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Wassermangel Ewige Arbeit am Welterbe: Gartenreich soll dem Klimawandel trotzen

Der Wörlitzer Park ist eine Idylle. Doch auch hier sind die Auswirkungen von Hitze und Trockenheit zu spüren. Hinter den Kulissen wird daran gewirkt, den Charakter des Areals, das Teil einer einzigartigen Kulturlandschaft ist, zu erhalten. Warum das immer aufwendiger wird.

Von Matthias Müller 19.08.2022, 07:00
Gondelfahrten sind im Wörlitzer Park noch möglich. Aber nur  auf dem See - in den angrenzenden Kanälen ist der Wasserstand dafür zu niedrig.
Gondelfahrten sind im Wörlitzer Park noch möglich. Aber nur auf dem See - in den angrenzenden Kanälen ist der Wasserstand dafür zu niedrig. Foto: Matthias Müller

Dessau/Wörlitz - Auf den ersten Blick wirkt alles so idyllisch wie immer. Gondeln mit Touristen gleiten gemächlich über den See im Wörlitzer Park, der tiefblau in der Sonne leuchtet. Doch wer genauer hinschaut, der bemerkt, dass das Wasser längst nicht bis zur Grasnarbe am Ufer reicht. Dicke Steine liegen frei, an anderen Stellen zeigt sich die hölzerne Gewässerbegrenzung. „Der Wasserstand im See ist seit Juni um einen halben Meter gesunken“, sagt Michael Keller, der Leiter der Abteilung Gärten und Gewässer bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Auf dem teils mehrere Meter tiefen Gewässer, einem alten Arm der Elbe, bremst das die Bootstouren nicht aus. Doch auf den damit verbunden Kanälen, die deutlich flacher sind, können die Gondeln wegen sinkender Wasserstände nicht mehr verkehren.

So dramatisch wie in den Krisenjahren 2018 und 2019, als viele Gewässer komplett trocken lagen, ist die Lage derzeit nicht. Dennoch ist Wassermangel für alle Parkanlagen des Welterbes Gartenreich Dessau-Wörlitz schon länger ein ständiger Begleiter. Auch und vor allem für das „Hauptjuwel“, wie Michael Keller den Wörlitzer Park nennt. Von 112 Hektar Gesamtfläche entfallen hier 20 auf Gewässer, die durch zwei Kilometer an Gräben und Kanälen vernetzt sind. „Der Grundwasserstand ist schon seit Jahren defizitär“, erklärt der Abteilungsleiter, während er bei knapp 33 Grad langsam über das weitläufige Gelände flaniert. Nur, dass dies eben nicht immer sofort sichtbar ist. „2021 sah es hier im Park beim Wasserstand zwar blendend aus, aber das war nur der oberirdische Effekt.“

Komplexes System

Wie ernst man das Thema Wassermangel nimmt, wurde zuletzt im Mai beim Gartenreichforum deutlich, wo sich Mitarbeiter, Unterstützer und Politiker trafen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) etwa, die in Dessau-Roßlau lebt, bezeichnete das Gartenreich als Symbol für die „Riesenherausforderung“, die Wassermangel und Artensterben als Teil des Klimawandels darstellten. Andere Stimmen warnten bereits vor einer weiteren trockenen Saison mit all den möglichen Auswirkungen auf die gesamte, einmalig gestaltete Landschaft.

Michael Keller mit einer der alten Linden im Schlosspark Wörlitz.
Michael Keller mit einer der alten Linden im Schlosspark Wörlitz.
Foto: Matthias Müller

Seit dem Forum hat es wenig geregnet und war an vielen Tagen sehr heiß. Das macht die Wasserwirtschaft im Weltkulturerbe nicht einfacher, denn die ist von einem komplexen System abhängig. „Das ist hier ein ganz besonderer Landschaftsraum“, erläutert Michael Keller und holt eine Karte hervor, die die Lage des Geländes im Auengebiet von Elbe und Mulde zeigt. Von Sachsen aus bringt die Elbe das Wasser heran, dass sich in diese Auenlandschaft, vereinfacht gesagt, hineindrückt und sich über ein Geflecht aus kleinen Gräben und Gewässern in der Landschaft verteilt. Der Wörlitzer Park ist Bestandteil dieses komplexen Systems. „Die Situation des Flusses bestimmt die Wassersituation hier“, so Keller. Es gebe keine Quellen, man hänge quasi am Tropf der Elbe. Und der fehle im Moment einiges an Wasser.

In der Tat verzeichnet die Elbe vielerorts niedrige Pegelstände. Teilweise tauchen sogar alte Hungersteine auf wie unlängst in Sachsen, die die Menschen vor Jahrhunderten vor Dürre warnen sollten. Und im nahen Wittenberg könnte der Pegel in den nächsten Tagen knapp unter die Marke von einem Meter fallen, lauten Schätzungen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Das wäre zwar immer noch mehr als der bisherige Tiefststand von 67 Zentimetern vom 25. August 2018. Doch es läge deutlich unter dem mehrjährigen Mittel niedriger Wasserstände, dass zwischen 2006 und 2015 mit 1,16 Metern erfasst wurde. „Die Elbe ist der Schlüssel“, betont Keller. Wenn von dort kein Wasser mehr komme, dann sei Schluss. „Dann kommt durch die Grabensysteme nichts mehr nach. Für den Erhalt des Kulturerbes sind solche heißen Sommer schlecht.“

Der Pegel im Wörlitzer See ist gesunken, wie an der freiliegenden Uferbegrenzung aus Holz zu erkennen ist.
Der Pegel im Wörlitzer See ist gesunken, wie an der freiliegenden Uferbegrenzung aus Holz zu erkennen ist.
Foto: Matthias Müller

Dabei ist es nicht einmal ein Jahrzehnt her, dass man mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen hatte: zu viel Wasser. Nach den extremen Hochwasserereignissen 2013 und zuvor 2002 mussten im Gartenreich zahlreiche Schäden beseitigt werden. Der Hochwasserschutz war demnach in den vergangenen 20 Jahren ein Schwerpunkt in der Arbeit der Kulturstiftung, die die Kernbereiche des Gartenreichs betreut und diese auch für künftige Generationen erhalten will.

Dafür hat längst ein Umdenken stattgefunden, man hat auch die Trockenheit verstärkt ins Visier genommen. Die sorgt nicht nur dafür, dass die Gondelrouten verkürzt werden müssen. Der Aufwand zum Erhalt des Welterbes wird an vielen Stellen größer. Michael Keller kennt sie alle. „Diese Gewässer sind darauf angelegt, dass ihre Ufer stabil sind“, sagt er etwa mit Blick auf den Wörlitzer See. Doch die Holzkonstruktionen seien dafür gebaut, ständig vom Wasser bedeckt und damit geschützt zu sein. Wenn sie wie jetzt in trockenen Sommern freiliegen, dann müssten sie künftig deutlich häufiger ausgebessert oder erneuert werden. Auch die verschlungenen Wege, über die an diesem Nachmittag zahlreiche Besucher den Park zu Fuß erkunden, bräuchten eine gewisse Grundfeuchte um gegen Erosion geschützt und nicht abgetragen zu werden. Und vor allem den vielen besonderen Pflanzen und Bäumen im Park setzt die Trockenheit zu.

Eichen trocknen aus

„Sehen Sie dort drüben die Gruppe alter Eichen?“, fragt Keller und deutet auf einige Bäume, mit deutlich gekappten Kronen. „Die trocknen aus, wir mussten einen Sicherheitsschnitt machen.“ Schließlich soll niemand durch abbrechende Baumteile gefährdet werden. Manchmal aber reicht selbst ein Rückschnitt nicht aus. Als Folge der Hitzejahre 2018 und 2019 mussten in allen Anlagen des Gartenreichs insgesamt 1.000 Bäume gefällt werden. „Das waren im Schnitt pro Park weniger als zehn Prozent des Gesamtbestands“, erklärt Keller. „Und die Altbäume, die auch Teil des Denkmals sind, versuchen wir so lange wie möglich zu erhalten.“

An vielen Stellen fordern Hitze und lange Perioden ohne Regen das Gärtnerpersonal heraus: Neue Bäume werden nun mehr als die früher üblichen drei Jahre gewässert, es müssen große Hecken und Kübelpflanzen aus Gewächshäusern erhalten werden. 40 Gärtner sind für die von der Kulturstiftung betreuten Anlagen im Gartenreich mit ihren 250 Hektar zuständig. Schwerpunkte zu setzen in der Arbeit wird immer wichtiger. Man renoviere häufiger und müsse Substanz erhalten, sagt Keller. Es gehe nicht vordergründig darum, ein touristisches Ziel schick zu machen. „Es geht darum, das Welterbe dauerhaft in all seinen Facetten zu bewahren.“

Baumschule im Gespräch

Dabei hilft auch die Forschung. Daten sammeln, Entwicklungen beobachten und daraus Schlüsse ziehen. „Was genau erhalten wir wie im Sinne des Welterbes, wie steuern wir künftige Prozesse?“, seien wichtige Fragen, betont Keller, als er am Ende des Parkrundgangs vor der Kulisse von Schloss Wörlitz angelangt. Ein Ansatz etwa könnte sein, wieder eine eigene Baumschule einzurichten, um optimal auf hiesige Bedingungen angepasste Gewächse heranzuziehen. Und vielleicht kommen schon nächste Woche weitere Ideen dazu. Dann trifft sich im Gartenreich ein Kolloquium der „Fachgruppe Gärten in der AG Deutscher Schlösserverwaltungen“ unter Vorsitz von Bernd Schreiber aus Bayern. Thema ist ein Forschungsprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zu „Handlungsstrategien zur Klimaanpassung“.

Wie auch immer diese aussehen könnten, die Arbeit im Gartenreich wird in Zukunft nicht weniger werden. Oder, um es mit Michael Keller zu sagen: „Der Garten ist ein ewiger Prozess.“