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EU-Datenschutzregeln EU-Datenschutzregeln: Viele private Überwachungskameras sind neuerdings illegal

Von Steffen Könau 18.06.2018, 08:15
Der Deutsche Bundestag in Berlin überwacht sein Umfeld flächendeckend - nach der neuen EU-Datenschutzverordnung aber reicht ein Piktogramm zur Information Betroffener künftig nicht mehr, denn die haben mehr Rechte.
Der Deutsche Bundestag in Berlin überwacht sein Umfeld flächendeckend - nach der neuen EU-Datenschutzverordnung aber reicht ein Piktogramm zur Information Betroffener künftig nicht mehr, denn die haben mehr Rechte. Könau

Halle (Saale) - Harald von Bose weiß es nicht, nicht einmal annähernd. „Konkrete Zahlen liegen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt für den nicht-öffentlichen Bereich nicht vor“, erklärt Carsten Nock, der Sprecher von Sachsen-Anhalts oberstem Datenschützer.

Eine heikle Sache, denn es geht um ein Phänomen, das seit Jahren tagtäglich zu zahllosen Datenschutzverstößen vor allem in den großen Städten des Landes führt: Überwachungskameras, die an privaten Häusern oder Unternehmensgebäuden angebracht sind und von ihrer Position aus Teile von Fußweg oder sogar Fahrbahn mitüberwachen.

Nur das eigene Grundstück darf per Kamera überwacht werden

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist diese Beobachtung „mit optisch-elektronischen Einrichtungen“, wie es im Gesetz heißt, erlaubt, wenn sie der Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen oder der Wahrnehmung des Hausrechts dient oder „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke“ notwendig ist.

Überwacht eine Privatperson ausschließlich ihr Privatgrundstück, ist dagegen laut Nock nichts einzuwenden. „Sind aber öffentlich zugängliche Bereiche auf dem Video zu sehen, muss es ein berechtigtes Interesse für die Überwachung geben.“

So könnte ein Hausbesitzer, bei dem beispielsweise mehrfach eingebrochen wurde, seine eigene Wohnungstür filmen. Doch zeigt der Kamerablickwinkel auch die Tür des Nachbarn, würde eigentlich ein Bußgeld fällig.

Private Überwachungskameras werden nicht kontrolliert

Bisher haben die Datenschutzbehörden in Sachsen-Anhalt die wachsende Zahl an privaten Überwachungskameras achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Weder ist in Magdeburg bekannt, wie viele Überwachungskameras es im Lande gibt noch wie viele davon nach den gesetzlichen Vorgaben legal sind. Für den Bund gilt dasselbe: Es könnten dazu „keine belastbaren Zahlen“ geliefert werden, erklärt Dirk Hensel, der Pressesprecher des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, „da aufgrund der Quantität der Kameras eine Kontrolle immer nur stichpunktartig erfolgen kann“.

Aufsicht für private Überwachungskameras fehlt

Zwar wäre jede Videoüberwachung, die zugleich ein automatisiertes Verarbeitungsverfahren verwendet, wie es eine Videoaufzeichnung wäre, eigentlich vor Inbetriebnahme der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden.

„Die Meldepflicht entfällt jedoch, wenn die verantwortliche Stelle einen Beauftragten für den Datenschutz bestellt hat“, beschreibt Carsten Nock. Das sei „regelmäßig zumindest bei mittleren und größeren Unternehmen der Fall“.

Die Behörden gehen dann offenbar automatisch davon aus, dass der Betreiber einer Kamera die Einhaltung von Datenschutzvorschriften selbst kontrolliert. Eine Aufsicht oder gar unabhängige Kontrollen gibt es nicht, reagiert wird allenfalls auf konkrete Beschwerden.

Bei vielen Überwachungskameras fehlen die Warnhinweise

Obwohl allein in Halle inzwischen mehrere tausend Kameras hängen, die für unklare Auftraggeber, häufig ohne den gesetzlich geforderten Warnhinweis und mit unbekannter Speicherdauer auch den öffentlichen Raum aufnehmen, blieben die Behörden untätig.

Der einzige öffentlich gewordene Fall, in dem Harald von Bose eingriff, war der der Überwachungskameras am Haus der sogenannten Identitären Bewegung in Halle, in dem von Bose Auflagen erteilte, um die Persönlichkeitsrechte von Anwohnern und Passanten zu schützen, die in den Aufnahmebereich der Objektive gerieten.

DSGVO verändert Rechtslage für Kamera-Betreiber

Die neue europaweit geltende Datenschutzverordnung DSGVO bringt nun aber nicht nur Verbesserungen, teils droht jetzt das andere Extrem.

Aus einem unkontrollierten Wildwuchs von Überwachungskameras, die den öffentlichen Raum beobachten und in jeder Minute des Tages tausende Menschen in ihren Persönlichkeitsrechten verletzen, wird ein Zustand, in dem legale Angebote fürchten müssen, kriminalisiert zu werden.

Kamera am Magdeburger Elbbalkon ist schon verschwunden

Die Folgen sind bereits nach wenigen Tagen DSGVO sichtbar, etwa in Magdeburg. Hier übertrug eine Webcam seit Jahren Bilder vom Elbbalkon in alle Welt.

„Unzählige Magdeburger und viele Radler auf dem Elberadweg nutzten die Chance, sich vor der Kulisse der Elbe und der historischen Hubbrücke per Knopfdruck selber zu fotografieren und die Bilder im Internet verfügbar zu wissen“, schreiben die Betreiber von Eulenspiegel Multimedia.

Aber die neue Datenschutzgrundverordnung zwinge zur Beendigung des Angebotes - zu groß ist das Risiko, dass gewiefte Abmahnspezialisten mit Hilfe der undurchsichtigen Regelungen der DSGVO versuchen, vor allem bei kleinen Firmen aus echten oder vermeintlichen Verstößen bare Münze zu schlagen.

Denn die DSGVO, nach vier Jahren Beratung 2016 in Kraft getreten und Ende Mai schließlich alleiniges Regelwerk für den Datenschutz in der EU, macht zumindest auf dem Papier Schluss mit den laxen Vorschriften, die bisher galten.

Sie gestattet nun zwar auch eine Überwachung ohne konkreten Zwecknachweis, sofern diese nicht „systematisch“ und „umfangreich“ stattfindet, wobei die EU-Kommission beide Begriffe nicht wirklich konkret erläutert.

Doch sie räumt betroffenen Personen, wie sie die Richtlinie nennt, in „Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die Rückschlüsse auf das Verhalten von Personen erlauben“, weitergehende Rechte ein.

Kamerasymbol reicht nicht mehr als Hinweis

So müssen Betreiber von Überwachungskameras „geeignete Maßnahmen“ treffen, um den Menschen, die von ihren Kameras erfasst werden könnten, „alle Informationen gemäß den Artikeln 13 und 14 und alle Mitteilungen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34, die sich auf die Verarbeitung beziehen, in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln“.

Zudem muss die Übermittlung dieser Informationen schriftlich oder in anderer Form erfolgen, „gegebenenfalls auch elektronisch“, wie es in der DSGVO heißt.

Das gilt nach dem Wortlaut der Verordnung auch für Passanten, die glauben oder wissen, dass sie von einer Kamera erfasst worden sind: Eigentlich müssten sie vom Kamerabetreiber sofort gemäß der in der DSGVO enthaltenen Vorschriften über alle sie betreffenden Datenspeicherungen und Verarbeitungen informiert werden.

Kamera-Betreiber muss Kontaktdaten und Aufzeichnungszweck angeben

Statt der bisher üblichen Hinweisschilder, die nur ein Piktogramm mit einer Kamera zeigen, verlangt die DSGVO weitaus umfangreiche Hinweise: Vom Namen des Verantwortlichen über seine Kontaktdaten, den Aufzeichnungszweck und die geplante Speicherdauer müssen sichtbare Hinweisschilder 13 konkrete Punkte enthalten, um rechtssicher zu sein.

Geschieht das nicht, ist das ein Regelverstoß, der Geldstrafen nach sich ziehen kann. „Im nichtöffentlichen Bereich richtet sich die Höhe nach Artikel 83“, erläutert Dirk Hensel, „danach können bis zu 20 Millionen Euro fällig werden.“

Die genaue Höhe richte sich nach dem Einzelfall. Und es gebe Ausnahmen, sagt Hensel: „Gegenüber öffentlichen Stellen des Bundes können keine Geldbußen verhängt werden.“

Betroffene können Löschung von Videoaufnahmen verlangen

Unabhängig davon aber können Betroffene von jedem Betreiber einer Überwachungskamera Auskunft über alles Material verlangen, das von ihnen existiert, sie dürften die betreffenden Videos einsehen und sogar deren Löschung verlangen.

Folgt der Betreiber einer Videoanlage diesem Ansinnen nicht, ist das ein weiterer Verstoß gegen die Auflagen, der angezeigt und von diesen mit Bußgeldern geahndet werden kann. Allerdings eben nur theoretisch.

So wenig sich Datenschützer bisher um den Kamerawildwuchs in den Städten gekümmert haben, so wenig werden sie das wohl in Zukunft tun. Man werde sich auch weiterhin mit Beschwerden betroffener Personen befassen, heißt es bei Sachsen-Anhalts oberstem Datenschützer.

„Inwiefern darüber hinaus anlassunabhängige Kontrollen und Prüfungen durchgeführt werden, ist derzeit noch nicht entschieden.“ (mz)

Recht für Kamerabetreiber: www.bit.ly/dsgvokamera