die Mitteldeutsche Zeitung in ihren Lokalausgaben und erreicht damit weitere Leser.
Wo finde ich Hilfe?
Bei Fragen und Problemen wenden Sie sich an die Redaktion per E-Mail: [email protected].
MZ-Redakteurin Kathleen Bendick betreut die MZ-Bürgerreporter. Viele von Ihnen hat sie auf Veranstaltungen und Schulungen schon persönlich kennengelernt. (mz)
