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Kommentar Hagen Eichler Kommentar Hagen Eichler: Eine E-Mail ohne Anstand

11.06.2019, 05:00

Das Land wirbt freien Schulen keine Lehrer ab - das hat Sachsen-Anhalts Bildungsministerium mehr als einmal beteuert. Genau das ist aber doch passiert, und zwar nachweislich. Dass in der verantwortlichen Behörde jeder Mitarbeiter alles abstreitet, ändert daran nichts. Eine Werbe-E-Mail für den staatlichen Schuldienst schreibt sich nicht von allein.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Bildungsminister Marco Tullner den dreisten Coup persönlich angeordnet oder auch nur gebilligt hat. Aber er hat es versäumt, in jeder Amtsstube eines unmissverständlich klarzumachen: Eigene Lücken zulasten Dritter zu stopfen gehört sich nicht. Die Länder untereinander haben diesen Konsens seit langem: Jeder darf für die großartigen Arbeitsbedingungen in den eigenen Schulen werben, für Ostsee-Nähe oder für Großstadt-Flair. Das direkte Ansprechen anderswo beschäftigter Lehrer aber ist tabu. Genau das Gleiche muss selbstverständlich auch für Privatschulen gelten.

Die sind ohnehin die schwächsten Glieder der Kette. Sie haben meist weniger Geld, müssen das durch das Engagement von Eltern und einen größeren Freiraum ausgleichen. Privatschulen können auch keinen Beamtenstatus bieten. Vor allem aber dürfen sie nicht selber ausbilden. Der Staat betreibt die Hochschulen, er müsste auch so viele Studienanfänger aufnehmen, dass am Ende alle Schulen ausreichend Lehrer finden.

Würden auf dem Lehrer-Arbeitsmarkt die Regeln des Anstands nicht mehr gelten, käme es zu einem irrwitzigen Wettkampf aller gegen alle. Viel Geld und Energie flösse in Anwerbeversuche, wenig bliebe für das, was wirklich zählt: das Aufstocken der Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen und eine gute Ausbildung.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]