Immer mehr Fälle Hohe Infektionszahlen unter Kindern - schließt Sachsen-Anhalt wieder Schulen?
Weil es für Jüngere keine Impfung gibt, steigt die Inzidenz stark an. Schwere Erkrankungen sind sehr selten - die Landesregierung fürchtet aber Folgen für Erwachsene.

Magdeburg/MZ - In Sachsen-Anhalt steigt die Zahl der Corona-Infektionen unter Kindern und Jugendlichen stark an. In der Altersgruppe von sieben bis elf Jahren springt die Sieben-Tage-Inzidenz auf 164, in der Gruppe von zwölf bis 15 Jahren sogar auf 172. Diese Zahlen mit Stand vom 3. Oktober hat das Landesgesundheitsministerium auf MZ-Anfrage mitgeteilt. Laut Statistik haben damit Schulkinder das mit Abstand höchste Infektionsrisiko.
Zum Vergleich: Bei Menschen im Alter von 60 bis 69 Jahren liegt die Inzidenz bei 20, zwischen 70 und 79 Jahren bei 14. Mediziner führen diese großen Differenzen auf die Impfungen zurück. Für Kinder unter zwölf Jahren ist noch gar kein Impfstoff verfügbar. Teenager sind deutlich seltener geimpft als Erwachsene.
„Wir wissen noch nicht viel über Spätfolgen“
Die Gefahr, dass infizierte Minderjährige schwer erkranken, ist nach Einschätzung des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte sehr gering. „Schwere oder sehr schwere Verläufe sind extrem rar“, sagte der Verbandssprecher, der Berliner Kinderarzt Jakob Maske, der MZ. Er plädiert dennoch dafür, Infektionen nach Möglichkeit zu verhindern: „Wir wissen noch nicht viel über Spätfolgen und darüber, wie sich das Virus weiter verändert.“
Zu möglichen Risiken zählt das sogenannte PIMS-Syndrom, das Wochen später auftreten kann. Die Uniklinik Halle hat mehrere betroffene Kinder behandelt, darunter zwei schwere Fälle. „Festgestellt haben wir Fieber, massiv erhöhte Entzündungswerte und Funktionseinschränkungen des Herzmuskels“, sagte die Uniklinik-Kinderärztin Martina Stiefel. Solche Fälle seien aber selten.
Werden hohe Infektionszahlen bei Kindern zur Gefahr für Erwachsene?
Das Landesgesundheitsministerium sieht die Entwicklung dennoch mit Sorge. Zwar sei das Risiko für Kinder selbst sehr gering, sagte Ministeriumssprecherin Romy Richter. Zu befürchten sei aber, dass sich bei hohen Infektionszahlen unter Kindern „zunehmend erwachsene Ungeimpfte und vulnerable geimpfte Personen anstecken, die dann auch schwer erkranken“. Diese Gefahr bestehe in allen Ländern mit einer Impfquote unter 75 Prozent. Aktuell sind in Sachsen-Anhalt 61 Prozent vollständig geimpft.
Die Coronawelle unter Kindern kommt zudem zeitgleich mit einer massiven Ausbreitung anderer Atemwegsinfektionen. In Sachsen-Anhalt arbeiten viele Kinderarztpraxen an der Belastungsgrenze. „Wir sind bis obenhin zugeschüttet“, sagte der Landesvorsitzende des Kinder- und Jugendärzteverbands, Roland Achtzehn.
Die Kinderarztpraxen sind voll - auch dank RSV
Sorge macht ihm vor allem das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), das vor allem für Kinder unter vier Jahren gefährlich ist. Angesichts dessen sei das Testen von Corona-Verdachtsfällen eine zusätzliche Belastung, sagte Achtzehn. „Mit einer zehn bis 15 Punkte höheren Impfquote hätten wir diese Welle so nicht. Ich habe Sorge vor dem Winter, das höre ich aus allen Praxen.“
Folgen könnte die Corona-Welle auch für die Schule haben. Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) will möglichst durchgängig Präsenzunterricht erteilen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält das derzeit unter den geltenden Vorsichtsmaßnahmen für vertretbar. „Aber wenn die Zahlen exponentiell ansteigen, muss man notfalls wieder zu Schulschließungen greifen“, warnte GEW-Landeschefin Eva Gerth. Aktuell werden Schüler zweimal wöchentlich getestet, auf den Schulfluren gilt Maskenpflicht.
Bereits dreimal so viele infizierte Schüler wie vor drei Wochen
Bereits jetzt gibt es 22 Schulen im Land, in denen Klassen wegen Corona-Infektionen zu Hause lernen müssen. Die Zahl der infizierten Schüler steigt nach den aktuellsten Zahlen auf 328, mehr als dreimal so viele wie vor drei Wochen.