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Lehrer gesucht Lehrer dringend gesucht: Uni in Halle soll mehr Nachwuchs ausbilden

Von Walter Zöller 27.02.2018, 07:00
Sachsen-Anhalt braucht mehr Lehrer, um den Unterricht abzusichern.
Sachsen-Anhalt braucht mehr Lehrer, um den Unterricht abzusichern. dpa

Halle (Saale) - Mehr Lehrer braucht das Land. Doch woher sollen die Pädagogen kommen, um den Notstand in Sachsen-Anhalt zu beheben? Nicht zuletzt von der Martin-Luther-Universität Halle, die nach dem Willen des Landes die Ausbildungskapazität für das Lehramt schnell ausbauen muss.

Das ist eine Mammutaufgabe, wie vor Kurzen in einer Diskussion im Löwengebäude der Uni deutlich wurde. Die MZ beantwortet die wichtigsten Fragen, die in der Debatte angesprochen wurden.

Wie stellt sich die Ausgangslage dar?

Die ist dramatisch. Viele Lehrer gehen bald in Rente. Im Jahr 2030 werden nach Angaben vom Bildungsminister Marco Tullner (CDU) nur doch 37 Prozent der heutigen Pädagogen im Dienst sein. Eine Expertengruppe hat vor einem Monat ermittelt, dass jährlich rund 700 neue Lehrer eingestellt werden müssten, um die Lücken im Lehrerkollegium zu schließen.

Davon ist Sachsen-Anhalt weit entfernt. Hinzu kommt, dass es bei der Lehrerversorgung in einigen Fächern besonders schlimm aussieht - etwa in Deutsch und in Naturwissenschaften. „Das bereitet mir zusätzliche Sorge“, so Tullner.

Was bedeutet das für Schüler und Lehrer?

Die Liste der Beschwerden ist lang. Immer wieder fällt Unterricht aus, einige Fächer können monatelang nicht angeboten werden, viele Lehrer leiden unter Stress oder sind krank. Christin Engel, Studentin im Lehramt Grundschulen und Mutter von zwei Kindern, berichtete auf dem Podium von ihren Erfahrungen.

In der Schule ihrer Kinder gebe es in einigen Klassen seit eineinhalb Jahren keinen Religionsunterricht. Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen Anhalt: „An den Schulen brennt es, wir haben keine Reserven mehr.“

Wie konnte es überhaupt soweit kommen?

Das Dilemma war absehbar - doch statt rechtzeitig gegenzusteuern, tat die Landesregierung lange Zeit nichts. „Die Staatsdoktrin lautete bis März 2016: Sparen“, erklärt Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) im Löwengebäude. Das sei damals „keine sehr glückliche Politik“ gewesen.

Man habe vielen frisch ausgebildeten Lehrern keine Perspektive geboten und trotz des Bedarfs über Jahre nicht genug Pädagogen eingestellt. Bis Anfang 2016 regierten CDU und SPD unter Reiner Haseloff (CDU), den Sparkurs setzte Finanzminister Jens Bullerjahn um, im Kultusministerium hatte Stephan Dorgerloh (beide SPD) das Sagen.

Wie kann der Lehrermangel beseitigt werden?

Ein Schlüssel ist die zusätzliche Ausbildung von Lehrern. Strittig ist allerdings, wie viele Erstsemester sich pro Jahr einschreiben dürfen. Die Expertengruppe geht von rund 1.200 aus, die GEW fordert sogar 1.400.

Willingmann hält eine Kapazität von jährlich 1.000 Erstsemester - 800 an der Uni Halle, 200 an der Uni Magdeburg - für ausreichend. Derzeit können sich jährlich rund 700 Lehramts-Erstsemester in Halle einschreiben, nachdem die Zahl bereits 2017 um 150 aufgestockt wurde.

Lässt sich der Lehrermangel so sofort beheben?

Nein. Die Lehramtsausbildung dauert mindestens fünf Jahre. In der Übergangszeit müssen Lehrer aus anderen Bundesländern für Sachsen-Anhalt begeistert werden. Außerdem sollen Seiteneinsteiger nach einer Kurzausbildung Unterricht erteilen.

Wie kommen die unterschiedlichen Zahlen überhaupt zustande?

Für die GEW-Vorsitzende Gerth sind die neuen Prognosen zu niedrig angesetzt. Sie fordert Mut zu großen Lösungen - also 1 400 Erstsemester. „Das ist mit mir nicht zu machen“, hält Willingmann dagegen. Er warnt vor Zahlen, die nicht durch Fakten untersetzt seien.

Wichtig sei, dass man den Lehramtsstudenten später eine Referendar- und Lehrerstelle anbieten kann. Das müsse die Landesregierung garantieren. Dann werde auch die Zahl der Studierenden steigen, die ihr Studium in Halle beenden. Bislang sind dies etwa 60 Prozent, Willingmann geht in Zukunft von 70 Prozent aus. Und dann reichten 1.000 Plätze.

Was kostet die zusätzliche Lehrerausbildung?

Derzeit wird für die Uni Halle mit rund fünf Millionen Euro jährlich gerechnet - die vom Land zusätzlich finanziert werden müssen.

Hat die Universität überhaupt genug Kapazitäten?

„Die Lehramtsausbildung in Halle hat eine glanzvolle Tradition“, sagt Thomas Bremer, Direktor des Zentrums für Lehrerausbildung während der Debatte. „Die Leute kommen her, weil die Universität einen sehr guten Ruf hat und die Lebensumstände in Halle gut sind“, ist sich Studentin Christin Engel sicher.

Zwei Wertungen, die unter den Zuhörern im Löwengebäude auf Zustimmung stießen. Gleichzeitig macht sich Sorge breit, dass die Qualität der Lehramtsausbildung unter der steigenden Belastung leidet. Die Situation ist schon heute schwierig, sagt Nico Elste vom Germanistischen Institut.

So müsse er mit zwei Vollzeit angestellten Kräften und einer Halbtagskraft 800 Studierende betreuen. „Viele Kommilitonen können schon jetzt nicht alle Seminare belegen“, sagt Christin Engel. Dadurch ziehe sich das Studium unnötig in die Länge.

Welche Hürden müssen jetzt genommen werden?

Da gibt es einige: So fehlt es an Platz. „Wir haben schon jetzt massive Probleme mit den Räumen“, sagt während der Diskussion Georg Maas, Dekan der Philosophischen Fakultät II. „Wir wissen nicht, wo wir die Mitarbeiter unterbringen sollen.“

Es müssten weitere Räume angemietet werden, gefordert sei das Finanzministerium. Und für die Lehramtsausbildung wird mehr Personal benötigt - dazu zählen auch unbefristete Stellen. Die Frage ist nur: wie viele? Was passiert, wenn in zehn oder 15 Jahren nicht mehr so viele Lehramtsstudenten ausgebildet werden müssen?

Gibt es dann zu viele unkündbare Dozenten? Oder ist das Problem keines, weil diese Dozenten die Aufgaben von denen übernehmen, die dann in den Ruhestand gehen?

Wie geht es in den nächsten Wochen weiter?

Es muss vor allem schnell gehen. Die Landesregierung muss der Uni Halle verbindlich mitteilen, wie viele Studenten ausgebildet werden sollen und wie viel Geld zur Verfügung steht. Im April muss der Hochschul-Senat dann die Weichen stellen, damit die Lehramtsstudenten im Wintersemester auch aufgenommen werden können. (mz)