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Grundsteuer verstehen Von Abzinsungsfaktor bis Rohertrag – das steht im Grundsteuerbescheid

Tausende Grundstückseigentümer haben in den vergangenen Wochen vom Finanzamt ihre Bescheide zur neuen Grundsteuer bekommen. Die Schreiben enthalten dabei eine Menge verwirrende Begriffe. Die Mitteldeutsche Zeitung erklärt, wie der Bescheid zu verstehen ist.

Von Julius Lukas 21.01.2023, 10:00
Über 250.000 Bescheide haben die Finanzämter in Sachsen-Anhalt bereits verschickt.
Über 250.000 Bescheide haben die Finanzämter in Sachsen-Anhalt bereits verschickt. Foto: Julius Lukas

Halle/MZ - - Was mit Steuern zu tun hat, ist selten leichte Kost. Das ist bei der neuen Grunsteuer nicht anders. In den Bescheiden, die die Finanzämter dazu aktuell tausendfach verschicken, tauchen Wörte wie „Rohertrag“, „Abzinsungsfaktor“ oder „Umrechnungskoeffizient“ auf. Was sich hinter ihnen verbirgt und wie der Steuerbescheid zu verstehen ist, hat die Mitteldeutschen Zeitung bei Ministerien, Ämtern und Fachleuten erfragt.

Finanzamt verschickt zwei Bescheide

Zuerst einmal: Der neue Grundsteuerbescheid besteht aus zwei Bescheiden des Finanzamts, die meist zusammen verschickt werden: dem Bescheid über den Grundsteuermessbetrag sowie dem Bescheid über den Grundsteuerwert. Der interessantere ist letzterer Bescheid. Denn der Grundsteuerwert gibt an, was der eigene Besitz aus Sicht des Staates wert ist - und darauf kommt es bei der Grundsteuer an.

Die Berechnungen des Finanzamtes beruhen dabei auf allerhand Werten. Manche hat der Grundstückseigentümer in seiner Grundsteuererklärung selbst angegeben. Andere sind vom Bundesfinanzministerium und anderen staatlichen Stellen festgelegt worden. Wichtig zu wissen ist dabei, dass es sich oft um pauschale Werte handelt. Das bedeutet, dass die 36 Millionen Immobilien in Deutschland nicht jede einzeln für sich betrachtet werden. Denn das wäre viel zu aufwendig, wie auch das Bundesfinanzministerium auf Anfrage sagt: „Individuelle Grundstücksmerkmale werden nicht berücksichtigt, da es sich um ein Massenverfahren handelt.“

Dieses pauschale Vorgehen sei vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2018 zur Grundsteuer auch als zulässig erklärt worden, bestätigt Hilmar Speck, Präsident der Steuerberaterkammer Sachsen-Anhalt. Der Gesetzgeber habe einen großen Spielraum bei der Ausgestaltung der Grundsteuer. Und den nutzt er auch.

Reinertrag und Bodenwert ergeben Grundwert

In den meisten Bundesländern, so auch in Sachsen-Anhalt, kommt bei der neuen Grundsteuer ein Ertragswertverfahren zum Einsatz. Der Grundsteuerwert errechnet sich dabei aus dem Reinertrag der Immobilie und dem abgezinsten Bodenwert des Grundstücks - klingt kompliziert, ist es auch.

Zur Erklärung: Bei der neuen Grundsteuer spielt eine zentrale Rolle, welchen Ertrag ein Grundbesitz erwirtschaften kann. Das war bei dem Verfahren zuvor nicht so. Dieser Ertrag besteht aus der Miete, die man für eine Immobilie bekommen könnte. Dabei ist es vollkommen egal, ob diese Miete der realen Miete entspricht oder ob die Immobilie überhaupt vermietet ist. Auch Selbstnutzern wird ein Mietertrag unterstellt. Es handelt sich um eine fiktive Größe.

Zu diesem aus der Miete gebildeten Reinertrag kommt dann noch der Bodenwert hinzu. Denn: Auch das Grundstück, auf dem die Immobilie steht, hat ja einen Wert. Beides zusammen bildet dann den Grundsteuerwert.

Gutachter bestimmen Bodenrichtwert

Um die komlizierten Berechnungen des Finanzamtes etwas anschaulicher zu machen, werden im Folgenden immer wieder reale Bescheide herangezogen. Diese haben Leser der MZ zugeschickt. In einem solchen Schreiben geht es zum Beispiel um eine 32 Quadratmeter große Wohnung in Merseburg (Saalekreis). Für diese werden im Bescheid zu Beginn erst einmal bestimmte Werte genannt. Als erstes der Bodenrichtwert, der beschreibt, wie viel der Boden in einem bestimmten Gebiet wert ist. Beim Grundstück, auf dem das Haus mit der Wohnung in Merseburg steht, liegt der Bodenrichtwert bei 50 Euro pro Quadratmeter.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Foto: Julius Lukas

Dieser Wert wurde vom Gutachterausschuss Sachsen-Anhalt ermittelt. Die 120 Mitglieder dieses Gremiums haben alle etwas mit Immobilien zu tun - sie sind etwa Makler, Bausachverständige oder Bauplaner. Sie entscheiden für alle Regionen in Sachsen-Anhalt, welchen Wert der Boden dort hat. Dabei werden laut Andreas Schöndube, dem Vorsitzenden des Gutachterausschusses für Grundstückswerte, zum Beispiel „gezahlte Kaufpreise und Bauleitpläne ebenso berücksichtigt wie die Erfahrungen und Kenntnisse der Mitglieder des Gutachterausschusses“. Die festgelegten Bodenrichtwerte sind dabei nicht erklärungspflichtig. Der Gutachterausschuss legt sie ohne öffentliche Begründung fest. Allerdings werden sie alle zwei Jahre überprüft.

Liegenschaftszinssatz und Restnutzungsdauer

Der Bodenrichtwert wird im Bescheid aber erst einmal nur genannt. Gebraucht wird er erst später. Gleiches gilt für den nächsten Wert: der Liegenschaftszinsatz. Der ist sehr pauschal gehalten. Für die Wohnung in Merseburg - so wie für alle anderen Wohnungen bundesweit auch - beträgt er drei Prozent. Das bedeutet, dass mit einer Wohnung im Schnitt etwa drei Prozent des Kaufpreises erwirtschaftet werden können. Hat die Wohung 100.000 Euro gekostet, liegt der angenommene Ertrag also bei 3.000 Euro pro Jahr. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern wird ein Liegenschaftszinsatz von 2,5 Prozent angenommen - egal ob sie in Berlin Mitte oder Hackpfüffel (Mansfeld-Südharz) liegen.

Es geht weiter mit der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Die ist eine entscheidende Größe bei der neuen Grundsteuer. Angenommen wird dabei, dass Wohngebäude 80 Jahre genutzt werden können. Diese sogenannte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer ist eine Festlegung, die laut Landesfinanzministerium Sachsen-Anhalt auf Immobilienmarktdaten und Expoerteneinschätzungen beruht.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Foto: Julius Lukas

Zur Berechnung der Restnutzungsdauer wird im Bescheid zuerst das Baujahr des Gebäudes genannt. Im Fall der Wohnung in Merseburg ist das Haus, in dem sie sich befindet, 1996 gebaut worden. Entsprechend ist das vermerkte Alter des Hauses 26 Jahre. Damit wierderum kann die Restnutzungsdauer berechnet werden: 80 Jahre minus 26 Jahre ist 54 Jahre. So einfach kann Steuer sein.

Allerdings gibt es auch Sonderfälle. Nämlich dann, wenn Häuser älter als 80 Jahre sind. Dann wäre die Restnutzungsdauer ja Null. Allerdings geht das Bundesfinanzministerium davon aus, dass jedes bewohnte Gebäude noch mindestens 24 Jahre genutzt werden kann. Und: Gab es bei einem Haus eine Kernsanierung, beeinflusst das die Restnutzungsdauer. So wie bei dem Haus eines Lesers in Sangerhausen (Kreis Mansfeld-Südharz). Das ist älter als 80 Jahre, wurde allerdings 1996 kernsaniert. In diesem Fall müsste 1996 das neue Baujahr sein. Da es sich allerdings um ein kernsaniertes und kein neues Gebäude handelt, reduziert der Gesetzgeber das Alter des Hauses noch einmal um zehn Prozent der Gesamtnutzungsdauer (80 Jahre). Entsprechend lässt sich das nun „fiktive“ Baujahr errechnen: 1996 minus acht Jahre ist 1988. Das Haus ist demnach 34 Jahre alt, was eine Restnutzungsdauer von 46 Jahren bedeutet. So kompliziert kann Steuer sein.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Foto: Julius Lukas

Der Rohertrag wird ermittelt

Einfacher wird es im Bescheid allerdings erst einmal nicht mehr. Denn jetzt wird der Rohertrag der Immobilie ermittelt, aus dem sich dann der Reinertrag ergibt. Es geht nun also darum, welcher Ertrag mit der Wohnung oder dem Haus erwirtschaftet werden kann. Dazu werden erst einmal wieder ein paar Werte genannt. Als erstes steht im Bescheid, zu welcher Kategorie die Immobilie gehört. Das Haus des Lesers aus Sangerhausen mit seinen 87 Quadratmetern Wohnfläche gehört zu den „Wohnungen mit einer Wohnfläche von 60 bis unter 100 Quadratmetern“. Die Wohnung in Merseburg ist eine „Wohnung mit einer Wohnfläche von unter 60 Quadramertern“.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Foto: Julius Lukas

Diese Einordnung ist wichtig für die Zuordnung zu den Nettokaltmieten. Denn für jede Wohnungsart sind abhängig vom Baujahr und dem Bundesland bestimmte Mieten festgelegt. Diese stehen in einer Tabelle im für die Grundsteuer maßgeblichen Bewertungsgesetz. Grundlage für diese Nettokaltmieten ist laut Landesfinanzministerium der Mikrozensus. Dass der nicht immer passt, zeigt die kleine Wohnung des Lesers aus Merseburg. Dort beträgt die Nettokaltmiete laut Tabelle 8,24 Euro pro Quadratmeter. So ist es auch im Bescheid des Finanzamtes vermerkt. Das große Immobilienportal Immobilienscout 24 gibt für die Wohnung allerdings einen Mietpreis von 6,07 Euro pro Quadratmeter an. Ein bemerkenswerter Unterschied, der allerdings hingenommen werden muss. Denn, wie bereits geschrieben, sind bei einem Massenverfahren wie der Grundsteuer Vereinfachungen wie die pauschale Festlegung der Nettokaltmieten notwendig - und wohl auch höchstrichterlich geduldet.

Weiter im Bescheid, in dem jetzt aus Quadratmeterzahl und Nettokaltmiete erst der monatliche und dann der jährliche Rohertrag gebildet werden. Anhand des Merseburg-Beispiels bedeutet das: 32 Quadratmeter mal 8,24 Euro mal zwölf Monate sind 3.164 Euro pro Jahr Rohertrag. In Sangerhausen ist die Rechnung allerdings erneut etwas komplizierter. Denn um regionale Mietunterschiede besser zu berücksichtigen, wurden bei der Grundsteuer noch Mietniveaustufen eingeführt. Diese wurden in einer Verordnung des Bundesfinanzministeriums festgelegt. Sangerhausen hat dort die Mietniveaustufe 2 und Merseburg die Mietniveaustufe 3. Das bedeutet, dass für die gleiche Wohnung in Merseburg statistisch gesehen höhere Mieten verlangt werden als in Sangerhausen.

Konkret hat dieser Niveauunterschied die Auswirkung, dass für Sangerhausen die pauschal für ganz Sachsen-Anhalt festgelegten Nettokaltmieten um zehn Prozent abgesenkt werden. Bei Mietniveaustufe drei hingegen passiert gar nichts. Bei Stufe vier würde es Aufschläge geben. Diese Stufe gibt es in Sachsen-Anhalt allerdings nicht. Die meisten Kommunen liegen bei Stufe 2. Für das 87-Quadratmeter-Haus in Sangerhausen bedeutet das statt 5,22 Euro pro Quadratmeter nur noch 4,70 Euro pro Quadratmeter Miete (minus zehn Prozent). Der Rohertrag des Hauses wäre also: 87 Quadratmeter mal 4,70 Euro pro Quadratmeter mal zwölf Monate sind 4.906,80 Euro pro Jahr.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Foto: Julius Lukas

Noch einmal zur Verdeutlichung: Ob diese Mieten tatsächlich erzielt werden oder erzielt werden können, spielt keine Rolle. Die Werte sind pauschal, basieren auf Statistiken und dienen der Vereinfachung des Massenverfahrens.

Zum Rohertrag des Hauses oder der Wohnung kommt nun noch der Rohertrag für eine oder mehrere Garagen hinzu - falls diese vorhanden sind. Pro Garage wird pauschal von 35 Euro pro Monat möglicher Mieteinnahme ausgegangen, wobei auch hier wieder Mietniveaustufen berücksichtigt werden. Der Leser aus Sangerhausen hat eine Garage, was pro Jahr zusätzliche Einnahmen von 378 Euro bedeutet. Sein Rohertrag beträgt demnach insgesamt 5.284,80 Euro für Haus und Garage. In Merseburg bleibt es bei den 3.164 Euro, da keine Garage vorhanden ist.

Aus Rohertrag wird Reinertrag

Mit dem Rohertrag wird jetzt weitergerechnet. Dabei gewährt der Staat den Grundstückseigentümern erst einmal einen kräftigen Rabatt für die Bewirtschaftungskosten des Eigentums. Gemeint sind damit laut Gesetz: Kosten für Verwaltung, Instandhaltung und Mietausfallwagnis. Je nach Grundstücksart und Restnutzungsdauer reicht dieser Rabatt von 18 bis 31 Prozent, die vom Rohertrag abgezogen werden. Das ist vergleichsweise viel, denn in der Immobilienbranche geht man eher von Bewirtschaftungskosten im einstelligen Prozentbereich aus.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Foto: Julius Lukas

Beim Haus in Sangerhausen wird um 21 Prozent gemindert. Mit diesem Schritt wird der Rohertrag im Bescheid zum Reinertrag. Konkret geht es von 5.284,80 Euro Ertrag pro Jahr runter auf 4.174,99 Euro. Bei der Wohnung in Merseburg liegt der Bewirtschaftungsrabatt bei 25 Prozent, wodurch der Rohertrag von 3.164 Euro pro Jahr zum Reinertrag von 2.373,12 Euro pro Jahr wird.

Der Reinertrag wird kapitalisiert

Bis hierhin waren das schon viele Zahlen - und es werden mehr. Die nächste Zahl heißt Vervielfältiger. Damit wird berechnet, wie viel sich mit dem Eigentum in der Zeit der Restnutzungsdauer verdienen lässt. Wichtig ist dabei noch der bereits erwähnte Liegenschaftszinsatz. Auch hierfür gibt es eine Tabelle im Bewertungsgesetz, aus der man den passenden Vervielfältiger heraussuchen kann. Dieser wird dann mit dem Reinertrag multipliziert. Für die Wohnung in Merseburg, die noch 54 Jahre genutzt werden kann und die einen Zinssatz von drei Prozent hat, lautet der Vervielfältiger 26,58. Mit diesem Wert wird jetzt der Reinertrag (2.373,12 Euro) multipliziert. Heraus kommen 63.077,53 Euro. Das ist der sogenannte kapitalisierte Reinertrag, der für das Finanzamt mit der Wohnung verdient werden kann - egal, ob er auch wirklich verdient wird.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Foto: Julius Lukas

Beim Haus in Sangerhausen lautet der Vervielfältiger 27,15. Multipliziert mit dem Reinertrag (4.174,99 Euro) ergibt das einen Ertrag von 113.350,98 Euro.

Der abgezinste Boden

Mit dem Haus beziehungsweise der Wohnung ist die Berechnung jetzt durch. Allerdings gehört zum Grundbesitz ja auch noch der Boden. Dieser wird vom Gesetzgeber anders als die Immobilie als „lebenslange Rente“ gesehen, weil Boden im Wert zwar schwankt, aber anders als ein Gebäude nicht über eine bestimmte Zeit hinweg an Wert verliert.

Einfach wäre es jetzt, wenn man bei der Grundsteuerberechnung den Bodenwert nur hinzuaddieren würde. So einfach macht es der Gesetzgeber aber nicht. Denn nicht der Bodenwert ist wichtig, sondern der abgezinste Bodenwert. Im Gesetzesentwurf zur Grundsteuerreform steht dazu auf Seite 86, „dass in den Mieten eine Abgeltung des Werts des Grund und Bodens für den Zeitraum der typisierend angenommenen Restnutzungsdauer bereits enthalten ist“. Soll heißen: Weil Haus oder Wohnung in die Berechnung schon durch den Reinertrag einfließen, ist der Boden auf dem sie stehen bereits zu einem Teil berücksichtigt. Deswegen wird der Bodenwert des Grundstücks nicht komplett berechnet, sondern durch den sogenannten Abzingsungsfaktor gemindert. Auch der kann wieder einer Tabelle entnommen werden. Auch er richtet sich nach Restnutzungsdauer und Ligenschaftszinssatz.

Zuerst die einfache Berechnung, die wieder die Merseburger Wohnung betrifft. Dort beträgt der Abzinsungsfaktor 0,2027. Um damit den Bodenwert zu berechnen, braucht man noch die Fläche (32 Quadratmeter) sowie den oben erwähnten Bodenrichtwert, der im Bereich der Wohnung 50 Euro pro Quadratmeter beträgt. Nun wird alles multipliziert: 32 Quadratmeter mal 50 Euro pro Quadratmeter mal 0,2027 ergibt einen abgezinsten Bodenwert von 354,73 Euro.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid einer 32-Quadratmeter-Wohnung in Merseburg.
Foto: Julius Lukas

Umrechnungskoeffizient für Grundstücke mit Häusern

Bei Ein- und Zweifamilienhäusern - also auch bei dem in Sangerhausen - wird es erneut komplizierter. Denn hier kommt noch ein Umrechnungskoeffizient hinzu, den man einer Tabelle entnehmen kann. Mit dem werden kleine Grundstücke teurer gemacht und große preiswerter. Die Erklärung ist nicht ganz einfach, aber man stelle sich vor, ein Haus gleicher Bauart steht in einer Zone mit dem gleichen Bodenwert einmal auf einem 200 und einmal auf einem 2.000 Quadratmeter großen Grundstück. Für das größere Grundstück wäre der Bodenwert (Fläche mal Bodenrichtwert) zehn Mal höher als beim kleinen Grundstück. Die Erfahrung sagt aber, dass die Verkaufspreise beider Grundstücke nicht so extrem auseinandergehen würden. Deswegen wird im Bezug auf die Grundstücksgröße eine Anpassungen vorgenommen.

Für das Beispiel aus Sangerhausen bedeutet das, dass der Bodenwert noch einmal mit 1,24 multipliziert, also um fast 25 Prozent erhöht wird. Denn das Haus befindet sich auf einem 200 Quadratmeter großen und damit vergleichsweise kleinen Grundstück. Der Abzinsungsfaktor beträgt 0,3211 und der Bodenrichtwert 30 Euro pro Quadratmeter. Entsprechend lautet die Rechnung für den abgezinsten Bodenwert: 200 Quadratmeter mal 30 Euro pro Quadratmeter mal 1,24 mal 0,3211 ist 2.388,98 Euro.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Foto: Julius Lukas

Auf der Zielgeraden: Grundsteuerwert und Prüfung

Es ist fast geschafft. Denn nun fehlen nur noch zwei Rechenschritte und eine Prüfung, die aber vergleichsweise einfach sind. Als erstes wird nun endlich der Grundsteuerwert des Grundstücks berechnet. Er setzt sich aus kapitalisierten Reinertrag und dem abgezinsten Bodenwert zusammen. Für die Wohnung in Merseburg kommt man dabei auf einen Grundsteuerwert von 63.432,26 Euro. Für das Haus in Sangerhausen sind es 115.739,69 Euro.

Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Auszug aus dem Grundsteuerbescheid eines 87-Quadratmeter-Hauses in Sangerhausen.
Foto: Julius Lukas

Nun wird noch geprüft, ob das Grundstück mit Haus 75 Prozent des Wertes erreicht, den das Grundstück ohne Bebauung hat. Es wird also geschaut, ob der Boden ohne Haus deutlich mehr wert ist als mit Haus. In welchen Fallkonstellationen das vorkommen könnte, ist selbst Experten nicht bekannt. Geprüft wird es trotzdem. Sowohl beim Beispiel in Merseburg als auch in Sangerhausen ist der Boden mit Haus mehr wert.

Am Ziel: Der Grundsteuermessbetrag

Und damit zum letzten Schritt, für den der zu Beginn erwähnte zweite Bescheid (über den Grundsteuermessbetrag) hervorgeholt werden muss. Dort findet man den auf Hunderter abgerundeten Grundsteuerwert wieder. Dieser wird nun mit der Steuermesszahl multipliziert. Die Steuermesszahl beträgt 0,31 von Tausend oder anders ausgedrück 0,00031. Sie ist eine vom Gesetzgeber so festgelegte Größe, die sich gar nicht weiter erklären lässt. Multipliziert man die 115.700 Euro Grundsteuerwert des Hauses in Sangerhausen mit der Steuermesszahl, kommt man auf einen Grundsteuermessbetrag 35,87 Euro. Mit den gleichen Werten für Merseburg gerechnet, ergeben sich 19,65 Euro.

Und damit sind beide Bescheide abgearbeitet.

Die tatsächliche Grundsteuer hat man nun allerdings immer noch nicht. Denn der Messbetrag muss noch mit dem Hebesatz der jeweiligen Kommunen multipliziert werden. Die Hebesätze werden aber erst 2024 final von Städten und Gemeinden festgelegt. Dass es flächendeckend zu einer Erhöhung der Grundsteuer kommen könnte, hatte der Städte- und Gemeindebund mit Blick auf die schlechte kommunale Finanzlage bereits als wahrscheinlich beschrieben.

Zuletzt noch ein Tipp: Die Steuerberaterkammer empfiehlt, gegen die beiden Grundsteuerbescheide bei Unsicherheiten Einspruch einzulegen. Dazu hat man nach Ausstellung des Bescheids einen Monat Zeit. Eine nachträgliche Korrektur sei nach aktueller Rechtslage nämlich nicht möglich. Fehler, die jetzt im Bescheid stehen, könnten also nicht mehr korrigiert werden.