Müllskandal Lothar Finzelberg: Haftstrafe für Ex-Landrat aus Sachsen-Anhalt

Magdeburg - Zum ersten Mal hat in Sachsen-Anhalt ein früherer Landrat eine Gefängnisstrafe erhalten. Das Landgericht Magdeburg verurteilte am Freitag den einstigen Chef des Landkreises Jerichower Land, Lothar Finzelberg (parteilos), wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis. Drei Monate davon werden wegen des sehr langen Verfahrens erlassen.
Bestraft wird Finzelberg für seine Beteiligung am Müllskandal, der vor neun Jahren bundesweit Schlagzeilen machte. Der 63-Jährige hat nach Überzeugung des Gerichts für Gegenleistungen Einfluss auf Genehmigungen genommen. Finzelberg kündigte auf Nachfrage der MZ Revision beim Bundesgerichtshof an. Die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht festlegen, ob sie das Urteil akzeptiert.
Im Prozess ging es um Müllablagerungen in den Tongruben Vehlitz und Möckern. Seit 2008 steht der Vorwurf im Raum, dass die Betreiber dort unerlaubt Müll verfüllt haben. Der damalige Landrat hat laut Urteilsbegründung geldwerte Leistungen in Höhe von 55 740 Euro entgegengenommen, vor allem durch die Überlassung von Autos. Im Gegenzug habe Finzelberg Verwaltungsverfahren manipuliert. „Der Angeklagte hat sich nicht nur eingemischt, er hat gelenkt“, sagte der Vorsitzende Richter der Wirtschaftsstrafkammer, Gerhard Köneke.
Die Anklage ging sogar von einer Bestechungssumme von 250.000 Euro aus. Das habe sich indes nicht belegen lassen, sagte Köneke in seiner Urteilsbegründung. Sowohl der Kronzeuge als auch der frühere Landrat hätten bei Aussagen gelogen. Für die Überlassung von Autos habe es aber objektive Beweise gegeben, etwa Videoaufnahmen und überwachte Telefonate.
Finzelbergs Verteidigung hatte noch vor den Plädoyers vergeblich versucht, das Verfahren auszusetzen. Eine Entscheidung dürfe erst dann fallen, wenn das Finanzgericht des Landes den behaupteten Steuerschaden genau beziffert habe, forderte Rechtsanwalt Arnd Merschky. Dieses Verfahren beim Finanzgericht in Dessau-Roßlau ist seit drei Jahren anhängig, ein Ende ist nicht absehbar. Das Gericht lehnte den Antrag ab, da sämtliche nötigen Beweise vorlägen.
Die Staatsanwaltschaft sah vier Jahre und neun Monate Haft angezeigt, acht Wochen mehr als bei ihrem Plädoyer im März. Damals gab es den ersten Versuch, den Prozess abzuschließen. Der Angeklagte habe noch danach einen Zeugen zu Falschaussagen angestiftet und somit „Rechtsfeindlichkeit und Uneinsichtigkeit“ bewiesen, sagte Oberstaatsanwältin Verena Borstel.
Die Verteidigung hingegen beantragte Freispruch. Alle Vorwürfe seien widerlegt, argumentierte das dreiköpfige Anwaltsteam von Finzelberg. „Wozu nimmt man denn Schwarzgeld? Für Reisen und anderen Luxus – aber dafür haben Sie überhaupt keine Beweise“, sagte Rechtsanwalt Axel Kaufmann.
Der Verurteilte nannte das Verfahren in seinem Schlusswort einen Versuch, beim Müllskandal von den Fehlern anderer abzulenken. Die öffentlich inszenierte Hausdurchsuchung zu Beginn der Affäre sei ein Indiz, „dass man meine physische Vernichtung billigend in Kauf genommen hätte“. Er verwies auf einen Kommunalpolitiker, der sich nach falschen Beschuldigungen das Leben genommen hat. (mz)