Berateraffäre ISW Affäre: Teure Aufträge ausgedacht um Institut in Halle zu fördern?

Halle (Saale) - Egal, was die Landesregierung vorhat – sie weiß, wo sie sich Unterstützung kaufen kann. Das Ministerium für Justiz und Gleichstellung möchte Frauen in technischen Berufen fördern? Die Beratungsfirma ISW in Halle schreibt für 390.000 Euro das Konzept. Das Sozialministerium braucht Ideen zur Förderung junger Flüchtlinge? Das ISW liefert da etwas, für 670.000 Euro. Das Wirtschaftsministerium hätte gern eine Broschüre zur Energiebilanz, Auflage 250 Exemplare? Auch hier hilft das ISW weiter, 26.000 Euro sind dafür fällig.
Und so geht es munter weiter, quer durch die Ressorts. Jetzt gibt es eine neue Auflistung aller Zahlungen an das ISW. Ihr zufolge haben Sachsen-Anhalts Landesregierungen seit 2011 rund 21 Millionen Euro überwiesen.
Nach den Zahlen gefragt hat der Landtagsabgeordnete Matthias Büttner (AfD). Er sitzt im Untersuchungsausschuss des Landtages, der sich mit dem ISW beschäftigt. Die Abgeordneten suchen nach unzulässigen Verflechtungen zwischen Politik und Geschäftsinteressen. Insbesondere der frühere Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) steht im Fokus.
Zu den Geschäftsführern des ISW gehört Michael Schädlich, Präsident des HFC und ein Freund Bullerjahns.
Insgesamt 19,2 Millionen Euro zahlte das Land seit 2011 für Beratungsleistungen an das ISW, das in zwei Firmen aufgeteilt ist.
Das ISW Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung hat den Status einer gemeinnützigen GmbH, daneben tritt die ISW Gesellschaft für wissenschaftlich Beratung und Dienstleistungen. Die Aufträge der Landesregierung wurden direkt aus den Ministerien erteilt oder über die landeseigene Investitionsbank (IB) Sachsen-Anhalt. Ein zusätzlicher Betrag von 1,6 Millionen Euro floss in Form von Förderungen und Zuschüssen an das ISW.
ISW Halle: Teure Berateraufträge von Sachsen-Anhalts Landesregierung
Den teuersten Beratungsauftrag hatte der damalige Finanzminister Bullerjahn 2014 über die Investitionsbank eingefädelt. Der Landtag bekam das Geschäft, für das letztlich 4,5 Millionen Euro flossen, nicht zu Gesicht. Das löste die Berateraffäre aus, in deren Folge Bullerjahns einstiger Staatssekretär, der spätere Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD), zurücktreten musste.
Die mit Abstand meisten Aufträge wurden in der schwarz-roten Landesregierung von 2011 bis 2016 von SPD-geführten Ministerien vergeben. Besonders viel Geld zahlte das Sozialministerium unter Norbert Bischoff (SPD).
Auch die jetzige schwarz-rot-grüne Landesregierung nutzt das ISW. Das Finanzministerium unter André Schröder (CDU) lässt aktuell für 1,4 Millionen Euro die Verwendung der EU-Fördermittel für den ländlichen Raum untersuchen. Dieser Auftrag wurde öffentlich ausgeschrieben. In den meisten Fällen war das jedoch nicht so: Von den 44 Aufträgen seit 2011 gingen 34 direkt an das hallesche Institut.
Gleichzeitig hat das ISW an SPD und CDU gespendet. Die Sozialdemokraten bekamen rund 16 000 Euro, vor allem die Heimatverbände von Bullerjahn und Felgner wurden bedacht. Die CDU kassierte 3 000 Euro. Das ISW hat nach Bekanntwerden der Zahlen beteuert, zwischen den Parteispenden und den öffentlichen Aufträgen gebe es keinen Zusammenhang.
Zu den neuen Zahlen wollt sich Schädlich am Sonntag nicht äußern. Bullerjahn war für die MZ nicht zu erreichen.
Ralf Seibicke vom Bund der Steuerzahler sieht eine „immer dichtere Kette von Belegen“, dass das ISW eine zentrale Rolle beim Agieren von Bullerjahn spielte. „Der Verdacht liegt nahe, dass es diesen Zusammenhang zwischen der Vergabe öffentlicher Gelder und den Spenden sehr wohl gab“, sagt Seibicke.
Dass sich das Land für die Bewertung komplexer EU-Förderprogramme Sachverstand einkaufe, sei nachvollziehbar. „Aber einige Aufträge sehen so aus, als hätte man sich die ausgedacht, um das ISW zu fördern.“
Stutzig macht den Steuerzahlerbund die Aufteilung des ISW in zwei getrennte Firmen, von denen eine gemeinnützig und damit steuerlich bevorteilt ist. „Man kann kein Muster erkennen, warum mal die eine und mal die andere Firma beauftragt wurde“, sagt Seibicke. (mz)