Zu wenig Kinder Immer mehr freie Kita-Plätze in Sachsen-Anhalt
Der Geburtenknick in Sachsen-Anhalt führt zu einem Überangebot an Plätzen. Personal wird bereits reduziert. Wo im Bundesland die Lücken schon größer werden.

Halle/MZ. - Jahrelang war es für Eltern vor allem in größeren Städten schwierig, einen Kita-Platz zu finden. Nun wandelt sich die Lage: Durch den Geburtenknick gibt es aktuell ein Überangebot. In vielen Einrichtungen werden weniger Kinder betreut. „Das betrifft besonders ländliche Regionen mit deutlichem Rückgang der Anmeldezahlen“, sagt Carsten Sievers, Gewerkschaftssekretär für Jugendhilfe und Sozialarbeit bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW).
„Es wird bereits Personal in der Stundenzahl reduziert.“ Dies sei vereinzelt etwa im Salzlandkreis und Mansfeld-Südharz der Fall.
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Laut Statistischem Landesamt wurden am 1. März 154.220 Kinder in Kita, Tagespflege und Hort betreut, 405 weniger als im Vorjahr. Der Rückgang zeigt sich vor allem in den Krippen: Die Zahl der Kinder sank um 1.600 auf 27.049, im Vergleich zu 2019 sind es rund 4.400 weniger. Auch der Zuzug durch Ukraine-Flüchtlinge kompensierte den Rückgang nicht. Im Kindergarten werden im Vergleich zu 2022 rund 1.060 Kinder weniger betreut, in den Horten gab es dagegen einen Anstieg um 2.200 Betreute. „Mit Blick auf die Geburtenzahlen ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, so dass der Bedarf an Plätzen zurückgehen wird“, schätzt Landessozialministerium. Zudem werde in den nächsten 15 Jahren etwa 35 Prozent des Gesamtpersonals in Rente gehen.
Fachkräfte sind zunehmend überlastet und frustriert. Mit dem Personalschlüssel kann der Bildungs- und Erziehungsauftrag kaum erfüllt werden.
Anna Manser, Geschäftsführerin der Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH
Die Stadt Magdeburg bestätigt „viele freie Betreuungsplätze“. Zahlen werden nicht genannt. Die „Arbeitszeiten einzelner Fachkräfte wurden reduziert oder müssen reduziert werden“. Grund seien Landesvorgaben: Im Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt ist ein Mindestbetreuungsschlüssel festgelegt.
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Auch in Halle ist die Zahl der Krippenkinder gesunken, sagt Sprecher Drago Bock. Dies werde durch mehr Kindergartenkinder kompensiert. Von 5.100 Plätzen in städtischen Kitas 71 nicht belegt. Zudem würden Kindertagespflegestätten schließen. Im Salzlandkreis zeigt sich der Trend deutlicher. In Staßfurt sind Kindergärten zu 80 Prozent belegt (Krippe: 66 Prozent), in Könnern zu 78 Prozent (61 Prozent), in Hecklingen zu 75 Prozent (60 Prozent). „Flexibles Stundenvolumen“ des Personals werde bei Bedarf angepasst.
Die GEW fordert mit Blick auf sinkende Auslastung, Fachkräfte für eine bessere Betreuung mindestens zu halten. Laut Bertelsmann Stiftung ist der Personalschlüssel in Sachsen-Anhalt einer der schlechtesten bundesweit, 2022 kamen auf eine Erzieherin im Kindergarten 10,4 Kinder – im Westen sind es 7,7. „Dokumentation und Vorbereitungszeit eingerechnet, sind es sogar 1:12“, sagt Anna Manser, Geschäftsführerin der Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH, Träger von sechs Kitas und drei Horten in Halle. „Fachkräfte sind zunehmend überlastet und frustriert. Mit dem Personalschlüssel kann der Bildungs- und Erziehungsauftrag kaum erfüllt werden.“ Dabei sei die Kita wesentlicher Grundstein für Chancengleichheit. „Gute Bildungsangebote brauchen Zeit für Vor- und Nachbereitung“, so Sievers. „Die Kifög-Vorgaben kalkulieren dies nicht ein, ebenso wenig Fort- und Weiterbildung, Ausfallzeiten.“
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Einen flächendeckend höheren Personalschlüssel lehnt das Sozialministerium mit Verweis auf den Fachkräftemangel ab. Durch nicht besetzte Stellen könnten Betriebserlaubnisse erlöschen. Stattdessen sollen Kitas mit „besonderen pädagogischen Herausforderungen“ – etwa in sozial benachteiligten Gebieten – unterstützt werden. Fast 400 zusätzliche Stellen würden gefördert, darunter 240 Sprachfachkräfte. Über ein EU-Programm sollen 200 hinzukommen. Zudem helfe das Land bei der Personalgewinnung: durch Schulgeldfreiheit und Vergütung der praxisintegrierten Ausbildung. Es sollen auch mehr Quereinsteiger gewonnen werden.