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Klimawandel in Sachsen-Anhalt Klimawandel in Sachsen-Anhalt: Wie die Ministerin den Wald schützen will

04.07.2016, 18:17
Ihr Ziel heißt Ökolandbau: Claudia Dalbert.
Ihr Ziel heißt Ökolandbau: Claudia Dalbert. Ottersbach

Magdeburg - Am Anfang war die Wut, nun soll sie die Bauern retten: Claudia Dalbert (Bündnis 90/Grüne) ist die neue Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft und Energie. Über den schweren Start und ihre großen Pläne sprach sie mit MZ-Chefredakteur Hartmut Augustin, Christian Schafmeister und Jan Schumann.

Frau Ministerin, auf dem vorläufigen Höhepunkt Ihrer Karriere starten Sie mit kämpferischer Kurzhaarfrisur. Was wollen Sie uns sagen?

Claudia Dalbert: Überhaupt nichts, das hat sich eher zufällig ergeben. Ich war ein paar Tage mit einer Freundin weg und wir sprachen übers Haare abschneiden. Ich habe darüber geschlafen und der Gedanke gefiel mir. Bis Anfang-Mitte 30 hatte ich ja schon einmal kurze Haare. Jedenfalls ist das keine Kampfansage, dafür bräuchte ich keine neue Frisur.

Während der Koalitionsverhandlungen schlug Ihnen viel Wut entgegen von Landwirten und Waldbesitzern. Ihre Reaktion: Sie bissen die Zähne zusammen und machten eine Menge Antrittsbesuche. Welchen Modus haben Sie mit den Kritikern gefunden?

Dalbert: Mittlerweile ist es ein guter Arbeitsmodus, etwa mit dem Bauernverband und dem Bauernbund. Die wissen ja auch, dass ich die Ministerin bin und sie einen Weg mit mir finden müssen. Viele wussten gar nicht, wogegen da überhaupt demonstriert wurde. Ging es wirklich gegen die Dalbert oder eher darum, dass die CDU nicht die Landwirtschaft abgeben sollte? Die meisten kannten mich zu diesem Zeitpunkt ja gar nicht. Aber das ist Vergangenheit. Klar ist: Es gibt hochproblematische Entwicklungen, in denen die Bauern im Land Unterstützung brauchen.

Viele Milchbauern bangen um ihre Existenz. Was können Sie tun?

Dalbert: Im Grunde zwei Dinge. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir die ökologisch bewirtschaftete Fläche von fünf auf 20 Prozent vergrößern werden. Im Rahmen der Milchkrise gibt es derzeit einige Bauern, die auf Biomilch umsteigen wollen, weil sie dafür bessere Preise erzielen können. Das unterstützen wir. Wir haben die Prämien für Ökolandbau erhöht und zahlen eine Umstiegsprämie. Zudem werden wir als Land die regionalen Produkte stärken. Alle Konsumstudien zeigen, dass die Leute bereit sind, mehr für Regionalprodukte zu zahlen – vor allem, wenn sie sehen, dass es den Bauern vor Ort zugutekommt.

Glauben Sie, dass die Wertschätzung für Regionalprodukte schnell genug wachsen kann? Ist das nicht eher ein langwieriger Prozess, in dem erstmal noch einige Betriebe über die Klinge springen werden?

Dalbert: Das ist ja leider ein Fakt, zehn Prozent aller milcherzeugenden Betriebe in Sachsen-Anhalt haben dichtgemacht. An der Zahl ist aber interessant, dass es kaum weniger Kühe gibt. Heißt: Es gibt eine Marktveränderung, kleine Betriebe geben auf. Dieser Prozess wird zunächst weitergehen. Die andere Seite ist ein Dorf, in dem die Milch vom Nachbarbauern für 1,80 Euro gekauft wird. Das zeigt, es gibt einen Markt - aber nicht immer die Produkte, die die Nachfrage befriedigen. Wir brauchen mehr Spezialitäten. Ich sehe die Rettung hingegen nicht in der Massenproduktion und auch nicht im Export.

Sachsen-Anhalt steht in puncto Einkommen vergleichsweise schlecht da. Passt das mit der Forderung nach höheren Kosten für die Verbraucher zusammen?

Dalbert: Das unstrittige Ziel sind ja bessere Preise. Und der Markt ist da. In Sachsen-Anhalt ist der Absatz von Bioprodukten höher als die Produktion. Da gibt es Nachholbedarf. Die Frage ist, wie sich der Markt künftig entwickeln soll. Wir werden ein Leitbild Landwirtschaft 2030 entwickeln – zusammen mit den Agrarmarkt-Vertretern und der Wissenschaft.

Auch die Viehzüchter im Land fürchteten um ihre Zukunft. Werden Sie eine neue Strenge einführen?

Dalbert: Wir wollen den langfristigen Ausstieg aus der Massentierhaltung. Und ich glaube, den wollen auch die Tierhaltungsbetriebe, wir sehen das als gemeinsames Projekt. Wenn Sie mit Strenge unangekündigte Kontrollen meinen, dann sage ich: ja. Aber es geht auch nicht um eine Romantisierung der Tierhaltung. Neue Regeln werden wir mit den Landwirten zusammen erarbeiten.

Seit fast 20 Jahren regiert mit Ihnen erstmals wieder eine Naturschutzpartei in Sachsen-Anhalt mit. Gibt es Nachholbedarf?

Dalbert: Eine Riesenbaustelle ist die Ausweisung der FFH-Gebiete, also der Schutzgebiete für bestimmt Tier- und Pflanzenarten. Diese hätte laut EU vor zehn Jahren fertig sein sollen, Sachsen-Anhalt hängt jedoch wie andere Länder auch mordsmäßig hinterher. Der Naturschutz wurde in den vergangenen Jahren nicht an erste Stelle gestellt.

Sie sprechen von einer Riesenbaustelle. Um was hat sich eigentlich Ihr Vorgänger gekümmert?

Dalbert: Weiß ich nicht. Vor allem Landwirtschaft. Wir müssen uns in Zukunft auch dringend um die Gewässerqualität kümmern. Nur fünf Prozent unserer Oberflächengewässer haben eine sehr gute Qualität. In den Schubladen der Behörden liegen 40 gute Pläne, mit denen man an verschiedenen Stellen im Land an die Gewässerqualität rangehen kann. Die liegen dort seit Jahren.

Die FFH-Gebiete klingen in den Ohren der Öffentlichkeit nach einer sperrigen Angelegenheit. Wie wollen Sie diese Projekte nach außen verkaufen? Mit einer großen Marketingkampagne?

Dalbert: Erst müssen wir an die Probleme ran, dann kommt das verkaufen. Ohne Frage müssen wir künftig wieder vermitteln, warum Artenschutz wichtig ist. Die Natur ist ein komplexer Bauplan, alles hängt mit allem zusammen. Und wir wissen nicht, was passiert, wenn ein Bauteil rausbricht. Wir tun gut daran, den Bauplan zu erhalten.

Die Grünen stehen auch für 100 Prozent regenerative Energien. Wie schnell wird die Energiewende vorangehen? Es stehen ungelöste Fragen im Raum – es fehlt etwa an Speicherkapazitäten für Strom.

Dalbert: Innerhalb der Koalition ist ja geklärt, dass es keine neuen Braunkohletagebaue mehr in Sachsen-Anhalt geben wird. Das Entscheidende ist nun, dass im Land ein Strukturwandel passiert. Der kommt nicht zufällig. Etwa bis 2030, also in den nächsten 15 Jahren, müssen wir dafür sorgen, dass es im Burgenlandkreis – dort, wo heute die Mibrag noch Kohle abbaut - neue Jobs gibt. Es geht da etwa um 2 000 Plätze, hinzukommen 1 000 weitere, die indirekt an der Branche hängen. Mit Blick auf die fehlenden Speicherkapazitäten hat das Land die Möglichkeit, technische Versuche zu unterstützen. Ich setze große Hoffnung in das Power-to-Gas-Verfahren, also die Umwandlung von elektrischem Strom zu Brenngas. Aber das ist im Augenblick noch nicht effizient.

Wie wollen Sie tausende alternative Jobs anstelle der Bergbauindustrie schaffen?

Dalbert: Wie wir das lösen werden, ist die spannende Frage. Ich bin nicht der Zauberer von OZ, ich weiß es heute noch nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir uns ganz genau Beispiele aus Gegenden angucken, die den Strukturwandel bereits hinter sich haben. Wie haben die das gemacht, welche Ideen hatten die? An welchen Merkmalen haben die sich orientiert?

Wie stark  die Landschaft Sachsen-Anhalts im Wandel ist, zeigt auch der neue  Erdrutsch in Nachterstedt. Die touristische Nutzung des Concordia-Sees rückt wieder in die Ferne.
Dalbert: Ja, die Zeitpläne sind durcheinander. Die gute Nachricht ist, dass der Teil des Damms, der bis heute befestigt wurde, gehalten hat. Die wichtige Entscheidung lag im Jahr 2009, als man gesagt hat, man hält an der touristischen Nutzung fest. Im Moment sagen wir: So bleibt es auch. Doch die Analysen zum Erdrutsch sind noch nicht abgeschlossen.

Der Zeitpunkt, um zu sagen: „Jetzt ist Schluss für den Tourismus!“ ist also noch nicht gekommen?
Dalbert: Das wäre 2009 gewesen.

Nach sieben Jahren Arbeit kann man nicht einfach  aufhören?

Dalbert: Die anderen Uferbereiche werden ja weiter befestigt, da ist ja nichts passiert. Und im Augenblick haben wir auch keine Hinweise darauf, dass da etwas passieren würde. Im Gegenteil: Wir sehen an den Fotos von der Abbruchkante, dass die befestigten Teile gehalten haben. Diese Idee, die da verfolgt wird, ist also keine falsche. (mz)